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E-Book

Ohne Deutsch im Kreißsaal

Bild-Text-Karten zur Verständigung mit Migrantinnen

AutorEveline Stupka-Gerber
VerlagHippokrates
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl128 Seiten
ISBN9783830455530
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis44,99 EUR
Bild-Text-Karten zur Verständigung mit Migrantinnen Wertvolle Hilfestellung für die Kommunikation im Kreißsaal und in der Frauenarztpraxis 24 Bild-Text-Karten: - Auf der Vorderseite der Karten finden Sie eine Zeichnung oder ein Foto zu einer typischen Situation im Kreißsaal. - Auf der Rückseite können Sie die dazu passende Frage oder Aussage in 10 Fremdsprachen ablesen. Alles (außer Englisch) ist so geschrieben wie es ausgesprochen wird. Begleitbuch: Hier finden Sie Hintergrundinformationen für die Betreuung von Migrantinnen in der Geburtshilfe, relevante Besonderheiten der großen Weltreligionen und Übersichtstabellen über die Sitten und Gebräuche rund um die Geburt in 18 verschiedenen Ländern bzw. Regionen. Alle Kartenmotive und Texte wurden in Zusammenarbeit mit Migrantinnen entwickelt und praktisch erprobt.

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Leseprobe

1 Unterschiede im Kommunikationsverhalten


Interkulturelle Kommunikationsprobleme sind meist darauf zurückzuführen, dass die InteraktionspartnerInnen jeweils von ihren eigenen kulturspezifischen Erwartungsstrukturen ausgehen.

Die folgenden Beschreibungen und Erfahrungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie geben vielmehr die Aussagen der interviewten Frauen aus verschiedenen Sprach- und Kulturkreisen wieder und liefern uns Hilfestellungen für die Betreuung. Es wird natürlich immer auch Migrantinnen aus dem gleichen Land geben, die die gleiche Situation anders erleben. Die Aussagen sind individuell - so wie es nicht DIE Türkin oder DIE Somalierin gibt. Die Zusammenstellung kann jedoch unser Bewusstsein schärfen und Missverständnisse vermeiden helfen. Einige zusätzliche Informationen stammen aus der Literatur (Alban et al., 1999, Lenthe U., 2011).

Allgemein gilt bei der verbalen Kommunikation, dass viele Klientinnen aus anderen Herkunftsländern wegen Sprachbarrieren auf die informelle Plauderei mit Hebammen und Frauenärzten verzichten müssen. Doch gerade diese ungezwungene Form des Gesprächs vermittelt den Migrantinnen Vertrauen, Sicherheit und Beruhigung.

Wenn Sprachschwierigkeiten bestehen, ist es besonders wichtig, auf die nonverbale Kommunikation zu achten.

1.1 Gestik


Vorsicht ist bei Handzeichen geboten!

Das Heranwinken von Personen, in unserer Kultur üblicherweise mit erhobener Hand und der Handfläche zum Körper, wird in Lateinamerika, in Nordafrika und in arabischen Ländern mit nach unten gekehrter Handfläche ausgeführt, also genau umgekehrt. Winkt man in arabischen Ländern gemäß unserem Deutungsmuster jemanden heran, kommt dies einer groben Beleidigung gleich, da man diese Geste nur für Hunde oder Prostituierte benutzt.

Daumen hoch heißt in den deutschsprachigen Ländern z. B. „toll“, „prima“. In Australien oder Nigeria bedeutet dies jedoch eine vulgäre Beschimpfung, mit der man jemanden loswerden will.

1.2 Mimik


Die Mimik ist eine der wichtigsten Arten nonverbaler Signale, da sie eine sehr starke und differenzierte Ausdruckskraft besitzt. Sie zeigt Gefühlszustände der Interagierenden, Reaktionen auf empfangene Botschaften.

In südostasiatischen Kulturen ist man bemüht, sein Gesicht zu wahren. Dazu gehört das Beherrschen der eigenen Mimik und sich emotionale Regungen jeglicher Art nicht anmerken zu lassen. Daher wird auch Schmerz nur selten öffentlich gezeigt. Die Menschen wollen den Schmerz für sich behalten und niemanden verpflichten, daran teilzuhaben.

Gebärende Frauen, die die Sprache der Betreuenden nicht verstehen, achten besonders sensibel auf deren Mimik und Gestik.

