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Polizeilicher Kommunitarismus

Eine Praxisforschung urbaner Kriminalprävention

AutorChristiane Howe, Dörte Negnal, Eva Kiefer, Thomas Scheffer, Yannik Porsché
VerlagCampus Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl283 Seiten
ISBN9783593435091
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis30,99 EUR
In urbanen Ballungsräumen treffen Bevölkerungsgruppen, Szenen und Milieus mit unterschiedlichen Praktiken und Wertvorstellungen aufeinander. Lokale Verhältnisse und Sicherheitslagen werden unübersichtlicher. Hier sieht sich die Polizei gefordert, mit Wissens-, Vertrauens- und Beziehungsarbeit Abhilfe zu schaffen. Neben ihrem Kerngeschäft, der Verfolgung von Straftaten und der Gefahrenabwehr, etabliert sie die Präventionsarbeit. Unterschiedliche Formen dieser spezifischen polizeilichen Arbeit werden in dem Band durch ethnografische Praxisforschung vorgestellt.

Thomas Scheffer ist Professor für Soziologie an der Universität Frankfurt am Main. Christiane Howe, Eva Kiefer, Dörte Negnal und Yannik Porsché sind dort wiss. Mitarbeiterinnen.

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Leseprobe
Einführung
Thomas Scheffer
Was macht die großstädtische Polizei, wenn sie Kriminalprävention betreibt? Nun, zunächst sehr viel, was so gar nicht nach Polizeiarbeit aussieht: Tee trinken, Quatschen, Schlendern, Theater spielen, Flugblätter verteilen, Fahrräder kodieren etc. Das vorliegende Buch versucht, die verwirrend vielfältigen ethnografischen Erfahrungen einer vierköpfigen Forschungsgruppe zu ordnen. Nicht entlang vorgefasster Definitionen oder entlang von Evaluationsschemata, sondern entlang der Arbeitsformen, die bei genauerer Analyse zutage treten. Genauer heißt: wir fragen jeweils, woran hier mit wem, wie und womit gearbeitet wird und in welchem Stand sich die bearbeitete Sache jeweils befindet. Derart sortieren wir die Unmengen der erhobenen Arbeitsepisoden, gruppieren und reihen sie, um die praktischen Orientierungen der Beforschten nachzuvollziehen. Diese Nachvollzüge bieten die Grundlage für unser Verständnis von Prävention: nicht die Projektschriften, Selbstauskünfte oder Regularien.
Prävention als vielgestaltige kommunitaristische Praxis
Unsere Analysen zeigen zunächst, dass polizeiliche Prävention sehr Unterschiedliches bezeichnet. Mal geht es um Kontakte ins Milieu, mal um ein Jugend-Projekt, mal um Anti-Gewalt-Schulungsreihen. Die Unterschiede betreffen Gestalt oder Form der präventiven Arbeiten: das Zusammenspiel aus Angelegenheit, Handlungsfeld, Bündnis und eingebrachten Ressourcen und Techniken. Unsere Analysen zeigen aber auch: die präventive Arbeit ist jenseits dieser unterschiedlichen Ausformungen gleich gerichtet. Dies erlaubt uns eine praktische Bestimmung urbaner, polizeilicher Prävention. Die Präventionsbeamt*innen arbeiten mit Anderen an geteilten Angelegenheiten im sozialen Bündnis. Durchgängig müht sich kriminalpräventive Prävention um eine Reduktion soziokultureller Distanz.
