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Musikalische Selbstsozialisation Jugendlicher im Heavy Metal

AutorJan Zintel
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl79 Seiten
ISBN9783668062382
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2015 im Fachbereich Soziologie - Kinder und Jugend, Note: 1,0, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Sprache: Deutsch, Abstract: Wie kann der Umgang mit einer grundsätzlich negativ belasteten Musikrichtung förderlich für die Sozialisation von Jugendlichen sein? Müsste sich die Beschäftigung damit nicht eher nachteilig auf deren Entwicklung auswirken? Fakt ist, dass sich laut einer Studie aus dem Jahr 2013 etwa drei Viertel der 15- bis 29-jährigen Deutschen einer Jugendszene zugehörig fühlen (tfactory 2013). Die Heavy-Metal-Szene zählt dabei zu den zahlenmäßig am stärksten vertretenen Szenen. Wäre eine so hohe Beteiligung daran überhaupt möglich, wenn Szenen schädlich für deren 'Mitglieder' wären? Jugendszenen fallen häufig negativ auf. Besonders die Heavy-Metal-Szene kann auf den ersten Blick wie ein Haufen betrunkener und pöbelnder Langhaariger erscheinen. Bei genauerer Beschäftigung mit der Szene stellen sich diese Vorurteile jedoch oft als unbegründet heraus. Jugendszenen scheinen eine immer größere Rolle im Leben Jugendlicher einzunehmen, weshalb es wichtig erscheint, zu untersuchen, wie sich diese auf die Heranwachsenden auswirken. Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Bedeutung von Musik und musikalischen Jugendszenen, sowie deren Einfluss auf die Entwicklung und Sozialisation Jugendlicher darzustellen. Es soll außerdem gezeigt werden, dass das schlechte Bild, das viele Menschen von Heavy Metal und Fans des Genres haben, nicht ganz der Wahrheit entspricht. Aus pädagogischer Sicht ist die Behandlung dieses Themas als relevant anzusehen, da besonders in der Jugendarbeit das Wissen darüber, wie Jugendliche Musik verwenden und wie Musik dazu verwendet werden kann, Jugendliche zu erreichen, von Vorteil ist. In Form einer theoretischen Abhandlung sollen die genannten Ziele erreicht werden. In der modernen Jugendforschung hat vor allem Ronald Hitzler den Szene-Begriff geprägt. Sein gemeinsam mit Arne Niederbacher verfasstes Buch 'Leben in Szenen' (Hitzler/Niederbacher 2010) soll als Grundlage für das Verständnis von Jugendszenen in dieser Arbeit dienen. Speziell für die Heavy-Metal-Szene ist diesbezüglich Bettina Roccors Doktorarbeit über die Szene (Roccor 1998) als deutsches Standardwerk zu betrachten.

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Leseprobe

2. Musik und Jugend


 

2.1 Musik


 

Physikalisch betrachtet ist Musik nichts anderes als Schallwellen, die vom Außenohr aufgenommen und von dort aus zu den Sinneszellen im Cortischen Organ, dem eigentlichen Hörorgan, weitergeleitet werden (vgl. Fassbender 1993, S. 613). Wie unterscheidet sich Musik denn nun von anderen akustischen Reizen, wie zum Beispiel einem vorbeifahrenden Auto? Dazu ein kurzer Einblick in die Evolutionsgeschichte des Menschen. Unser Hörsinn hat primär die Funktion eines „Bewegungsmelders“ inne, der zu jeder Zeit Aktivitäten in der Umwelt registriert. Ob der Schall, der auf unser Ohr trifft, nun als bedrohlich oder beruhigend wahrgenommen wird, hängt unter anderem von der Intensität und der Frequenz des Geräusches ab. Je näher beispielsweise ein Gewitter kommt, desto lauter und hochfrequenter wird es, was für uns eine akute Gefahr signalisiert, vor der wir uns in Sicherheit bringen sollten. Das gleichmäßige Plätschern eines Baches hingegen wird nicht als Gefahr interpretiert und löst somit auch keine umgehende Handlung aus (vgl. Hellbrück 2008, S. 17f.).

 

Übertragen auf die Musikrezeption würde dies überspitzt bedeuten, dass überall nur Meditationsmusik gehört werden müsste, da laute schnelle Musik eine Gefahr signalisiert und somit einen Fluchtreflex auslöst. Dass dem nicht so ist, liegt daran, dass Musik nicht nur instinktiv gehört wird, sondern eine Reihe anderer wichtiger Komponenten beim Musikhören eine Rolle spielen, auf die im weiteren Verlauf der Arbeit eingegangen wird.

