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Persönlichkeit: Wer bin »Ich«? (GEO Wissen eBook Nr. 2)

VerlagGEO WISSEN
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl96 Seiten
ISBN9783652003704
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis3,99 EUR
Wie steht es um das »Ich« in stürmischer Zeit? Kann der Mensch sich immer wieder neu erfinden, sich den Fährnissen des Lebens flexibel anpassen? Oder ist die Persönlichkeit ein straffes Korsett, geformt durch biologische Anlagen und Kindheitserfahrungen? In diesem eBook haben wir die besten Reports, Essays, Reportagen und Interviews aus GEO WISSEN zum Thema Persönlichkeit zusammengestellt. Die Autoren dieses reinen Lesebuchs stellen dabei die Frage nach der Formbarkeit des Menschen in den Mittelpunkt. Wie weit sind wir vorgeprägt - und welche Freiheitsgrade der Entwicklung bleiben uns? Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die mittlere Lebenszeit zwischen 40 und 60 gelegt, die als Phase der Neuorientierung gesehen wird. Inhalt Herkunft: Das Erbe der Eltern Entwicklung: Wer bin »Ich« und wer könnte ich sein? Traumaforschung: Wenn das Leben ins Wanken gerät Familienbande: Was von Vater und Mutter bleibt Die Entdeckung der mittleren Lebensjahre Lebensmitte: Das Ende der Kompromisse Gibt es sie wirklich, die Midlife-Krise?

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Leseprobe

Herkunft

Das Erbe der Eltern


Wie ein roter Faden zieht sich die Familiengeschichte durch das Leben eines Menschen – und kaum etwas ruft so starke Gefühle hervor wie die Beziehung zu Vater und Mutter. Doch sind wir tatsächlich Gefangene unserer Kindheit, verstrickt in unauflösliche Konflikte?

Von Ute Eberle

Auf den ersten Blick wirkt Beate Moll* wie die personifizierte Lebenslust: gefärbte Haare, überdimensionierte Ohrgehänge, türkisfarbene Stiefel; ihre Worte sprudeln wie Champagner aus einer geschüttelten Flasche.

Doch die Augen blicken müde. Schon lange fühle sie sich ausgebrannt. Selbst zu ihren Lieblingssportarten fände sie keine Energie mehr. Immer tiefer sei ihre Niedergeschlagenheit geworden – und so habe sie schließlich Hilfe in der Röher Parkklinik für Psychosomatik und Psychotherapie in Eschweiler gesucht.

Die Diagnose der Ärzte: Depression, verbunden mit Selbstmordgedanken.

Beate Moll ahnte, wie sie sagt, schon seit Langem, was die tiefere Ursache ihrer Erkrankung ist: ihre Mutter. Dabei lebt Beate Moll längst nicht mehr im Haus der Eltern; sie ist 54 Jahre alt, glücklich verheiratet in zweiter Ehe, hat erwachsene Kindern und arbeitet seit vielen Jahren zufrieden als Lehrerin.

Aber sie sagt Sätze wie: „Ich muss endlich einen Weg finden, mit dem fehlenden Interesse meiner Mutter an mir umzugehen, und mit ihrem narzisstischen Verhalten.“

Ihre Mutter sei stets sehr ich-bezogen gewesen, da ihr Mann sie „auf ein Podest“ gestellt habe – und das fordere sie auch von der Tochter. Unterstützung habe sie von ihrer Mutter selbst in schwierigen Zeiten nicht erfahren, während die ihrem Enkel beispielsweise geradezu aufgedrängt habe, seine Wäsche zu machen.

Es ist ein trostlos grauer Dienstagmorgen, als Beate Moll mit sieben Männern und fünf Frauen in einem Dachzimmer der Klinik sitzt. Heute sollen sie gemeinsam eine „Familienskulptur“ bauen – eine Therapie, bei der Menschen ihre Verwandtschaft mithilfe anderer Personen nachstellen, um so das komplizierte Beziehungsgeflecht abzubilden.

