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Revolutionäre Visionen Ibero-Amerikas von Simón Bolívar bis Hugo Chávez

AutorHannes Naderhirn
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl123 Seiten
ISBN9783638733663
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Geschichte - Amerika, Note: gut, Universität Wien (Institut für Geschichte), 79 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Revolutionäre Visionen gab es viele in Ibero- oder Lateinamerika. Alle hier aufzuarbeiten, wäre ein Übermaß für eine solche Arbeit. Der Beginn der Revolutionen und vor allem der Visionen von einem vereinten Lateinamerika wurde von Simón Bolívar gesetzt, die letzte Fortführung wird derzeit von Hugo Chávez vollzogen. Daher ist auf diese beiden die Hauptaufmerksamkeit gerichtet. Simon Bolívar, der schon in seinen frühen Jahren Europa kennenlernte und hier auch mit Persönlichkeiten wie Alexander von Humboldt zusammentraf, war von dem Gedanken beseelt, seine Heimat 'Neugranada', das damlas u.a. Venezuela und Kolumbien umfasste, von der Herrschaft der Spanier zu befreien. Zu seiner Glanzzeit war Bolívar Herrscher über Kolumbien mit Panama, Venezuela, Bolivien (nach ihm benannt), Ecuador und er war auch 'König von Peru'. Er entwickelte dabei auch seine 'Bolivarische Verfassung', die heute als Vorbild für die 'Bolivarische Republik Venezuela' gilt. Die kritische Betrachtung dieser Verfassung und die Gegenüberstellung der damaligen Entwürfe und der heute gültigen Form wird umfasend Platz in der Arbeit eingeräumt. Auf die Visionen Simon Bolívars nahmen viele lateinamerikanische Revolutionsführer bis ins 20. Jahrhundert Bezug, wobei Bolívar selbst die Umsetzung nicht mehr erleben durfte, weil er bereits 1830 starb. Seine 1. 'Wiederauferstehung' feierte er 1848, als sein Leichnam in einem prunkvollen Zug nach Caracas überstellt wurde. Und seine 2. erfolgte unter dem gewählten venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez, der von Bolívar schwärmte und seine Ideen umsetzen wollte. Jedoch - und auch das unterliegt der kritischen Analyse - ist der Preis sehr hoch, denn die Demokratie in Venezuela wird immer mehr in Frage gestellt und das Land nähert sich einem hybriden System an. Wobei Chávez den Vorteil des großen Ölreichtums hat und er damit auch andere frisch gewählte Präsidenten, z.B. Bolivien oder Ecuadors, in seinem Sinne zu beeinflussen trachtet. Das chavistische System wird auch betrachtet aus der icht einiger zeitgenössischer politischer Autoren, die sich durchaus kritisch auseinandersetzen. Somit wird in dieser Arbeit ein 'tour d`horizon' vom Beginn der Befreiung bis heute gezogen. Das Leben Bolívars wird ebenso wie das von Chávez beleuchtet. Die ständigen Veränderungen, die sich derzeit in der 'Bolivarischen Republik' abspielen, wie z.B. Verbot eines Fernsehsenders, konnten nicht immer berücksichtigt werden.

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Leseprobe

3. El Libertador – Simón Bolivar


 

3.1. Seine Herkunft


 