Angesichts von Vielgestaltigkeit und Gleichgerichtetheit der Kriminalprävention generieren unsere Praxisstudien eine Hypothese: die polizeiliche Prävention speist sich vor allem aus einer Bündnisorientierung; sie vollzieht sich entsprechend als eine Art angewandter Kommunitarismus. Präventionsbeamt*innen sind demnach in ihrer alltäglichen Arbeit vor Ort geneigt, sich - neben allerlei formalen und rechtlichen Verpflichtungen als Organisationsmitglieder bzw. dem Staat Dienende - als Kommunitaristen zu betätigen. Hiermit ist gemeint: eine Art und Weise der tatkräftigen Durchdringung des urbanen oder kommunalen Raums als Feld gemeinschaftlicher Problembearbeitung, das gängige Partikularinteressen, etablierte Arbeitsteilungen und formale Funktionsbestimmungen zurückdrängt. (vgl. Schnur 2003). Eine kollektive Problembearbeitung also, die zwischen und jenseits von Staat, Markt und Privatheit operiert. Dies impliziert, im Sinne des Kommunitarismus, dass den Präventionsbeamt*innen weder universelle Werte (alle Individuen müssen/sollen/können) noch ein Werterelativismus oder gar eine formalistische Indifferenz taugliche Orientierung bieten. Weder ein Verurteilen noch ein Hinnehmen genügt, um in den urbanen Gemengelagen Kapazitäten der Problembearbeitung zu schöpfen. Als Bündnispartner sind sie in ihrer jeweiligen Kapazität aufgerufen, sich gemeinsam dem ausgemachten public problem (Dewey 2012 [1946]) zu widmen.
Der angewandte Kommunitarismus präferiert lokale Aushandlungen, gemeinschaftliches Engagement und Sachorientierung. Er impliziert ein Maß an Entdifferenzierung zugunsten geteilter Probleme. Neben der etablierten Zuständigkeitsverteilung gewinnen Kontakte, Beziehungsnetzwerke und schließlich Bündnisse an Gewicht. Es erwachsen Arenen der Kollaboration, die sich nicht unter die Logiken der Interessenverfolgung, der Profitorientierung oder des Gewaltmonopols subsumieren lassen. Die Mobilisierung lokaler, sachbezogener Engagements schöpft - ganz im Sinne der kommunitaristischen Sozialtheorie - 'soziales Kapital' (Putnam 1993, 1995) als Ressource der gemeinsamen Problembearbeitungskapazität. Damit unterstellen wir nicht schon allseitige Problemlösungen, die Überwindung von Machtungleichheiten oder die Abkehr von staatlicher Herrschaft. Wir entdecken gleichwohl eine Stärkung lokaler 'Verständigungsverhältnisse' (McCarthy 1989), insofern sich die Bündnispartner*innen im Zuge ihrer Arbeitsprozesse und Kooperationen wechselseitig aufwerten und Vertrauen schenken (vgl. Bude et al. 2010). Die Beteiligten sind es, die sich dabei an geteilten Werten orientieren: Gemeinsinn, Solidarität, Verantwortlichkeit, Problembewusstsein. So befördert präventive Polizeiarbeit alternative Ordnungskonzepte im urbanen Raum.
Die so gestifteten Ordnungen lösen sich von den Logiken des Marktes oder des Staates. Beobachtbar wird dies in den wechselseitigen Anrufungen im Bündnis: hier verlangt die Sache nach gemeinsamen Engagement; hier sind Bündnispartner*innen in ihrer je eigenen Kapazität gefragt; hier überschreiten Bemühungen die etablierte Arbeitsteilung. Die Beteiligten fungieren nicht mehr primär als Gegenspieler*innen, Konsument*innen, Untergebene oder Klient*innen. Sie definieren sich in mehrseitigen Beziehungen im Rahmen von Bündnissen, die sich um Angelegenheiten scharen. Jenseits von Universalismus und partikularem Interesse sind es diese Bündnisse, die lokale Werte schaffen, an die sich wiederum die Bündnispartner*innen binden: in Abmachungen, im Sachbezug, im rituellen Austausch. Diese Haltung ist dem community policing verwandt, das nicht umsonst mit der Prävention eng verbunden wird (Dölling et al. 1993). Sie ist allerdings in einem wesentlichen Punkt von diesem zu unterscheiden: Der polizeiliche Kommunitarismus setzt keine Gemeinschaften voraus (Palmiotto 2000). Hier wird nicht die Polizei von der Gemeinde beauftragt. Die Präventionsbeamt*innen beziehen sich hier nicht auf eine festgefügte, etablierte Community, wie sie vielleicht in ländlichen Regionen oder Kleinstädten manifest werden. Vielmehr beteiligen sie sich an der Schaffung derselben. Die Polizei ist dann selbst Teil einer Vergemeinschaftung, die sich gerade im urbanen Raum aus verschiedensten Gruppierungen, Institutionen und Milieus speist.