Beate Moll dirigiert die Mitpatienten, nimmt sie als Platzhalter für Eltern, Schwiegereltern, Kinder und andere Verwandte, weist ihnen einen Platz im Raum zu, erklärt ihnen, wie alt die Person ist, die sie darstellen, und in welcher Lebenssituation sie sich befindet. Ein Therapeut spricht dann reihum mit den Patienten, fragt, welchen Eindruck sie von der Person haben, die von ihnen verkörpert wird. Beate Moll darf erst einmal nur zuhören.

Ein Mann fängt unvermittelt an zu weinen, weil ihn, wie er sagt, das alles an den eigenen Vater und die komplizierte Beziehung zu ihm denken lässt.

Und eine Mitpatientin gesteht später, dass auch ihr fast die Tränen gekommen seien, als sie Beate Molls Verhältnis zur Mutter mit ihrem eigenen Mutter-Tochter-Verhältnis verglich.

Vordergründig leiden die Patienten unter Problemen, die scheinbar wenig mit Familie zu tun haben: Depressionen, Angstattacken, Suchtverhalten, Essstörungen, Burn-out-Syndrom. Eine Familienskulptur ermöglicht es, dass Patienten sich durch diese Art von Rollenspiel womöglich erstmals bewusst darüber werden, welche familiären Verhaltensmuster ihre Persönlichkeit geprägt haben – und wie diese Muster mit ihren Krankheitssymptomen zusammenhängen.

„Auch wenn Menschen aus ganz anderen Gründen zu uns kommen – die Familie wird irgendwann immer zum Thema“, so die Oberärztin Susanne Altmeyer von der Röher Parkklinik.

Das ist nicht erstaunlich. Denn die Familie steht im Kern unseres Daseins. Wir mögen in einer Gesellschaft leben, in der Eltern ins Pflegeheim abgeschoben werden, Ehen nicht ewig halten und die Geburtenzahl viele Jahre lang gesunken ist. Dennoch sehen sich die meisten Menschen nach wie vor als Teil eines oft komplizierten Systems familiärer Abhängigkeiten und Beziehungen. Bei einer Allensbach-Umfrage von 2006 nannten drei von vier Deutschen die Familie ihren wichtigsten Lebensbereich.

„Nichts und niemand ruft so starke Gefühle hervor. Und nichts ist manchmal so vernichtend“, schreibt der Therapeut Eia Asen, der als Direktor des Londoner „Marlborough Family Service“ Therapien für Problemfamilien anbietet.

Der Mikrokosmos Familie ist der Ort, an dem ein neuer Mensch erstmals Liebe erfährt – und manchmal Verletzungen, die ihn lebenslang begleiten. Wo er erstmals einem Wertesystem begegnet und ihm Verhalten vorgelebt wird: etwa, wie man Intimität und Distanz ausbalanciert oder in Konflikten kommuniziert.

Und in der Familie entscheidet sich für einen jungen Menschen, wie er ins Leben startet. Ob er etwa als Städter aufwächst oder auf dem Dorf. Ob er lernt, mit Fischbesteck umzugehen, oder es für normal hält, die Tiefkühlpizza vor dem Fernsehgerät zu essen. Ob seine Eltern ihn dazu anhalten, Hausaufgaben zu machen, oder ihm vermitteln, ein Hauptschulabschluss sei ausreichend für ihn.

Man kann seinen Job wechseln, neue Freunde finden, sogar sein Geschlecht ändern – der Familie wird man dennoch nicht entrinnen.

„Manche Menschen glauben, sie könnten mit ihrer Familie brechen, etwa indem sie in ein anderes Land ziehen“, schreibt Asen. „Aber das klappt nicht. Selbst wenn ein Meer zwischen uns und den Nicht-so-Lieben liegt, tragen wir die Familie stets mit uns.“ Wie ein roter Faden zieht sie sich durch unser Leben, ob wir es wollen oder nicht.