Das Land Bolivien ist nach ihm benannt und der „Bolivar“, die venezolanische Währung. Jedes Schulkind in Lateinamerika lernt ihn kennen:  Simón Bolívar, den  Libertador, den Befreier von der spanischen Kolonialherrschaft. Dabei ist der Begründer der modernen Andenländer an deren politischer und sozialer Realität gescheitert, an Widersprüchen, die er wohl noch heute wieder erkennen würde.  Simón Bolívar, getauft auf den vollständigen Namen Simón José Antonio de la Santissima Trinidad, wurde am 24. Juli 1783 geboren. Nur dem Priester war der Name zu lange, also nannte er ihn nur noch „Simón“ und zwar mit dem Ausspruch „Du sollst der Simon Makkabäus Amerikas werden“.[75] Seine Familie gehörte zu den vornehmsten und reichsten Kreolen in der ganzen Generalkapitanie Venezuela. In der Hauptstadt Caracas sesshaft, erwarben die Bolívars seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein beträchtliches Vermögen. Zwei Jahre nach der Geburt Simón Bolívars verstarb sein Vater Don Juan Vicente, der seiner Familie zahlreiche Immobilien und Ländereien mit einer Vielzahl von Sklaven sowie über 250 000 Peso in bar hinterließ.[76] Wenige Jahre darauf erkrankte seine Mutter tödlich an Tuberkulose, woraufhin dem Großvater und nach dessen baldigem Tod dem Onkel die Erziehung von Simón und seinem zwei Jahre älteren Bruder Juan Vicente übertragen wurde.  Zunächst deutete im familiären Milieu wenig auf Bolívars zukünftige Laufbahn als „Befreier“ Lateinamerikas hin. Er verlebte eine finanziell sorgenfreie Jugend auf den Gütern seiner kreolischen Familie. Die Kreolen, als die herrschende Klasse, besaßen sowohl das Bildungsmonopol als auch die größten materiellen Reichtümer. Doch als weiße Abkömmlinge von Spaniern in Amerika geboren, standen ihnen eine Vielzahl von hohen Regierungsämtern nicht zur Verfügung. Im ausgehenden 18. Jahrhundert galt es für die Spitze der Kolonialgesellschaft als standesgemäß, aufgeklärt zu sein. [77] Die Bücher der französischen Philosophen gingen in den besseren Kreisen Venezuelas von Hand zu Hand - die Staatstheorie Rousseaus war bekannt und beim Versuch, den Drang nach Unabhängigkeit theoretisch zu begründen, ließen sich die Kreolen von spanischen Staatslehrern des 16. Jahrhunderts inspirieren.

 

Er wurde ein General, der auf seine Feldzüge kistenweise Bücher mitnimmt. Den Unabhängigkeitskrieg kann er organisieren, weil viele in seiner Heimat nicht mehr in die spanischen Kassen wirtschaften wollen. 1813 vertreibt er die Spanier aus Caracas. 1815 kommen sie noch einmal zurück, Bolívar geht ins Exil nach Jamaika. 1824 räumen die Spanier nach langen Kämpfen die letzen Stützpunkte in Südamerika (schon 1823 stellte der amerikanische Präsident James Monroe seine Doktrin auf, wonach die Länder Amerikas unabhängig von den europäischen Mächten sein sollen).[78]

 

 

Abb. 5: Símon Bolívar

 

Bolívar wird Präsident eines Kolumbien, zu dem auch das heutige Ecuador und Panama gehören, und vom zuletzt befreiten Hochperu, das sich ab 1825 Bolivien nennt. Er träumt von den "Vereinigten Staaten von Südamerika" und von einer bürgerlichen Gesellschaft ohne Sklaverei und Bildungschancen für alle. Er war einer der reichsten Männer der damaligen Welt, Peru hätte ihm alles Gold zu Füßen gelegt, er aber verteilte lieber und konnte sich am Ende seines Lebens nicht einmal mehr das Totenhemd leisten[79].Die Interessen seiner Mitstreiter, Vertreter der Oberschicht wie er, waren andere. Sie suchen ihren wirtschaftlichen Vorteil und streben nach nationaler Unabhängigkeit der Teilstaaten. Bolívar macht sich 1828 zum Diktator,  um den Zerfall der Union zu verhindern. Er entkommt nur knapp einem Attentat und zieht sich zwei Jahre später resigniert und krank aus der Politik zurück. Nach der Ermordung seines besten und treuesten Freundes, Antonio Josef de Sucre, General und Sieger der Endschlacht von Ayacucho ist er verbittert und zieht sich an die Karibikküste zurück. Am 17. Dezember 1830 stirbt er im kolumbischen Santa Maria, dessen Bevölkerung gar nicht erfreut über den ungebetenen Gast war und ihn immer schon ablehnte,  an der Tuberkulose. Er war auf dem Weg ins Exil nach Europa.

 

Noch ehe Simón Bolívar im Alter von erst 47 Jahren starb, spalteten sich Venezuela und Ecuador von Groß-Kolumbien ab. Bolívar galt als verfemt. Alle politischen und wirtschaftlichen Misserfolge wurden ihm angelastet. In Venezuela wurde sein Tod mit den Worten bekanntgegeben: „Der böse Geist, Urheber allen Unheils und Unterdrücker der Nation, hat endlich aufgehört zu leben.“

Doch bereits 1842 feierte man Simón Bolívar wieder als „Libertador“ Lateinamerikas. Seine sterblichen Überreste wurden, begleitet von einer prunkvollen Begräbniszeremonie, in der venezolanischen Hauptstadt Caracas beigesetzt, und im selben Jahr ehrte man ihn in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá mit einem Denkmal. Heute ist sein Standbild (und das des argentinischen Freiheitskämpfers José de San Martín [1778-1850]) in nahezu jeder südamerikanischen Hauptstadt zu finden.