Bereits ein leichtes Stirnrunzeln der Hebamme während der Herztonkontrolle des ungeborenen Kindes verunsichert die Frau.

1.3 Blickkontakt


In der westlichen Kultur gehört der Blickkontakt mit dem Kommunikationspartner zum guten Ton: „Schau mich an, wenn ich mit dir rede!“

In asiatischen, orientalischen oder afrikanischen Kulturen verbietet es oft der Respekt, mit dem Gesprächspartner Blickkontakt zu haben, vor allem wenn es sich um eine Autoritätsperson handelt.

So kann eine asiatische Klientin den Blickkontakt aus Respekt vor dem höheren Status der Betreuenden vermeiden. Es gilt mitunter als höflich, beim Zuhören die Augen niederzuschlagen, seitlich am Gesprächspartner vorbeizuschauen oder im Raum umherzublicken.

In orientalischen Kulturen ist vor allem der direkte Blickkontakt zwischen Frauen und Männern verpönt (kann als sexuelle Aufforderung ausgelegt werden).

1.4 Berührungen


Für das Berührungsverhalten gelten kulturspezifische oder religiös bedingte Regeln. Körperliche Berührungen sind stets mit einem Eindringen in den intimen Bereich eines Menschen verbunden. Die individuellen Grenzen sind dabei von Kultur zu Kultur höchst unterschiedlich.

In islamischen Kulturen findet in der Öffentlichkeit kein Körperkontakt zwischen den Geschlechtern statt, während der gleichgeschlechtliche Berührungskontakt üblich ist.

Bereits der in unserer Kultur als höflich geltende Händedruck kann in diesen Kulturen als Verletzung der Distanz und als Eindringen in die Privatsphäre aufgefasst werden.

Während der Geburt gehören Berührungen dazu – für uns Hebammen und Ärzte sind diese Berührungen Arbeitsalltag, für die Frauen aus anderen Sprach- und Kulturkreisen sind sie oft mit Scham verbunden. Ein einfaches „Darf ich?“, wie wir das bei Frauen mit deutscher Sprache als Erlaubnis zu Berührungen (Bauch, Brust, vaginale Untersuchung etc.) einholen, gilt für die Frauen aus anderen Sprach- und Kulturkreisen als hohe Wertschätzung.

1.5 Foreigner Talk


Beispiele: „Du haben Schmerzen?“ oder „Müssen Medikamente schlucken“.

Es ist eine falsche Annahme, dass diese Minimalsprache besser verstanden wird als ein einfacher, korrekter Satz. Die Frauen empfinden es in der Regel als abwertend, wenn so mit ihnen gesprochen wird.

Langsam, in kurzen und einfachen Sätzen sprechen, überflüssige Wörter und Redewendungen vermeiden sowie durch geduldiges und höfliches Nachfragen das Verständnis überprüfen, gewährleisten eine verständliche Sprache.

Foreigner Talk wird von der Gesprächspartnerin oft als beleidigende Abwertung ihrer Fähigkeiten empfunden.

1.6 Grammatikalische Unterschiede und Nebenbedeutungen


Beispiel: „Haben Sie heute keine Medikamente eingenommen?“ - Eine Klientin mit deutscher Muttersprache antwortet mit ‚Nein‘, wenn sie die Medikamente nicht genommen hat, mit ‚doch‘, wenn sie sie genommen hat.

Klientinnen aus asiatischen Ländern antworten in vielen Fällen mit ‚Ja‘, wenn sie die Medikamente nicht genommen haben. Die Bescheidenheit und Zurückhaltung der Frauen aus dieser Kultur bedingt oft eine Ablehnung eines von uns gemachten Angebotes (z. B. ein Schmerzmittel) – sie nehmen es jedoch bei der zweiten Nachfrage sehr gerne an.

Bei Frauen aus muslimischen Ländern kann ein ‚Ja‘, begleitet von einem ‚Insch’allah (so Gott will), auch ein ‚Nein‘ bedeuten.

Menschen aus kollektivistischen Kulturen sprechen oft von ‚wir‘, wenn sie ‚ich‘ meinen, da sie sich selbst als Teil ihrer Gruppe begreifen und das Wort ‚ich‘ nur selten benutzen.