Der polizeiliche Kommunitarismus präferiert die Vermittlung, Involvierung und Mobilisierung lokaler Kräfte gegenüber der technischen und formalen Erledigung (vgl. auch Miller et al. 2014). Daraus erwächst für alle Beteiligten und insbesondere für die Polizei ein Maß an Unkalkulierbarkeit (von Involvierungen), ein Kontrollverlust (gegenüber Inszenierungen) und eine gefährliche Nähe (zu Randgruppen). Die Präventionsarbeit gerät zuweilen ins soziale Zwielicht, in rechtliche Grauzonen, in interne organisationspolitische Kämpfe - und entsprechend in die Kritik. Derlei will mitbearbeitet und reflektiert sowie - gerade in den bestehenden Hierarchien - ausgehalten werden. Der polizeiliche Kommunitarismus zieht, bei allem hemdsärmlichen Idealismus, tatsächlich vielfältigste praktische, moralische, rechtliche und politische Verwicklungen nach sich. Auch für die Forscher*innen selbst.
Wer die Präventionskräfte beobachtet, stößt auf einen verwirrenden Mix von Arbeitssettings, -vollzügen und -prozessen. Es erscheint unmöglich, sie in eindeutige Stellenbeschreibungen zu bündeln, sie in Handbüchern zu bändigen oder auf einen Begriff zu bringen. Verwirrend ist die Präventionsarbeit, weil in hoher Frequenz die Angelegenheiten und Anforderungen wechseln. Wo sonst Arbeiten in staatlichen Stellen zu einem guten Maß standardisiert und kontrolliert ablaufen, verlieren sich hier selbst geschulte Praktiker*innen wie Feldforscher*innen im Irrgarten gegenstandsorientierter Praktiken. Die Präventionsarbeit erscheint 'wild' (Lévi-Strauss 1966), ein 'Basteln' (ebd.), provisorisch und undiszipliniert - insbesondere im Kontrast zur repressiven Polizeiarbeit. Es bedarf allenthalben der 'Improvisation' (Weick 1998).
Grade von Bürokratisierung, Verfahrensförmigkeit und Verrechtlichung sind hier praktisch herabgesetzt. Wo sonst Fälle, Formulare und Vorschriften dominieren, stehen hier Sozialkompetenz und diplomatisches Geschick im Vordergrund. Prävention vollzieht sich in unzähligen Rahmen 'dort draußen': Krisensitzungen, Infoabende, Aktionsstände, Kiezspaziergänge etc. Die erfahrenen Präventionsbeamt*innen verfügen über ein breites Repertoire, mit dem sich vom Smalltalk bis zum Verhandlungsmarathon, von der Plauderrunde bis zur interkulturellen Konferenz alles mehr oder weniger bewerkstelligen lässt. Sie schwärmen davon und beklagen es: das geforderte Maß an sozialer Geschmeidigkeit bei gelegentlicher Autoritätsanrufung. Denn bei aller Flexibilität: Unsere angewandten Kommunitarist*innen bleiben doch immer Gesichter der Polizei.
Präventionsbeamt*innen bewegen sich durch die sozialen und kulturellen Kontexte, oft am Rande eines 'sich Verlierens'. Entsprechend schwer ist es, diesen Bewegungen zu folgen, sie nachzuvollziehen und ihre praktische Bedeutung zu erfassen. Die Frage, woran die Präventionskräfte arbeiten ist dabei Fluch und Segen zugleich. Sie konfrontiert die Feldforscher*innen unmittelbar mit diesen Orientierungsproblemen. Denn worum es gerade geht, worauf eine Arbeit zielt, woran genau gearbeitet wird, klärt sich oft erst im Fortgang der Ereignisse. Sie ist Segen, weil die Frage nach dem Gegenstand aktueller Bemühungen von den Teilnehmenden selbst kleingearbeitet wird: Es sind Objekte und ihre Bezeichnungen, die hier Kontinuitäten über Arbeitsepisoden hinweg organisieren. Für sie zeichnet sich etwas mehr oder weniger ab, bedarf der weiteren Klärung, gewinnt an Kontur: ein Kontakt, der noch nicht belastbar ist; ein Arbeitskreis noch ohne verlässliche Aufgabenverteilung; eine Problematisierung, die nach gemeinsamen Maßnahmen verlangt. Prävention bewegt sich vielfach in solchen Früh- und Zwischenstadien.