 

2.1.1 Geschichte der Musik


 

Tatsächlich ist es so, dass es in der Geschichte der Menschheit keine Gesellschaft ohne Musik gegeben hat (vgl. Jakoby 1981, S.3). Funde von Instrumenten und bildlichen Darstellungen aus der Steinzeit belegen, dass auch schon unsere Vorfahren vor etwa 50.000 Jahren musiziert haben (vgl. ebd. S. 6). Die Frage, warum Menschen angefangen haben, Musik zu machen, also nach dem Ursprung der Musik ist umstritten. Huron beispielsweise betrachtet den Ursprung der Musik aus einer evolutionsbiologischen Perspektive. Er fragt nicht nach dem Grund, der Menschen dazu veranlasst hat, Musik zu machen, sondern danach, welchen Vorteil das musizierende gegenüber dem nicht-musizierenden Individuum hatte (vgl. Huron 2003, S. 43).

 

Neben der Theorie, dass Musik bei der Wahl der Geschlechtspartner[3] eine Rolle gespielt haben könnte, nennt er auch die Stärkung des sozialen Zusammenhalts durch Musik:

 

„Music might create or maintain social cohesion. It may contribute to group solidarity, promote altruism, and so increase the effectiveness of collective actions such as defending against a predator or attacking a rival clan“ (Huron 2003, S. 47). Diese soziale, gemeinschaftsstiftende Komponente von Musik wird in späteren Kapiteln dieser Arbeit eine große Rolle spielen.

 

Bis in die Renaissance war die Auffassung von Musik geprägt vom Gedankengut der antiken Hochkulturen. Beruhend auf Pythagoras‘ Lehre von Konsonanz und den Intervallen, aus dem 6. Jahrhundert v. Chr., wurde die Musik in „musica mundana“, „musica humana“ und „musica instrumentalis“ eingeteilt.

 

Hierarchisch stand die musica mundana an erster Stelle. Gemeint ist damit die „Musik des Weltalls“, die Harmonie der Planeten, des ganzen Kosmos.

 

Entsprechend beschrieb die musica humana, die menschliche Musik, die harmonische Einheit der Seelenteile und die Einheit von Körper und Seele.

 

Unter der musica instrumentalis verstand man die hörbare Musik, die durch die Instrumente erzeugt wird. Gleichgesetzt wurde das Musizieren mit rein körperlicher Arbeit (vgl. Hoffmann-Axthelm 1991, S.219f.).

 

Die musica instrumentalis stand in der Rangfolge weit unter den beiden anderen Disziplinen. „Das Wissen um die Gesetzmäßigkeiten der Musik, das Denken von und über Musik war im Bildungs- und Erziehungssystem dem praktischen Musizieren übergeordnet“ (Jakoby 1981, S. 9). Vielmehr wurde Musik gleichgestellt mit Astronomie, Geometrie und Arithmetik. Zusammen mit den Disziplinen Grammatik, Dialektik und Rhetorik bildeten sie die „septem artes liberales“, die sieben freien Künste, die vor allem im Mittelalter den Gegenstand von Forschung und Lehre darstellten (vgl. ebd., S. 9).

 

Ab dem 12./13. Jahrhundert ist eine Hinwendung zur musikalischen Praxis feststellbar. Immer mehr spielte die Beachtung von sinnlichem Wohlklang und der Einfluss von Musik auf die das Gefühlsleben des Menschen eine Rolle (vgl. ebd., S. 21). Lange Zeit wurde Musik nur komponiert, um einen Zweck zu erfüllen, wie zum Beispiel der Lobpreisung Gottes oder der Legitimation eines weltlichen Herrschers. Die Komponisten selbst blieben dabei meist anonym und erhielten wenig Anerkennung.

 

Die Rolle des Musikschaffenden änderte sich im Laufe der Zeit zunehmend vom beauftragten Anonymen zum anerkannten Experten (vgl. Blaukopf 1982, S. 231ff.).

