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Quer denken, besser denken

Was wir von den klügsten Köpfen der Geschichte lernen können

AutorShai Tubali, Theresa Bäuerlein
VerlagAtlantik Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783455004939
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Bewegten sich geniale Denker wie Albert Einstein, Sokrates oder Leonardo da Vinci in geistigen Höhen, die für die meisten von uns unerreichbar sind? Nein. Sie dachten nur anders als normale Menschen. Und von ihren Strategien, Probleme zu lösen, kann man sich für den Alltag einiges abschauen.

Theresa Bäuerlein, geboren 1980 in Bonn, arbeitet seit zehn Jahren als Journalistin und Autorin u. a. für Neon, Süddeutsche Zeitung, Nido, Zeit Online, Brigitte und Krautreporter. Darüber hinaus hat sie zwei Romane und zwei Sachbücher veröffentlicht. Ihr erster Roman Das war der gute Teil des Tages ist unter dem Titel Hannas Reise fürs Kino verfilmt worden. Sie lebt in Berlin.

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Leseprobe

Einleitung


Jeder kennt die Legenden, die man sich über die Erkenntnismomente großer Denker erzählt: Archimedes, wie er aus der Badewanne springt, »Heureka!« ruft und nackt nach Hause rennt, so begeistert vom eigenen Geistesblitz, dass er seine Kleider vergisst. Der fallende Apfel, der Isaac Newton zu seinem Gravitationsgesetz inspiriert hat (und der ihm in den alberneren Versionen der Geschichte dafür erst auf den Kopf plumpst). Albert Einstein, der von seiner Wohnung in Berlin aus sieht, wie ein Mann vom Dach des Nachbarhauses fällt. Wir wissen nicht, ob diese Szenen wirklich genau so passiert sind, aber wir erzählen sie immer wieder: Denn wir versuchen, Momente einzufangen, in denen der menschliche Geist auf einmal unerklärliche, schwindelnde Höhen erreicht. Sie haben sich uns als Symbole eingeprägt – für Genialität, für etwas Unerklärliches.

Manchmal geht dabei eine sehr wichtige Frage verloren: Was ist vor diesen Momenten passiert? Sicher müssen doch in den Köpfen der Entdecker vorher intensive Denkprozesse abgelaufen sein – Abläufe, derer sie sich selbst vielleicht gar nicht immer bewusst waren. Etwas hat langsam in der Tiefe Form angenommen, wortlos vielleicht, flüchtig. Was war am Denken dieser Menschen so einmalig, dass ausgerechnet sie auf fundamentale Erkenntnisse stoßen konnten?

Wir normal begabten Menschen versuchen oft gar nicht erst zu begreifen, wie Genies gedacht und woher sie ihre Inspirationen bekommen haben. Wir sehen sie an wie seltene Naturereignisse, die man bestaunen, aber nie verstehen kann. Genau diese Unerreichbarkeit macht große Denker schließlich aus. Oder?

Ja – und Nein. Große Denker hatten immer Zeitgenossen, die sich mit ähnlichen Fragen beschäftigt und sich dabei auch alles andere als dumm angestellt haben. Zu Einsteins Zeiten etwa waren einige Physiker und Mathematiker sehr nah dran, die Prinzipien seiner allgemeinen Relativitätstheorie zu entdecken. Sie schauten sich dieselben Formeln an, sammelten ähnliche Daten, hatten manchmal sogar die gleichen Ansätze – und dennoch haben sie es nicht geschafft, den letzten Sprung zu machen, der zur entscheidenden Entdeckung geführt hätte. Einstein wiederum sagte, er besäße überhaupt keine übermenschlichen Geisteskräfte. Er habe die Relativitätstheorie einfach deshalb erfunden, weil er über Alltagsphänomene staunte, die normalerweise nur Kinder fesselten. Genau das ist der entscheidende Punkt: Viel spricht dafür, dass die größten Denker einfach anders gedacht haben als die meisten Menschen. Die gleichen Informationen durchliefen in ihren Köpfen andere Prozesse. Diese aber kann der normale Mensch sehr wohl verstehen – und sie sich vielleicht sogar aneignen.