Doch ist damit alles Schicksal? Bestimmt allein die Familie, wie das Leben verläuft?

ZUMINDEST SCHEINT ES gewisse Muster zu geben, die sich in Familien tradieren.

Sei es, dass sich eine Frau in schwierigen Lebenslagen stets mit „Migräne“ ins Bett zurückzieht – just wie einst ihre Mutter und deren Mutter. Sei es, dass sowohl den Kindern als auch den Enkeln bei Problemen mit einem Lehrer unterstellt wird, sie könnten sich nicht anpassen. Sei es, dass ein verurteilter Gewalttäter Onkel und Brüder hat, die ebenfalls im Gefängnis sitzen.

Manche solcher generationsübergreifenden Verhaltensweisen haben Forscher genauer untersucht. Dabei hat sich zum Beispiel herausgestellt, dass Menschen, die sich scheiden lassen, überproportional häufig Väter und Mütter haben, die ebenfalls auseinandergingen. Solche Erkenntnisse mögen trivial erscheinen, doch hätte man auch annehmen können, dass Scheidungskinder aufgrund ihrer Erfahrung viel stärker an Beziehungen festhalten.

Dem Einzelnen fallen Parallelen zwischen dem Leben der Eltern und dem eigenen oftmals nicht auf. Studien zeigen, dass Menschen dazu neigen, sich einen Partner zu suchen, mit dem sich die aus der Familie vertrauten Muster zunächst fortsetzen lassen. Selbst wenn das im Extremfall dazu führt, dass ein Mann seine Frau misshandelt, wie schon sein Vater und sein Großvater. Oder dass sich eine Frau von untreuen Partnern das Herz brechen lässt, ganz ähnlich wie ihre Mutter und Großmutter, die ebenfalls von ihren Ehemännern verlassen wurden.

ALS SIE MIT 20 JAHREN ihren Jugendfreund heiratet, entgegnet Beate Moll Skeptikern: „Das ist bei uns eben so.“ Auch ihre Mutter habe sich jung mit einem Mann vermählt, den sie bereits als Kind kannte.

„Familien arbeiten Generationen lang an ihren Drehbüchern“, schreibt Eia Asen. „Manche davon sind so erfolgreich, dass sie immer wieder nachgespielt werden.“ Jeder Familientherapeut kennt solche Fallgeschichten.

Welcher Mechanismus hinter solchen Verhaltensweisen steckt, ist bis heute Gegenstand erbitterter wissenschaftlicher Debatten.

Vor allem die Erziehung forme eine Person und deren Verhalten, hieß es lange Zeit. Demnach sei jemand vor allem deshalb gesellig und fröhlich, weil seine Eltern ihn gesellig und fröhlich aufgezogen haben. Er sei homosexuell, weil der Vater unnahbar gewesen ist; autistisch, weil er eine kalte Mutter hat.

Neuere Studien aber zeigen: Viel von dem, was ein Mensch denkt, tut und sogar fühlt, ist auch genetisch beeinflusst. Etwa die Hälfte der Persönlichkeits- und Intelligenzunterschiede, so nimmt heute die Mehrzahl der Forscher an, werden von der Vererbung bestimmt.

Natur und Umwelt ergänzen und vermengen sich. Welche der vererbten Anlagen sich schließlich ausprägen, hängt eng mit den Lebensbedingungen zusammen.

Beispielhaft erweist sich das an der Bindungsfähigkeit: Biologisch spielt dafür das oft als „Kuschelhormon“ bezeichnete Oxytocin eine wichtige Rolle.

Forscher der University of Wisconsin stellten fest, dass bei Kindern, die bei ihren leiblichen Eltern aufwuchsen, der Oxytocin-Level anstieg, wann immer sie auf dem Schoß ihrer Mutter saßen – dadurch verstärkt sich die Bindung, das gegenseitige Vertrauen.

Bei Waisenkindern aber, die auf dem Schoß ihrer...

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