 

Im 18. Jahrhundert entwickelte sich allmählich eine bürgerliche Musikkultur. Davor war Musik und Musikerziehung ein Auftragsprivileg des Adels (vgl. Dahlhaus 1985, S. 32ff.). Nun gab es auch Zusammenschlüsse von Menschen bürgerlicher Herkunft, die für eine Gruppe von Zuhörern, oft gegen Entgelt, musizierten. Die Tatsache, dass Menschen nun zusammenkamen, nur um Musik zu hören, kann als ein entscheidender Schritt in der Entwicklung zur heutigen Auffassung von Musik betrachtet werden. Musik wird heute nicht mehr nur verstanden als eine Wissenschaft, die auf rein rationaler Ebene zu behandeln ist, sondern in erster Linie als ästhetisches Objekt, dem man sich genussvoll hinwenden und das auf Basis subjektiver Empfindungen bewertet werden kann (vgl. Gebesmair 2001, S. 26).

 

2.1.2 Musiknutzung in der heutigen Zeit


 

Heutzutage ist Musik in ihren verschiedensten Formen allgegenwärtig. Musik begegnet uns als „Lautsprechermusik“ (Rösing 1993) in Wartesälen, beim Einkaufen, am Arbeitsplatz, in Gaststätten und sogar in öffentlichen Toiletten. Wir hören Musik unterwegs, im Auto, über Kopfhörer in der Bahn und natürlich Zuhause (vgl. ebd., S.116). Dazu kommen die Live Darbietung von Musik und Musik als Ergebnis eigenen Musizierens.

 

Es fällt auf, „daß das Hören von Musik im Alltag nur zu einem Teil eigenbestimmt ist. Sehr oft werden wir mit Musik beschallt, die wir uns weder gewünscht, noch ausgesucht haben“ (ebd. S. 117).

 

Trotz dieser „Dauerbeschallung“ zählt das Musikhören zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen. Laut einer Studie der ARD-Werbung Sales & Services GmbH aus dem Jahre 2010 nutzen die Deutschen ab 14 Jahren durchschnittlich 35 Minuten täglich die Musikmedien CD/LP/MC/MP3 und 187 Minuten den Hörfunk. Auffällig ist, dass das Radio nur zu 38 Minuten in der Freizeit und 150 Minuten außerhalb der Freizeit genutzt wird (vgl. ARD-Werbung Sales & Services GmbH 2013, S. 66f.). Dies lässt vermuten, dass auch das eigenbestimmte Musikhören zu einem großen Teil nebenbei geschieht. Vor allem ältere Generationen kritisieren, dass Musik immer mehr an Wert verliere (vgl. North/Hargreaves/Hargreaves 2004, S. 42), da in Zeiten von Streaming-Diensten[4] wie Spotify und Co, jede beliebige Musik immer und überall abrufbar ist.

 

Eine im Jahr 2004 von North, Hargreaves und Hargreaves durchgeführte Studie (North/Hargreaves/Hargreaves 2004) zur Musiknutzung im Alltag lieferte ähnliche Ergebnisse. Ziel der Studie war es, herauszufinden, wann, mit wem und welche Musik am Tag gehört wird. Dazu versendeten sie 14 Tage lang Textnachrichten an die Mobiltelefone der 346 Teilnehmer zwischen 13 und 78 Jahren, die diese dazu aufforderten, einen Fragebogen auszufüllen. Der Fragebogen enthielt Fragen zur Musik, die die Teilnehmer zum Zeitpunkt des Erhalts der Textnachricht hörten, wenn dies der Fall war.

 

38,6% der Teilnehmer hörten zu besagtem Zeitpunkt Musik, woraus auf ein hohes Maß an täglichem Musikkonsum zu schließen ist. 49,9% gaben an, Musik außerhalb von Zuhause gehört zu haben. In nur etwa 26,3% der Fälle wurde Musik alleine gehört, meist wurde Musik zusammen mit Freunden, Partnern oder in der Familie rezipiert. Dies kann als ein weiteres Indiz für die zuvor erwähnte gesellschaftsstiftende Komponente von Musik gesehen werden. Der Verdacht, dass Musik immer häufiger nur als Beiwerk für andere Tätigkeiten genutzt wird, bestätigt sich mit folgenden Zahlen. Nur 26,4% der Teilnehmer gaben an, dass Musikhören zum Zeitpunkt der Befragung ihre Haupttätigkeit war. Das bewusste Musikhören, beispielsweise Zuhause oder im Rahmen eines Konzerts, wurde lediglich von 11,9% angegeben.

 

Eine weitere wichtige Frage, die aufkommt, wenn über den heutigen Umgang mit Musik nachgedacht wird, ist die nach den Gründen für die Musikrezeption. Welche Motivation haben Menschen, Musik zu hören? Oder anders gefragt, welche Funktion hat Musik?

 

Auch hier können Ergebnisse aus der Studie von North, Hargreaves und Hargreaves...

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