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E-Book

Romeo und Julius

Meine Suche nach der großen Liebe (in 25 Dates)

AutorJulius Kraft
VerlagGoldmann
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783641235994
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis3,99 EUR
Bin ich nach dem Verlust der großen Liebe bereit, wieder zu daten?

Ich sehne mich nach Momenten, in denen alles kribbelt und Sterne und Brusthaar greifbar werden. Ich will die Unsicherheit beim ersten Kuss spüren, das Beben, wenn er durch die Tür tritt, und auch die Verzweiflung, wenn es trotz aller Hoffnung schiefgeht. Ich lasse mich nicht entmutigen und suche nach dem Einen, wenn es bei Tinder so viele gibt. Ich will das Abenteuer, die Aufregung. Für mich gehört die Welt der Liebe den Verletzlichen und denen, die stark sind, weil sie Schwäche zeigen können. So bin ich, Julius, so jemanden will ich. Also ja, ich bin definitiv bereit, wieder zu daten! Dies ist die Geschichte von »Romeo und Julius« und meiner Suche nach der großen Liebe in 25 Dates!

Julius Kraft wurde 1989 geboren und lebt seit sieben Jahren in Berlin. Er arbeitet in den Medien und hat bis vor Kurzem bei einem Onlineshop Tipps gegeben, welche Sneaker gerade ganz oben auf der Wunschliste stehen sollten. Trotzdem fühlt er sich auf hippen Influencer-Partys fehl am Platz und ist ohne einen Gin Tonic auch fürs Clubknutschen zu schüchtern.

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Leseprobe

#1 Bin ich überhaupt bereit, wieder zu daten?

»Der ganze Ruhm ist nichts wirklich Echtes, weißt du. Vergiss nicht, ich bin auch nur ein Mädchen, das vor einem Jungen steht und ihn bittet, es zu lieben.«

Ich weiß nicht, wie oft ich diese Zeilen schon gehört habe und sich meine Lippen dabei geräuschlos zu denen von Julia Roberts mitbewegt haben, aber ich weiß, dass ich bei jedem einzelnen Mal, wenn Anna Scott im kleinen Buchladen vor William Thacker steht und ihre Hände nervös ineinandergreifen, augenblicklich eine Gänsehaut bekomme, die sich über den Nacken bis in meine Finger zieht. Seit ich denken kann, treffen mich Liebesgeständnisse wie das in Notting Hill, und all die Geschichten, die diesen Bekenntnissen eine Bühne bieten, gehören zu meinen Favoriten. Diese Geschichten aus den Märchenbüchern und Zeichentrickfilmen, von Shakespeare, die der 90s-Romcoms und 00er-Serien. Wenn Heath Ledger auf der Highschooltribüne »Can’t take my eyes off of you« singt oder Meredith in Grey’s Anatomy vor McDreamy steht und ihren Herzenswunsch auf drei Sätze herunterbricht: »Pick me. Choose me. Love me.«

All diese Geschichten, die ich als Kind gesehen und als Jugendlicher verschlungen habe, die heute noch meine liebsten sind, haben etwas gemeinsam. In jeder davon gibt es eine Frau und einen Mann, die sich in einer schicksalhaften Begegnung kennenlernen, in einem Zeitlupenmoment verlieben und daraufhin gegen alle und alles antreten, um zusammen sein zu können. Obwohl ich heute weiß, dass einige dieser Geschichten mit ihren stattlichen Rittern, tödlichen Schlaftränken und ungleichen Geschlechterrollen extrem schlecht gealtert sind, mag ich sie, weil sie die Liebe zwischen zwei Menschen als eine Naturgewalt verstehen. Als das fünfte Element, das Funken sprüht, Flammen entfacht, Herzen zum Beben bringt und Willen brechen kann. Milla Jovovich und Bruce Willis, die gemeinsam das Böse bezwingen. Das hat meine eigenen Erwartungen geprägt. »Disneyvorstellungen«, nennen das meine Freundinnen. »The heart wants what it wants«, sage ich. Und manchmal, so ab und zu, würde sich mein Herz ganz unemanzipiert doch über einen stattlichen Ritter freuen, der es aus den verschwitzen Wänden eines Technoschuppens befreit. Mit diesem Widerspruch kann ich leben. Zum Glück gibt es trotzdem noch eine weitere Liebesgeschichte, mit der ich groß geworden bin, die das Bild zurechtrückt. Eine, die sogar in meiner DNA steckt. Die Geschichte meiner Eltern.