 

"Amerika ist für uns unregierbar", schreibt er in einem seiner letzten Briefe. "Das einzige, was man in Amerika tun kann, ist emigrieren. [...] Dieses Land wird unweigerlich in die Hände der zügellosen Massen fallen, um danach auf kaum erkennbare Klein-Tyrannen aller Hautfarben und Rassen überzugehen."[80] Kurz nach seinem Tod spaltet sich die Republik Großkolumbien in drei Teilstaaten auf.

 

Harvey L. Johnson attestiert Bolivar in einer offiziellen Biographie:

 

Simón Bolivar was one of South America's greatest generals.  His victories over the Spaniards won independence for Bolivia, Panama, Colombia, Ecuador, Peru, and Venezuela.  He is called the "George Washington of South America.[81]

 

Entgegen vieler anderer Aussagen war Bolívar nicht gegen die USA, sondern für sie eingestellt, weil er vor allem die Bemühungen George Washingtons bewunderte, den nördlichen Teil des Kontinents gegen die allmächtigen Briten zu befreien. Statuen Bolívars stehen an der Grenze zwischen Mexiko und Texas und sogar (u.a.) auch in San Francisco mit der Aufschrift: „The Liberator of South America“. Nur nebenbei: auch in Wien steht im Donaupark eine Statue von Bolívar, wobei jedes Jahr die Botschafter der 5 Staaten, Venezuela, Kolumbien, Peru, Panama und Ecuador Kränze niederlegen.

 

3.2. Die Spanische Herrschaft und der frühe Bolívar


 

3.2.1 Die Conquista


 

Nach der Landung und Rückkehr Christoph Columbus´ begann die (Sehn)Sucht nach dem Reichtum der neuen Länder. Die Eroberungszüge begannen. Geblendet durch die Schätze der Azteken und der Inkas vor allem, gingen die Spanier daran, diese Kulturen völlig zu zerstören. Sie bezogen ihre angebliche Legitimation auf Juristen und Humanisten, die die Rechtmäßigkeit der Kriege rechtfertigten. Sepúlveda behauptete, dass die zivilisatorische Sendung des „weißen Mannes“ in der überseeischen Welt das Recht gibt, über primitive Völker eine Kolonialherrschaft zu errichten. Die zivilisierten Völker sollen über die wilden und primitiven herrschen.[82] Es blieb bei der Conquista nicht nur bei den Kriegern und Kriegsherrn. Auch die „geistige Erneuerung“ sollte erfolgen, denn im Geleit der Conquistadoren kam auch der Klerus mit seinen Missionaren. Statt Tempeln gab es Kirchen, statt Riten gab es Messen. Wie viele Menschen wirklich ermordet wurden oder an den eingeschleppten, unverträglichen Viren sterben mussten, wird wohl immer ein Rätsel bleiben.

 

Die Geschichte Lateinamerikas nach der Eroberung zeigt, wie von Anfang an Staat und Kirche eine politische Einheit bilden. Der Papst legte im Vertrag von Tordesillas 1494  die Einflusszonen zwischen Spanien und Portugal fest. Zunächst hatte die Neue Welt die Erwartungen nicht enttäuscht: Gold, Silber, landwirtschaftliche Produkte kamen zuhauf nach Europa und von dort gleich wieder als Tauschobjekte nach Asien. Aber die Spanier brachten ihr Riesenreich nie wirklich in den Griff, weil sich die so genannten Vizekönige immer mehr Autonomie und Freiheiten herausnahmen. Schon 1588 verloren sie die Vormachtstellung auf See, denn die stolze Spanische Armada wurde von Sir Francis Drake, dem ehemaligen Piratenführer, der z.B. das kolumbianische Cartagena angegriffen hatte, vernichtend geschlagen

 

3.2.2. Die Soziale Struktur des kolonialen Lateinamerika


 

Um die Unabhängigkeitsbewegungen zu verstehen, muss auch die soziale Struktur beleuchtet werden. Auf der oberen Stufe der gesellschaftlichen Leiter standen die „Peninsulares“, d.h. Spanier, die auf der Iberischen Halbinsel (Peninsula) geboren waren.[83] Sie hatten die wichtigsten Ämter, sowohl weltliche als auch kirchliche, inne, ihnen folgten die Kreolen, in den Kolonien geborene Weiße europäischer Abstammung, so wie Simón Bolívar, Sie waren Landbesitzer und Handwerker und brachten es bisweilen auf ein durchaus beachtliches Vermögen. Alleine...

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