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PISA und die Reaktionen der Bildungspolitik

AutorMelina Pütz
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl89 Seiten
ISBN9783640233120
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Pädagogik - Schulwesen, Bildungs- u. Schulpolitik, Note: 1,7, Universität Koblenz-Landau, 61 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Nach Veröffentlichung der ersten PISA-Studie im Dezember 2001 stand Deutschland unter Schock. Das Schulwesen des 'Lands der Dichter und Denker' brachte Schüler hervor, die im Vergleich mit anderen OECD-Staaten in den Bereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften nicht mal durchschnittliche Kompetenzen aufweisen konnten. Entsprechend groß war der 'PISA-Schock' und Deutschland befand sich erneut in einer 'Bildungskatastrophe'. Das schlechte Abschneiden Deutschlands wurde ganz selbstverständlich mit einem Versagen der Bildungspolitik verknüpft - und zwar nicht nur von der Presse, sondern auch von den Politikern selbst. Zumindest kann die Tatsache, dass die Kultusministerkonferenz nur 2 Tage nach Veröffentlichung der PISA-Ergebnisse einen Maßnahmenkatalog vorlegte, gewissermaßen als Schuldeingeständnis für Versäumnisse aus der Vergangenheit und gleichzeitig zur Demonstration von Handlungsbereitschaft und -vermögen, verstanden werden. Wenn man die Bildungspolitik für Erfolge oder Scheitern des Schulwesens verantwortlich macht, wie das im Zuge von PISA häufig geschehen ist, sollte eine Analyse der Politik vorangegangen sein, was aber zum Zeitpunkt der öffentlichen Debatte noch keiner getan hatte. Zentrale Fragen wären somit: Wie erkennt, reagiert und verarbeitet Politik Probleme? Wo und wieso könnten Schwierigkeiten innerhalb der Verarbeitung auftreten? Oder konkret auf die Bildungspolitik bezogen: PISA deckte zentrale Probleme des deutschen Schulwesens auf, dass als 'Steuerungswissen' dienen sollte. Diese Ergebnisse können nach David Easton (1965) als 'input' in das politische System verstanden werden. Wie ging die Politik nun mit diesen 'Inputs' um? Was wurde auch von ihr als Problem definiert und somit auf die Agenda gesetzt und mit welchen Maßnahmen sollten welche Ziele erreicht werden? Von welchen anderen Akteuren wurden sie dabei beeinflusst? Das alles sind zentrale Fragen, die einer politikwissenschaftlichen Klärung bedürfen. Diese Arbeit stellt einen Versuch dar, genau das zu tun.

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Leseprobe

1. Relevanz des Themas und Vorgehensweise


 

Nach Veröffentlichung der ersten PISA-Studie im Dezember 2001 stand Deutschland unter Schock. Das Schulwesen des „Lands der Dichter und Denker“ brachte Schüler hervor, die im Vergleich mit anderen OECD-Staaten in den Bereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften nicht mal durchschnittliche Kompetenzen aufweisen konnten. Entsprechend groß war der „PISA-Schock“ und Deutschland befand sich erneut in einer „Bildungskatastrophe“. Diesen Begriff hatte 1964 erstmals Georg Picht verwendet, um das deutsche Bildungswesen zu beschreiben und Günther Schnuer griff ihn 20 Jahre später abermals auf, um darauf hinzuweisen:

 

„[…] daß auch heute noch, nach zwanzigjähriger Bildungsplanung, die Kultusbürokratie sowohl des Bundes innerhalb seiner Kompetenz als auch die der meisten Länderbehörden selbst mittlerfristig absehbaren Veränderungen gegenüber nahezu reaktionsunfähig geblieben ist.“ (Schnuer 1986: S. 9)

 

Dieses Zitat hätte als Vorwurf an die deutsche Bildungspolitik[1] ebenso gut in einer Zeitung von 2001 stehen können. Denn das schlechte Abschneiden Deutschlands wurde ganz selbstverständlich mit einem Versagen der Bildungspolitik verknüpft – und zwar nicht nur von der Presse, sondern auch von den Politikern selbst. Zumindest kann die Tatsache, dass die Kultusministerkonferenz nur 2 Tage nach Veröffentlichung der PISA-Ergebnisse einen Maßnahmenkatalog vorlegte, gewissermaßen als Schuldeingeständnis für Versäumnisse aus der Vergangenheit und gleichzeitig zur Demonstration von Handlungsbereitschaft und –vermögen, verstanden werden. Vor dem Hintergrund, dass PISA in der Öffentlichkeit gleichfalls als „Zeugnis für die Politik“ (Overesch 2007: S. 13) angesehen wurde, erscheint es umso erstaunlicher, dass sich die Politikwissenschaft in Bezug auf das Politikfeld Bildung in ziemlicher Zurückhaltung übte.