Unsere Forschungsstrategie: die transsequenzielle Analytik
Eine Praxisforschung lässt sich naturgemäß nicht auf bestimmte, vorgefasste Datentypen beschränken: nicht auf rückblickende Interviews und ihre Transkripte (sie schlucken Aktualität und Arbeitssituiertheit), nicht auf angefertigte Dokumente und Akten (sie schlucken Anlaufprobleme), nicht auf fokussierte audiovisuelle Mitschnitte (sie schlucken Beiläufigkeiten), nicht auf Feldnotizen (sie schlucken sequenzielle, sprachliche Details). Aber all dies ist nötig, um die Arbeitsformen in ihre Generierung und Produktivität, in ihren Anforderungen und ihren Investitionen zu erfassen. All diese Daten - so verlangt es eine transsequenzielle Analyse - wollen wir als Ereignis-Prozess-Relationen im Lichte des jeweiligen Arbeitsgegenstandes anordnen und interpretieren.
In den Fokus geraten - in der Tradition der Studies of Work (Garfinkel) - Arbeitsprozesse und ihre Gegenstände in ihrer Entfaltung von Episode zu Episode. Wir befragen die beobachteten (Arbeits-)Situationen und die hier bearbeiteten/geschöpften Materialien, woran konkret die Teilnehmenden eigentlich wie und womit arbeiten. Aktivitäten lassen sich so besser einordnen: als Züge, die aktuell gefordert sind, die an etwas Vorgängiges anschließen, die Bestimmtes vermeiden, die Weiteres erst ermöglichen. Es geraten die praktischen Notwendigkeiten und Ansprüche in den Blick, sowie die Techniken und Taktiken, diesen zu begegnen. Unsere ethnomethodologische Heuristik des gegenstandsorientierten Arbeitsprozesses erlaubt Beobachtungen, die sonst auf einen Ereignisbezug (es bedeutet etwas nur gegenüber Anwesenden) oder einem reinen Prozessbezug (etwas erklärt sich nur vom Ergebnis her) beschränkt bleiben. Die empirische Analyse präferiert damit Serien von situierten Arbeitsepisoden gegenüber Selbstbeschreibungen der Programme und Institutionen.
Die Macher*innen widmen ihre Anstrengungen verschiedenen Sachen. Sie tun dies zusammen aber auch gegeneinander. Sie knüpfen an Sachstände an und taxieren Aufwände und Möglichkeiten. So erwachsen kollektive Gegenstände, konkreter Handlungsdruck, wechselseitige Abhängigkeiten, die es ohne die sukzessive objektivierten Arbeiten erst gar nicht gäbe. Es ist diese an der entäußernden, gerichteten Arbeit orientierte Perspektive, die sich im Zuge der Forschung herausgeschält hat - und die uns zu den praktischen Formen, den allgemeinen Bestimmungen und Episoden der Kriminalprävention geführt hat.
Aus dem transsequenziellen Blick auf die Arbeiten der Teilnehmer*innen folgt ein mehrzügiges Anordnen und Einordnen unserer ethnografischen Daten. Die Daten hierzu stammen aus mehrmonatigen Feldaufenthalten von insgesamt fünf Feldforscher*innen in den jeweiligen Polizeiabschnitten einer deutschen Großstadt sowie den zuständigen Stellen in einer landesweiten Polizeibehörde. Hinzu kamen im weiteren Verlauf kürzere Praktika, Feldvisiten und Interviewserien in polizeilichen Präventionsprojekten anderer Großstädte. Ich selbst, als Projektleiter und Autor dieser Einleitung, hatte in den zurückliegenden drei Jahren an diesen Feldforschungen per Datenlektüre, wöchentlichen Datensessions sowie in den Klausuren und Gesprächen mit den Beforschten partizipiert.