Ihre Begegnung fand in einer Nacht an einem Samstag im Sommer 1985 statt, in welcher zwei Menschen, die sich vorher nur sehnsüchtig über lange Bartresen betrachtet hatten, am Steuer von zwei Autos mit zwei entgegengesetzten Zielen sitzen. Sie ist auf dem Weg nach Hause, er zieht zur nächsten Party weiter. Beide fahren dabei dieselbe Straße entlang, in der es in besagter Nacht durch parkende Autos nur eine befahrbare Spur gibt. Beide sehen das Dilemma kommen, fahren dickköpfig weiter und bleiben direkt voreinander im Scheinwerferlicht stehen. Er steigt aus seinem Auto aus. Sie bleibt in ihrem sitzen. Er geht zu ihrem Fenster. Sie kurbelt. Ihre blonden Haare treffen seine dunkelbraunen Locken, und beide haben weit geöffnete Augen und hochgezogene Mundwinkel, während sie reden, denn sie wissen, dass ihr Moment ein besonderer ist. Zwei Jahre später heiraten sie, sie bekommen drei Söhne, bauen ein Haus, pflanzen einen Baum, adoptieren einen Labrador, dann noch einen, und sie wachen ab jetzt jeden Morgen im Arm des anderen auf. Schlussakkord. Abspann. Happy End.

»Julius?«, hallt Tonis Stimme plötzlich aus dem Lautsprecher meines Smartphones durch meine Eineinhalb-Zimmer-Wohnung in Berlin-Mitte. »Bist du mit deinem Kopf überhaupt noch anwesend?« Ihre Stimme klingt dumpf, weil das Telefon über die letzte halbe Stunde unter einem Berg aus Oberteilen begraben wurde.

»Hey, ja, ich habe dich nur akustisch nicht verstanden. Was meintest du?«, rufe ich zurück zum Kleiderhaufen.

»Akustisch also.« Ich kann Tonis Augenrollen fast hören. »Ich wollte einfach wissen, wen du denn jetzt heute Abend triffst«, sagt sie ungeduldig.

»Achso, sorry.« Ich stolpere über ein Paar Sneaker zum Bett und ziehe mein iPhone unter der Zugspitze hervor. »Ich bin schon etwas aufgeregt, also war ich mit meinen Gedanken vielleicht doch nicht ganz da«, entschuldige ich mich.

»Wo sind wir denn gerade auf der Skala von 1 bis Panikattacke?«

»Eine solide vier?« Mit dem Fragezeichen springt meine Stimme am Ende des Satzes in die Höhe, was ein ziemlich sicheres Zeichen ist, dass ich mich gerade selbst belüge.

»Okay, dann komm erst mal runter und schreib mir danach, wie’s war. Ach so, Gähnen hilft übrigens.«

»Bei was?«, frage ich irritiert.

»Beim Aufgeregtsein natürlich.«

»Okay, dann mach ich das. Also das mit dem Gähnen und dem Melden danach auch.«

Ich werfe mein iPhone zurück aufs Bett und betrachte mich im Ganzkörperspiegel des Schlafzimmers. »Bin ich überhaupt bereit, wieder zu daten?«, denke ich, während ich ein moosgrünes T-Shirt in der einen Hand und ein gestreiftes Kurzarmhemd in der anderen vergleichend an meinen nackten Brustkorb drücke. In meinem Outfit für heute Abend ist bis auf das Oberteil alles gesetzt. Das ist immer so, wenn etwas Wichtiges ansteht. Die Jeanshose steht fest, weil ich nur das eine Paar besitze, das wirklich passt, und ich zu faul bin, ein weiteres zu finden, die Schuhe bleiben dieselben, weil mich dieses Paar mit der dicken Sohle in eine aufrechte Haltung drückt. Mit 28 Jahren habe ich mit meinem Körper einigermaßen Frieden geschlossen, was konkret bedeutet, dass ich mein Gesicht, meine Oberschenkel und Unterarme richtig gut leiden kann und an besseren Tagen weiß, was ich anziehen muss, um mich auch im Rest wohlzufühlen. Nur beim Oberteil tue ich mich mit der Entscheidung immer mal wieder schwer, welches Teil mich am besten unterstützt und durch eine aggressive Sprühattacke Febreze wieder tragbar wird. Bin ich unsicher geworden nach der langen Datingpause, deren Ende ich mit der Verabredung einläute?