 

So ließen sich bei der Recherche für diese Arbeit zwar reihenweise Beiträge aus der Soziologie finden, die sich recht umfassend vor allem mit dem Problem der Chancen(un-)gleichheit befasst hatte (vgl. zum Beispiel Becker/Lauterbach 2004; Opielka 2005; Anger/Plünnecke/Seyda 2006; Georg 2006), nach politikwissenschaftlichen, auf den Sektor Schule bezogenen Arbeiten sucht man jedoch (fast) vergeblich. Zu der Erkenntnis, dass die Politikwissenschaft „ein Thema verloren“ (Hepp/Weinacht 1996: S. 404) habe, kamen auch Gerd Hepp und Paul L. Weinacht in einer Zusammenfassung des Forschungsstands. Das war allerdings schon 1996. Im Anschluss an PISA lässt sich festhalten, dass sich die wissenschaftliche Erforschung des Bildungswesens zwar generell verbessert hat, diese aber überwiegend aus deskriptiven Beiträgen bestehen.

 

Eine Beschreibung der Bildungspolitik der letzten Jahre geben Fuchs und Reuter (2000)[2] sowie gezielt für den Zeitraum der Wiedervereinigung (1995) und Anweiler e. a. (1992). Einen umfassenden und systematischen Überblick über das Bildungswesen in Deutschland gibt das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Empirische Daten liefern der „Bildungsbericht für Deutschland“ (KMK 2003) sowie die von der Kultusministerkonferenz in Auftrag gegebenen Berichte „Bildung in Deutschland“ (Konsortium Bildungsberichterstattung 2006) und „Bildung in Deutschland“ (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008). Die rein deskriptive Ebene verlassen Anne Overesch (2007) in einer vergleichenden Politikfeldanalyse zwischen Deutschland und Finnland für den Zeitraum von 1990 bis 2001 sowie Tillmann e. a. (2008), die im Rahmen des Forschungsprojekts „Ministerielle Steuerung und Leistungsvergleichsstudien“ (MiSteL) für vier Bundesländer empirisch untersuchten, welchen Einfluss die Ergebnisse von PISA 2000 auf die Bildungspolitik hatten.[3]

 

Wenn man die Bildungspolitik für Erfolge oder Scheitern des Schulwesens verantwortlich macht, wie das im Zuge von PISA häufig geschehen ist, sollte eine Analyse der Politik vorangegangen sein, was aber zum Zeitpunkt der öffentlichen Debatte noch keiner getan hatte. Zentrale Fragen wären somit: Wie erkennt, reagiert und verarbeitet Politik Probleme? Wo und wieso könnten Schwierigkeiten innerhalb der Verarbeitung auftreten? Oder konkret auf die Bildungspolitik bezogen:

 

PISA deckte zentrale Probleme des deutschen Schulwesens auf, dass als „Steuerungswissen“[4] dienen sollte. Diese Ergebnisse können nach David Easton (1965) als „input“[5] in das politische System verstanden werden. Wie ging die Politik nun mit diesen „Inputs“ um? Was wurde auch von ihr als Problem definiert und somit auf die Agenda gesetzt und mit welchen Maßnahmen sollten welche Ziele erreicht werden? Von welchen anderen Akteuren wurden sie dabei beeinflusst? Das alles sind zentrale Fragen, die einer politikwissenschaftlichen Klärung bedürfen. Diese Arbeit stellt einen Versuch dar, genau das zu tun.