Den Ausgangspunkt für unsere aufwendige Praxisforschung bieten als kleinste Sinneinheiten die situierten Praktiken an einer Sache in ihrem je aktuell realisierten Zustand. Hiervon ausgehend ordnen und markieren bzw. codieren wir die episodisch sich entfaltenden Arbeitsprozesse mit ihren Episoden-Serien, Phasen und Objekten. Die analytische Einordnung der Geschehnisse vollziehen wir mehrstufig: (1) Wir sammeln Arbeitsepisoden im Alltagsgeschehen, inklusive Personal, Ausstattung und Arbeitsgegenstand. Die Teilnehmenden bereiten z.B. über Situationen hinweg ein nahendes Anti-Gewalt-Training vor. (2) Wir erschließen eine Arbeitsepisode, indem wir sie Zug um Zug sequenziell nachvollziehen. Jeder Zug ist hier/jetzt Rück- und Vorgriff auf das situierte Tun, z.B. im Gespräch über einen Trainingsbaustein. (3) Auf einer zweiten sequenziellen Ebene bestimmen wir die Serie der Arbeitsepisoden. Diese zeigen sich der Analyse wie den Teilnehmenden im Lichte bearbeiteter Objekte z.B. anhand des erwachsenden Skripts für die Schulstunde. (4) Diese Objekte lassen sich in ihrer Entwicklung entlang von Sachständen bestimmen. Etwas ist mehr oder weniger fertig. Einher gehen diese Stände mit Beförderungen im Sinne einer Karriere etwa, wenn die Polizeibeamt*innen ihr Programm absegnen lassen. (5) Die episodischen und akkumulativen Arbeiten verraten je einen sachlichen, personalen und zeitlichen Zuschnitt: eine Arbeitsform der Kriminalprävention. Die Form stellt je eigene praktische Anforderungen an die Präventionskräfte. Sie zeigen in der Zusammenschau ein höchst variables und eigensinniges Arbeitsfeld.
Der Bündnischarakter der jeweiligen Prävention (z.B. zwischen Schule und Polizei) verweist, bei aller Unterschiedlichkeit, auf Gemeinsamkeiten der und auf Wechselwirkungen zwischen den Arbeitsformen. Die Formen ähneln und bedingen einander. Grundlegend ist dabei unsere Unterscheidung von Arbeitsformen und den arbeitsübergreifenden Vor-Formen. Die Formen ruhen auf allgemeinen Bedingungen, die ihrerseits erarbeitet werden (müssen): extern auf gute Kontakte und Beziehungsnetzwerke in die verschiedenen Milieus hinein; intern auf die Ausstattung mit Personal, Arbeitsmitteln und Kompetenzen. Viel Arbeit ist diesen Grundlagen gewidmet. Dies ist der Grund, warum wir die Präventionsarbeit als angewandten Kommunitarismus fassen: Die Prävention schöpft und vermehrt soziales Kapital und zwar quer zu ihren Arbeitsformen. Diese allgemeine Stoßrichtung entspricht der übergreifenden praktischen Orientierung sowie der Haltung der Präventionsbeamt*innen. Angepeilt ist jeweils die kollaborative Nähe zu den relevanten Anderen zur Schöpfung gemeinschaftlicher Problembearbeitungskapazitäten.