Wörter wie Familie oder Bruder bedeuten in kollektivistischen Kulturen etwas anderes als in unserem kulturellen Sprachraum: Mit Familie ist in kollektivistischen Kulturen immer die Großfamilie gemeint. Mit Bruder können auch Cousins, entfernte Verwandte oder gute Freunde bezeichnet werden.

Info

Kollektivistische Kulturen

bedeutet das Gegenteil von Individualismus, das Kollektiv kann eine Klasse, ein Volk, ein Betrieb oder jede andere Art von Gemeinschaft sein. Dies ist vor allem in südlichen Ländern und in Gesellschaften der Fall, in denen der Mensch von Geburt an in eine starke, geschlossene „Wir-Gruppe“ integriert ist, die ihn ein Leben lang schützt und dafür eine bedingungslose Loyalität verlangen kann. Die Personen bleiben ein Leben lang Teil ihrer Familie, sie leben mehr für die Gruppe als für sich selbst (Hofstede, 2009).

1.7 Fachausdrücke


Medizinische...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Eveline Stupka-Gerber: Ohne Deutsch im Kreißsaal1
Innentitel4
Impressum5
Zu diesem Buch6
Inhaltsverzeichnis10
1 Unterschiede im Kommunikationsverhalten12
1.1 Gestik12
1.2 Mimik12
1.3 Blickkontakt13
1.4 Berührungen13
1.5 Foreigner Talk13
1.6 Grammatikalische Unterschiede und Nebenbedeutungen14
1.7 Fachausdrücke14
1.8 Zeiterleben15
2 Religionsbedingte Besonderheiten16
2.1 Islam16
2.2 Buddhismus18
2.3 Hinduismus19
2.4 Judentum19
3 Traditionen, Sitten und Bräuche in einzelnen Ländern (A–Z)20
3.1 Ägypten21
3.2 Äthiopien23
3.3 Afghanistan25
3.4 Albanien27
3.5 China29
3.6 Eritrea31
3.7 Kurdistan (Autonome Region Kurdistan im Irak)33
3.8 Nigeria35
3.9 Polen37
3.10 Russland39
3.11 Senegal41
3.12 Serbien, Bosnien, Kroatien, Mazedonien, Montenegro43
3.13 Somalia45
3.14 Sri Lanka47
3.15 Südamerika49
3.16 Thailand51
3.17 Türkei53
3.18 USA (Vereinigte Staaten von Amerika)55
4 Kartentexte für weitere Fremdsprachen57
4.1 Begrüßung durch die Hebamme58
4.2 Begrüßung durch Ärztin/Arzt59
4.3 Einverständnis einholen60
4.4 Wehen61
4.5 Blutungen62
4.6 Fruchtwasser – Fruchtblase63
4.7 Kindliche Herztöne64
4.8 Blutdruck65
4.9 Blutentnahme66
4.10 Schmerzlinderung67
4.11 Vaginale Untersuchung68
4.12 Gebärhaltung69
4.13 Austreibungsphase/Geburt70
4.14 Ermutigung, Lob71
4.15 Sectio (Notfall)72
4.16 WC, Blasenkatheter73
4.17 Gratulation nach der Geburt74
4.18 Neugeborenes – erstes Bonding75
4.19 Erstes Stillen76
4.20 Vitamin K-Tropfen77
4.21 Duschen78
4.22 Blutungskontrolle post partum79
4.23 Verlegung auf die Wochenstation80
4.24 Verabschiedung81
4.25 Literatur82
4.26 Abbildungsnachweise82
Die Autorin83
Bild-Text-Karten84
1 Begrüßung durch Hebamme84
2 Begrüßung durch Arzt/Ärztin86
3 Einverständnis einholen88
4 Wehen90
5 Blutungen92
6 Fruchtwasser/Fruchtblase94
7 Herztöne96
8 Blutdruck98
9 Blutentnahme100
10 Schmerzlinderung102
11 Vaginale Untersuchung104
12 Gebärhaltung106
13 AP/Geburt108
14 Ermutigungen/Lob110
15 Sectio/Notfall112
16 WC/Katheter114
17 Gratulation Mädchen/Junge116
18 Neugeborenes118
19 Erstes Stillen120
20 Vitamin-K-Tropfen122
21 Dusche124
22 Blutungskontrolle P. P.126
23 Verlegung auf die Wochenstation128
24 Verabschiedung130

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