Wie man meiner Meinung nach aus dem bisher Gesagten deutlich erkennen kann, scheint sich eine Grundproblematik der im Zusammenhang mit der personalen Identität hier diskutierten Probleme daraus zu ergeben, ob man personale Identität 'von außen' oder 'von innen' definiert. (Mit 'von innen' meine ich dabei die Binnenperspektive der Person – die erste Person-Perspektive: Was heißt es, dass ich auch morgen noch die gleiche Person sein werde wie heute? Womit kann ich diesen Schluss rechtfertigen oder erklären? Wo werde ich – mein Ich-Bewusstsein – sein, nachdem mein Gehirn dupliziert und jedes der Duplikate in einen anderen Körper verpflanzt wurde?) Die meisten Versuche zur metaphysischen Erklärung des Begriffes der personalen Identität werden 'von außen' vorgenommen (aus der dritten Person-Perspektive) und müssen dabei logischen Kriterien wie dem Eineindeutigkeitsprinzip genügen, da man einen strengen Identitätsbegriff (der Transitivität und Eineindeutigkeit beinhaltet) zu Grunde legt. Solche Versuche kommen – mit dem Common Sense betrachtet – zu absurden Schlussfolgerungen, wie z.B. das Verdopplungsproblem bei Nozick zeigt. Seiner Meinung nach ist im Falle zweier gleichermaßen berechtigter Nachfolger einer Person keiner dieser beiden mit der früheren Person identisch, während im Falle nur eines solchen Nachfolgers dieser die ursprüngliche Person fortsetzen würde. Es hängt in solchen Fällen also von etwas Extrinsischem, etwas außerhalb meiner Person liegendem ab, ob ich zukünftig noch die gleiche Person sein werde, wie jetzt – nämlich der Tatsache, ob ich hinsichtlich des Anspruchs auf das Fortbestehen meiner Identität noch einen Konkurrenten habe. Zu ähnlich abwegigen Schlussfolgerungen kommt auch Williams: nach der Lektüre seines hier diskutierten Beitrages kann ich mir nicht mehr sicher sein, ob ich nach einem sog. 'Körpertausch' nicht doch Angst haben müsste, dass ich es bin, die Schmerzen hat, wenn mein früherer Körper gefoltert wird. Sofern ich vor dem Körpertausch entscheiden müsste, ob mein jetziger oder der andere Körper gefoltert werden sollte, wäre ich absolut ratlos, welche Entscheidung sinnvollerweise zu treffen ist, um Schmerzen für mich zu vermeiden. Es muss bei einem Körpertausch offensichtlich mehr in den anderen Körper wandern, als nur meine Erinnerungen und ähnliches 'Datenmaterial'. Was dieses 'mehr' ist, möchte ich nun zu erklären versuchen.
Dazu schlage ich vor, die (B)Innenperspektive der Person als elementaren Bestandteil in die Erklärung dessen, was personale Identität ist, mit einzubeziehen und zu untersuchen, was es für mich heißt, ein und dieselbe Person durch die Zeit zu sein. Was heißt es, dass ich in Zukunft irgendwie mit mir zum jetzigen Zeitpunkt verknüpft sein werde? Wie kann ich es mir vorstellen, dass das Bewusstsein, das ich z.Zt. fühle, morgen auch noch da sein wird? Wo wäre ich, wenn man mein Gehirn (das ich als materiellen Träger des Bewusstseins annehme) irgendwie verdoppeln und in zwei Körper einsetzen würde? Müsste ich vor einer Folter Angst haben, die man meinen jetzigen Körper androht, nachdem die 'Informationen' aus meinem jetzigen Gehirn in das Gehirn eines anderen Körpers eingespeist worden wären? Ist mein Bewusstsein von mir selbst mit diesen Informationen, meinem Gehirn oder sogar mit meinem ganzen Körper verknüpft, so dass ein Körpertausch von vornherein ein Ding der Unmöglichkeit ist? Der Versuch, die personale Identität auf diese Weise aus der Innenperspektive zu definieren kommt, wie man sieht, nicht ohne den Begriff des Ich-Bewusstseins oder auch 'Cartesianischen Egos' aus. Williams beispielsweise rekurriert in seinem Gedankenexperiment darauf, auch wenn er nicht explizit den Begriff 'Cartesianisches Ego' verwendet; und sogar Perry, obwohl dieser sein Experiment nicht einmal aus der Innenperspektive beschreibt, scheint das 'Cartesianische Ego' des Lesers zu adressieren (vgl. 3.7). Um eine Idee dessen zu geben, was man sich darunter vorstellen kann, möchte ich nun einen kurzen Exkurs in die Philosophie des Geistes machen (es wird sich zeigen, dass dieses Thema später noch einmal erneut von Bedeutung sein wird; ich denke, man kann das Thema personale Identität nicht behandeln, ohne dabei auf klassische Fragen der Philosophie des Geistes zu stoßen).