 

Dabei wird zunächst die Entwicklung des Bildungswesens und der Bildungspolitik von 1945 bis 2001 betrachtet (Kap. 2), was als Grundlage für ein Verständnis desselbigen sowie der Entstehung und Entwicklung der Einstellungen und Ideologien zentraler Akteure dienen soll. Welche Akteure innerhalb der Bildungspolitik eine Rolle spielen, stellt Kap. 3 dar, bevor die Ergebnisse der PISA-Studie (Kap. 4) und der auf ihren Ergebnissen basierende Entscheidungsfindungsprozess (Kap. 5) näher betrachtet werden. Grundlage dieser Betrachtung bildet dabei die KMK, da diese als Kooperationsgremium der Minister aller Bundesländer einen Handlungsrahmen vorgibt und innerhalb dieser Arbeit der Entscheidungsfindungsprozess nicht für alle 16 Bundesländer einzeln untersucht werden kann.

 

Außerdem gibt es in Deutschland keinen einheitlichen Konsens darüber, was genau die zentralen Probleme im Bildungswesen sind bzw. darüber, was Bildung leisten soll. Daher werden die Probleme, die PISA aufgedeckt hat, als Grundlage genommen, vor deren Hintergrund eine (darauf bezogene) Zielformulierung innerhalb der KMK stattfand. Die einzelnen Bundesländer werden nur für den Bereich der Umsetzung in exemplarischer Form in die Betrachtung miteinbezogen. Gesondert wird auch der Bereich der Faktoren, die den Entscheidungsfindungsprozess beeinflussen, in die Betrachtung miteinbezogen (5.2), bevor die Ergebnisse der Untersuchung in einem Fazit erklärt und zusammengefasst werden (Kap. 6). Zunächst folgt aber die Erläuterung des methodischen Vorgehens im Hinblick auf eine politikwissenschaftliche Einordnung.

 

Methodisches Vorgehen:

 

Die vorliegende Arbeit untersucht die Reaktionen der Bildungspolitik in Form einer Politikfeldanalyse. Besonders relevant für diese Arbeit sind Phasenmodelle, die Politik als Prozess der Problemverarbeitung beschreiben.

 

„Gemeinsamer Ausgangspunkt der verschiedenen Phasenmodelle in der Policy-Forschung ist eine bestimmte Interpretation von Politik, nämlich Politik als ‚Policy-Making’, als Versuch der Be- und Verarbeitung gesellschaftlicher Probleme.“ (Jann/Wegrich 2003: 71)

 

Durch die stärkere Betonung des Entscheidungsfindungsprozesses ist es möglich herauszuarbeiten, welche Probleme politisch Beachtung gefunden haben, und vor allem welche nicht, und somit die Voraussetzungen und Folgen politischer Problemverarbeitung zu untersuchen.

 

Die PISA-Studie ist Ausgangspunkt dieser Arbeit, also gewissermaßen Grundlage ("input") für den sich anschließenden Entscheidungsfindungsprozess. Jedoch ist die Studie selbst bereits Ergebnis einer Problemwahrnehmung, nämlich der Erkenntnis der Politik, dass es nötig ist, das Ergebnis von schulpolitischen Maßnahmen zu überprüfen.[6]

 

Dass die Durchführung der PISA-Studie in Deutschland somit zugleich Ergebnis, als auch Grundlage eines Entscheidungsprozesses ist, gibt einen Hinweis darauf, dass Policies sich ständig in einem Kreislauf befinden und der Prozess des Policy-Making zumeist nie als völlig abgeschlossen angesehen werden kann. Daher liegt das Modell eines „Policy-Cycle“ für die Betrachtung eines Politikfeld nahe.

 

Der idealtypische Policy Cycle

 

 

Quelle: Jann/Wegrich 2003: 82

 

In der vorliegenden Arbeit wird der Policy-Cycle zu einem Teil als Modell herangezogen. Nämlich an den Stellen, in denen es um die Frage geht, in welcher Weise die KMK als Kooperationsgremium der Bundesländer die Ergebnisse der internationalen Leistungsvergleichsstudie PISA rezipieren und in welcher Weise sie darauf handelnd reagieren. Die Ergebnisse der Studie fungieren also als Problemdefinition und es soll untersucht werden welche der Probleme auf die öffentliche (Presse) und politische Agenda (KMK) kamen. Grundlage für den Bereich der Formulierung bildet der Maßnahmenkatalog der KMK vom 05./06.12.2001.

 

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