Daraus folgt unsere Leitthese: im Grunde handelt es sich bei der Präventionsarbeit der Polizei um einen angewandten Kommunitarismus. Präventionsformen schaffen/brauchen ein problemorientiertes, gegenstandsbezogenes Zusammentun. Vollzogen wird eine kollektivistische Strategie, Problembearbeitungskapazitäten jenseits von Markt und Staat zu schöpfen. Maßgeblich ist hier der Bündnischarakter der Prävention. In den Bündnissen begegnen die Präventionsbeamt*innen nicht Opfern, Verdächtigen oder Verbrechern; die Arbeit folgt hier nicht mehr den gängigen Polizei-Kategorisierungen. In den Bündnissen bewegen sich die Teilnehmenden nicht primär als Untertanen (Staat), Konsument*innen (Markt) oder Klient*innen (Wohlfahrt). Vielmehr handelt es sich um Assoziationen von Bürger*innen in ihrer jeweiligen Kapazität: als Professionen, Repräsentant*innen, Kundige, Insider etc. Sie begeben sich in diese lokalen Bündnisse und forcieren sie. Die Bündnisse bündeln die sozialen Kräfte über etablierte Gemeinschaftsgrenzen und -konkurrenzen hinweg. Hierin liegt der praktische Sinn präventiver Polizeiarbeit: im Miteinander neue Problembearbeitungskapazitäten zu schöpfen. Ob die Präventionsbeamt-*innen in diesen Bündnissen funktionieren (können) und wie sie das bewerkstelligen (können), untersuchen wir in diesem Buch anhand verschiedener Formen und Vor-Formen der Prävention.
Formen der Prävention
Was wären solche Formen der Prävention? Welche lassen sich wie genau voneinander abgrenzen? Die vorliegende Praxisstudie unterscheidet die folgenden wesentlichen Arbeitsformen:
- Sozialraum- und Milieuarbeit: Präventionsbeamt*innen erschließen, erlaufen, erarbeiten sich ein Umfeld mit seinen besonderen Bewohner*innen und Nutzer*innen, indem sie lernen 'was hier los ist' und 'was die Leute bewegt'. Besonders beackert werden in bestimmten Rhyth-men öffentliche Plätze und neuralgische Orte. Diese Runden eröffnen regelmäßige Begegnungen, die sich zu Kontakten und Beziehungen verfestigen.
- Projektarbeit: Die Polizei widmet sich bestimmten wiederkehrenden Themen und Problemstellungen in konzertierten Aktionen (möglichst) mit Bündnispartner*innen. Erarbeitet wird ein Projektablauf, der die Kräfte raumzeitlich bündelt und koordiniert. In internen wie externen Arbeitskreisen wird das Vorgehen abgestimmt.
- Bildungsveranstaltungen: Präventionsbeamt*innen vermitteln ein präventives Wissen in Trainings, Vorführungen oder Kursen. Die Veranstaltungen adressieren ihr Publikum vordringlich als potenzielle Bündnispartner*innen. Sie begehen die Treffen als rituelle Prozesse, die die Beschulten nachhaltig prägen sollen. Die einmaligen Treffen sollen zukünftige Kooperationen wahrscheinlicher machen.
- Servicearbeit: Hier übernehmen Polizeidienststellen stadtweit und dauerhaft bestimmte Serviceangebote. Die zumeist als niederschwellige 'Komm-Angebote' organisierten Services können soziale Distanzen mindern und das Image verbessern. Dies setzt allerdings ein entsprechendes personales Engagement der Organisation voraus. Die Service-Kontakte bieten Gelegenheiten, um zwanglos 'ins Gespräch' zu kommen.
- Fallarbeit: Präventionsbeamt*innen absolvieren hier anlassbezogene Einsätze, um konkrete Konflikte oder Notlagen abzuarbeiten. Die Bearbeitung soll im Konfliktfall Schlimmeres verhindern. Die anfallenden Fälle sind vielfältig und erlauben weder ausgiebige Vorbereitung noch Routinen-Bildung oder Programmierung. Der Fall kann sich zu sachlich und personell umfassenden Angelegenheiten auswachsen und entsprechend Arbeitskapazitäten binden. Je nach Intensität und Geneigtheit des Einsatzes erwachsen Tauschbeziehungen: ein Zug im Geben und Nehmen.
Eine umfassende Prävention wird mindestens diese sechs Arbeitsformen bedienen bzw. auf diese zurückgreifen. Dies schließt spezialisierte Präventionsstellen nicht aus. Zentral ist die Gleichgerichtetheit der Formen, die allesamt auf Annäherung, auf geteilte Angelegenheiten und auf Bündnisse abzielen - und so die Arbeiten aus einer bloßen polizeilichen Befassung herausführt. Betrachten wir kurz die jeweiligen Formen der Prävention, bevor wir uns im Weiteren ihren geteilten Bestimmungen zuwenden.
Blick ins Buch

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