René Descartes hat 1647 in seinen "Meditationes de Prima Philosophia" (Meditationen über die Erste Philosophie) die Formel 'Cogito ergo sum' – ich denke, also bin ich – geprägt. Eine Behauptung, die die Philosophie bis heute entscheidend beeinflusst hat. Was Descartes damit meint ist folgendes: Ich kann alles anzweifeln – die Existenz anderer Menschen, die Existenz einer Außenwelt als solches, ja sogar die Existenz meines eigenen Körpers. Das einzige, was ich nicht anzweifeln kann, ist die Tatsache, dass ich es bin, der da an allem zweifelt. Ich bin mir (meines Zweifelns) bewusst und muss daher existieren! Was genau dieses 'Ich' jedoch ist, ist damit noch nicht gesagt, da alle weiteren Eindrücke, die ich über meine Sinnesorgane von meinem Körper und meiner Umwelt habe, mir von einem bösen Dämon eingegeben sein könnten. Man bezeichnet diese Auffassung auch als 'Außenwelt-Skeptizismus' und das Cogito-Argument als 'skeptisches Argument'. Das Cogito-Argument besitzt eine unheimlich große intuitive Überzeugungskraft.[42]
Descartes hat mit diesem Argument eine philosophische Entwicklung in Gang gesetzt, die auch als 'Substanzdualismus' bezeichnet wird. Damit ist gemeint, dass der Mensch offenbar aus zwei unterschiedlichen Substanzen besteht: Einerseits aus der res extensa, d.h. aus seinem Körper, (der sich anzweifeln lässt), andererseits aus der res cogitans, seinem Geist, der durch das Bewusstsein unmittelbar gegeben erscheint.
Die Probleme, die sich aus diesem Dualismus ergeben sind vielfältig. Wenn der Körper etwas Materielles ist, der Geist jedoch etwas Immaterielles, der Körper etwas räumlich Ausgedehntes, der Geist jedoch nicht – wie und wo können diese beiden dann überhaupt zusammenkommen? Gilbert Ryle spricht hier auch vom "Dogma vom Gespenst in der Maschine" (Ryle, 1997, 13) und propagiert eine Haltung, die weniger nach solch metaphysischen Grundlagen des Menschen suchen sollte, als vielmehr empirische Befunde und Beobachtungen des tatsächlichen Verhaltens von Menschen stärker in die Philosophie mit einbeziehen sollte (vgl. u.a. Ryle, 1997, 107 ff.). Ich bin allerdings der Ansicht, dass man vorsichtig sein muss, dabei nicht dem Behaviorismus zu verfallen, d.h. dass man Äußerungen über Mentales lediglich als Modi des Verhaltens versteht, und nicht etwa als Ausdrücke innerer, psychischer Vorgänge. Denn dass es z.B. so etwas wie eine Privatheit meines Gefühlslebens gibt, lässt sich meiner Meinung nach nicht bestreiten, auch wenn ich natürlich einige meiner Gefühle und Gedanken bewusst oder unbewusst der Außenwelt über mein (körperliches) Verhalten und meine verbalen Äußerungen zugänglich mache. Prinzipiell habe ich einen privilegierteren Zugang zu meinen psychischen Vorgängen und Zuständen, als zu denen anderer. Wäre dies anders, wäre das Lügen z.B. nicht möglich. Laut Ryle rühren einige unserer Verwirrungen um den menschlichen Geist jedoch auch aus einer Sprachverwirrung: "Wenn Leute die Wendung 'im Geiste' gebrauchen, so drücken sie gewöhnlich auf eine besonders vornehme Art genau dasselbe aus, was wir allgemein mit der weniger irreführenden Metapher 'im Kopf' ausdrücken. Der Ausdruck 'im Geiste' kann und sollte immer vermieden werden. Seine Verwendung gewöhnt seine Benutzer an die Ansicht, der Geist sei ein merkwürdiger 'Ort', dessen Einwohner Gebilde ganz besonderen Ranges sind." (Ryle, 1997, 47)
Wie die Ausführungen im vorigen Teil meiner Arbeit gezeigt haben, wird der Geist dennoch landläufig als das begriffen, was meine Erinnerungen und meinen Charakter, zusätzlich aber eben noch mein Ich-Bewusstsein enthält. Letzteres ist jedoch das einzige, was ich nicht anzweifeln kann, denn auch die Erinnerungen an meine Vergangenheit können mir lediglich von einem bösen Dämon eingegeben sein oder mein Gehirn könnte lediglich an eine Computermatrix angeschlossen sein, die mir alles vorgaukelt, was ich für die wirkliche Welt halte (sog. 'Gehirn-im-Tank'-Metapher). Radikalisiert man diesen Zweifel noch weiter, gelangt man zum Solipsismus. So bezeichnet man die Position, die davon ausgeht, dass nur das eigene, augenblickliche Ich real ist, und dass die Welt nur in dessen Vorstellung existiert. In anderen Worten: ein psychologischer Zustand setzt die Existenz von nichts anderem als sich selbst voraus – weder eines anderen Individuum, noch einer Welt als solches. Diese metaphysische Position ist im Grunde nicht zu widerlegen. Wir sind somit in eine erkenntnistheoretische Sackgasse geraten. Meiner Ansicht nach reicht dieser Befund allein aus, um den Solipsismus als unsinnig zu verwerfen, obwohl er sich argumentativ nicht widerlegen lässt.[43] Die philosophische Position, die sowohl dem Außenwelt-Skeptizismus als auch dem Solipsismus entgegengesetzt ist nennt man Realismus. Die Grundthese des Realismus lautet ungefähr folgendermaßen: Es gibt eine Wirklichkeit unabhängig von unserem Denkapparat und...