Heute treffe ich mich zum ersten Mal mit Lehrer Louis. So steht er in meinen Kontakten, weil er angehender Grundschullehrer ist und weil ich Alliterationen mag. Außerdem wollte ich ihn nicht als »Tinder-Louis« abspeichern. So mache ich das eigentlich, oder so habe ich das zumindest in der letzten Suchphase gemacht. Bis der richtige Nachname ins Spiel kommt, wird dieser in meinem Adressbuch durch die App, den Club oder die Bar des Kennenlernens ersetzt, und Lehrer Louis habe ich vor ein paar Wochen eben bei Tinder gematcht.

»Ach, Tinder«, höre ich Autor Michael Nast, angeblich die deutsche Stimme unserer Generation, in genau diesem Moment irgendwo in Deutschland in einem ausgebuchten Vorlesungssaal zynisch husten, prusten und die Liebe zusammenpusten.

»Ja, Tinder!«, würde ich ihm entgegenrufen, säße ich mal im Publikum. Generation Beziehungsunfähig – das kann und will ich einfach nicht mehr hören. Als wären wir alle Zombies, die statt Gehirnen Herzen fressen. Als könnten wir uns nicht mehr binden und bräuchten eine Ausrede, wenn es mit dem Dating mal wieder nicht klappt. Es liegt nicht an mir, es liegt an unserer Generation. Bullshit, wenn ich mich einer Generation zugehörig fühle, dann ist das die Generation Michael-Nast-unfähig. Ich will mich mit jemandem fallen lassen, mich mit dem Einen verlieren. Die Naturgewalt spüren und für diese Person vielleicht nicht unbedingt an einem Gift sterben, aber wenigstens mit ihr das Rauchen aufgeben. Jetzt muss ich mich nur noch für ein Oberteil entscheiden.

»Mist!«, denke ich, denn ich bin zwar für das Fallenlassen bereit, vor allem aber auch spät dran. Ich sprinte zurück ins Schlafzimmer, streife das Kurzarmhemd über und greife zum Lieblingsparfum. »Und?«, frage ich mich selbst beim letzten Blick in den Spiegel. Die Frisur: wie gerade aufgestanden. Das Outfit: schlicht. Das Parfüm: zu dick aufgetragen. Alles, wie es sein soll. Im Türrahmen gehe ich mit »Geldbeutel, iPhone, Schlüssel, Zigaretten, Taschentücher, Smint« ein letztes Mal meine Hosentaschen durch. Dann geht alles ganz schnell. Zigarette an. Zigarette aus. Smint rein.

»Julius?«

»Ja!«

Erst im Dave Lombardo, einer meiner Stammkneipen, angekommen, merke ich, dass meine Aufgeregtheit vielleicht doch auf Panikattacke steht, als mir die Kellnerin ein Rollberg-Bier in die Hand drückt. Meine Hand zittert, und das Getränk im Glas schlägt Wellen.

»Alles ist okay. Gähnen, Julius, gähnen«, sage ich mir beruhigend vor, und um herauszufinden, ob Louis das Zittern auffällt, verfolge ich währenddessen die Bewegung seiner braunen Augen. »Oh Mann«, denke ich. Ich bin wirklich unsicherer geworden. Meine letzte Beziehung – der Ire und ich – liegt zwar schon fünf Monate zurück, aber die Trennung hat mich mitgenommen. Mehr, als ich das gedacht und mir anfangs eingestanden habe. Es war eine Beziehung mit »Ich liebe dich« auf meiner Seite und »Ich will dich nicht verlieren« auf seiner, bis er ein beendendes »Aber« nachschob. Das hat mir wehgetan, und hin und wieder denke ich noch an ihn und sein rötliches Brusthaar zurück, und dann erinnere ich mich an die kleinen Momente, die nur wir zwei teilten. Daran, wie er beim Ausräumen meiner Spülmaschine jedes Mal »Wo wohnt das?« fragte, wenn er nicht wusste, in welches Regal er Geschirr und Co. stellen sollte. Das fand ich süß. So süß, dass ich mir heute ziemlich sicher bin, dass er eigentlich immer ganz genau wusste, wo alles hingehörte und auch wie man richtig danach fragen würde. »Wo wohnt das?«, hat er nur für die Flashbacks gesagt....

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