Wir wollten also herausfinden, mit welchen Strategien die großen Philosophen, Wissenschaftler und Denker es geschafft haben, Theorien aufzustellen. Wie sie Erkenntnisse gewinnen und Gesetzmäßigkeiten aufdecken konnten, die unsere Welt entscheidend geprägt und verändert haben. Das ist natürlich eine ziemlich komplexe Aufgabe. Das schiere Ausmaß der Entdeckung eines Genies ist oft so blendend, dass es schwierig ist, sich auf den besonderen geistigen Faktor zu konzentrieren, der sie ermöglicht hat. Wir mussten uns selbst bei unseren Überlegungen immer wieder gegenseitig daran erinnern, dass wir nach den Eigenschaften eines Entdeckergeistes suchten und eben nicht die Entdeckungen selbst betrachten wollten. Man kann sich leicht in Sigmund Freuds Erläuterungen über sein Modell des Unterbewusstseins verlieren oder so sehr über die sokratischen Dialoge staunen, dass man sein eigentliches Ziel vergisst. Uns ist das bei der Vorbereitung dieses Buchs oft passiert. Wir haben uns aber schließlich darauf konzentriert, die Denkarten zu beleuchten und nicht ihr Produkt. Natürlich, jedes Werk reflektiert das Denken seines Schöpfers, aber es ist immer noch das Endresultat eines besonderen Denkprozesses – und eben dem möchten wir uns widmen.

Wir wollen dabei nicht nur großartige Denkmuster beschreiben, sondern die Lücke zwischen dem Denken des Genies und dem Denken des Lesers kleiner werden lassen. Mit anderen Worten: Wir wollen zeigen, wie man sich die Struktur eines solchen Denkens zumindest teilweise selbst aneignen kann. Dieser Aspekt war sehr wichtig für uns. Sonst wäre das Lesen dieses Buches, als würde man einen wunderschönen Menschen betrachten, dessen Aussehen man bewundert oder beneidet, aber gleichzeitig weiß, dass man dem nie auch nur annähernd nahe kommen kann. Wahrscheinlich wird keiner von uns in näherer Zukunft eine weltbewegende Entdeckung wie Charles Darwin machen, aber sicher kann uns ein Abgleich mit seiner Denkstruktur Hinweise darauf liefern, welche Fehler wir selbst beim Denken machen – und wie wir es besser machen können.

Dabei sind wir davon abgekommen, uns nur die bekanntesten Figuren auf der Liste historischer Genies anzusehen. Dem Renaissance-Philosophen und Astronomen Giordano Bruno wird in der Geschichte nie der gleiche Stellenwert eingeräumt werden wie Galileo Galilei. Für uns aber war gerade die Tatsache spannend, dass er auch ohne intensivste astronomische Forschungen das Universum als unendlichen und zentrumslosen Raum begreifen konnte. Neben bekannten Kandidaten wie Einstein und Sokrates haben wir uns also gestattet, ab und zu von den bekannten Wegen abzuweichen und ein paar weniger offensichtliche Figuren zu betrachten. Wir haben nicht einfach allgemein nach ›Genies‹ gesucht, die als solche hinlänglich bekannt sind, sondern nach originellen und innovativen Denkern, die auf mehr als nur ihrem eigenen Fachgebiet Kreativität und Scharfsinn bewiesen haben. Wir haben nach Menschen mit üppigen, komplexen, ja sogar poetischen Gedankenwelten gesucht, die gleichzeitig ausgesprochen tief- und scharfsinnig denken konnten. Dieser Typ Denker scheint oft einen besonderen Weitblick zu haben und denkt größer als andere. Dank dieser großen Perspektive hat er in der Geschichte häufig völlig neu die Art und Weise definiert, in der sich die Menschheit selbst wahrnahm – und wie sie die Welt sah.

Herausgekommen ist dabei letztlich eine Liste, die natürlich auch von unserer persönlichen Neugier geprägt ist – was sich nicht ganz vermeiden lässt, wenn man aus Hunderten großer Denker eine Auswahl treffen will. Wir haben uns aber nie jemanden ausgesucht, auf den wir nicht wirklich von Kopf bis Fuß gespannt waren. Deshalb werden Sie in unserer Liste auch Figuren finden, die vielleicht außerhalb ihres spezifischen Fachgebiets weniger bekannt sind. Jiddu Krishnamurti zum Beispiel ist im Bereich spiritueller Philosophie sehr bekannt, in der allgemeinen Öffentlichkeit hat man von ihm jedoch fast nie gehört. Barbara McClintock wiederum ist viel weniger berühmt als, sagen wir, Marie Curie. Trotzdem haben die Denkweisen dieser Menschen uns so sehr eingenommen, dass sie für uns ein wichtiger Teil dieses Buchs sind.

Ist das fair, wenn man bedenkt, dass dafür bekannte Größen wie Isaac Newton oder Immanuel Kant weichen mussten? Natürlich nicht. Man muss es hinnehmen, eine wirklich repräsentative oder sogar vollständige Liste kann es nicht geben.

Auf unserer Liste stehen am Ende ein Naturforscher, eine Genetikerin, ein Physiker, ein Psychologe sowie ein Künstler und Erfinder. Die übrigen fünf sind Philosophen verschiedener Art: Ein materialistischer und ein spiritueller Philosoph, ein Wissenschaftsphilosoph, ein klassischer Philosoph und eine politische Philosophin. Interessanterweise und völlig ohne Absicht von unserer Seite aus stammen vier von ihnen – Sigmund Freud, Albert Einstein, Friedrich Nietzsche und Hannah Arendt – aus deutschsprachigen Ländern. Und aus Gründen, auf die wir noch eingehen werden, haben sieben unserer Denker entweder im 19. oder im 20. Jahrhundert gelebt. Nur drei – Sokrates, Giordano Bruno und Leonardo da Vinci – lebten in früheren Zeiten.

Manchmal war es der Wunsch danach, eine größere Breite an Persönlichkeitstypen und Fachgebieten abzubilden, der uns letztlich dazu gebracht hat, einen großen Kopf nicht mit auf die Liste zu nehmen. So sahen wir Isaac Newton etwa in zu großer geistiger Nähe zu seinem ›Nachfolger‹ Einstein. Aber in mehr als einem Fall waren wir gezwungen, einen faszinierenden Kandidaten aufzugeben, weil wir einfach nicht ausreichend Materialien finden konnten, anhand derer wir ihre Gedankengänge hätten untersuchen können. Deshalb ist die Liste unserer Protagonisten nicht chronologisch, und sie ist auch nicht ganz fair den großen Denkern der Geschichte gegenüber. Aus offensichtlichen Gründen sind die inneren Welten der Denker des 19. und 20. Jahrhunderts viel besser dokumentiert und überliefert als bei früheren Figuren. Auf dieses Material waren wir aber angewiesen, wenn wir ihre Denkprozesse untersuchen wollten.

Besonders groß war dieses Problem bei den Frauen. Hier wurden wir mit einem der traurigsten Teile der menschlichen Geschichte konfrontiert: mit der Tatsache, dass man Frauen über die längste Zeit überhaupt nicht zum Denken ermutigt hat. Dass sich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder mutige Frauen gegen diesen Status quo gewehrt haben, wie Hypatia oder Anne Conway, Émilie du Châtelet oder Mary Somerville, dass sie sich trotzdem am geistigen Leben patriarchalischer Gesellschaften beteiligt haben, ist bewundernswert. Sogar noch im 20. Jahrhundert, besonders in seiner ersten Hälfte, mussten Frauen hier mit großen Widerständen kämpfen. Man hat ihnen kaum erlaubt, wichtige Positionen einzunehmen, oft wurden ihre Entdeckungen von...

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