Wer vermag schon zu sagen, zum wievielten Mal seit ihrer Einführung die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die gymnasiale Oberstufe (APO-GOSt) mit Beginn des Schuljahres 1999/2000 – aufsteigend ab Jahrgangsstufe (JgSt) 11 – geändert wurde? Zum einen brachte sie als Novum die von uns Lehrern sofort und einhellig als Unsinn deklarierte – auch für die Sekundarstufe I eingeführte – „Zusatzprüfung“, die dann bereits nach einem Schuljahr von der verantwortlichen Ministerin fallen gelassen wurde; zum andern etwas zumindest für NW Neues, das viele als sinnvolle Einrichtung begrüßt haben und auch beibehalten möchten: die Facharbeit (FA). Die zitierte Verordnung und ihre Verwaltungsvorschriften setzten nur fest, dass „in der Jahrgangsstufe 12 nach Festlegung durch die Schule eine Klausur durch eine Facharbeit ersetzt wird.“ „Über das Verfahren entscheidet die Lehrerkonferenz.“1 Die Schulleitung2 war sich nach Bekanntwerden dieser Erlassvorgabe schnell darüber im klaren, dass im laufenden Schuljahr 1999/2000 alle schulinternen Voraussetzungen für einen fachlichen und pädagogischen Erfolg mit den ersten Facharbeiten im folgenden Schuljahr geschaffen werden mussten. Es lag nahe, dass Frau Krieger mich, da ich auch Projektleiter der Oberstufe war, mit der Koordination dieser Aufgabe betraute. In drei Lehrerkonferenzen des genannten Schuljahres und in einem von mir geleiteten Arbeitskreis sondierten und entschieden wir, welche pädagogischen und organisatorischen Rahmenbedingungen wir bezüglich der FA anstrebten. In besonderer Weise waren für die Vorbereitung einer grundsätzlichen Entscheidung der Lehrerkonferenz zuerst einmal die Fachkonferenzen zuständig. Deren Ergebnisse verarbeitete der genannte Arbeitskreis zu einer Beschlussvorlage für die letzte Lehrerkonferenz des Schuljahres 1999/2000, auf der das Gesamtkonzept FA angenommen wurde. Entsprechende mündliche und schriftliche Informationen ergingen an die Schüler der 11. JgSt, die im Folgejahr zusammen mit ihren Fachlehrern erstmals den Start in die FA bewältigen sollten, was dann auch – wohl wegen der gründlichen Vorbereitung und des nötigen Ernstes und Eifers aller Beteiligten bei der Durchführung – voll gelang. Es war nur konsequent, dass auf der Basis dieses Informations- und Erfahrungsstandes vorerst keine neue Grundsatzdiskussion notwendig wurde. Jeder Fachlehrer konnte sich zu jeder Zeit durch von mir gesammelte und zur Verfügung gestellte Informationen, Empfehlungen, Erfahrungsberichte und Literaturhinweise auf den neuesten Kenntnisstand bringen. Laufend wurden die Titellisten mit den bei mir eingegangenen (unkorrigierten!) Dubletten der Originalfacharbeiten ergänzt und im Lehrerzimmer veröffentlicht; und Lehrer und Schüler konnten sich bei mir die entsprechenden Exemplare zur Anschauung ausleihen. Die Zusammenarbeit mit den für die Organisation in der jeweiligen Stufe zuständigen Beratungslehrern verlief auch in den folgenden Jahren reibungslos.
Die oben zitierte und sehr knapp gehaltene grundsätzliche Regelung zur FA hat die einzelnen Lehrerkollegien nicht in einen ansonsten grenzenlosen pädagogischen Freiraum entlassen, sondern durch Bezugstexte einen verbindlichen Rahmen abgesteckt, den es anschließend von uns Lehrern zu füllen galt. So hat die Bezirksregierung Düsseldorf Vertreter aller Fächer der gymnasialen Oberstufe, die überhaupt für die Abfassung von Facharbeiten in Frage kommen, zu Fortbildungsveranstaltungen eingeladen, so dass die Fachkollegen den jeweiligen Fachkonferenzen an den Schulen anhand von z.T. umfangreichen „Materialien“ bzw. „Handreichungen“ Bericht erstatten und Fachkonferenzbeschlüsse vorbereiten konnten. Zeitgleich mit der Veränderung der APO-GOSt hat das zuständige Landesministerium 1999 neue Richtlinien und Lehrpläne für die Sekundarstufe II des Gymnasiums bzw. der Gesamtschule herausgegeben, die grundsätzlich im Zusammenhang mit dem Thema „Arbeitsformen“ und vor allem im Rahmen des Abschnitts 4.2 – „Beurteilungsbereich Klausuren“ – „fachspezifische Hinweise zur Aufgabenstellung, Korrektur und Bewertung von Klausuren/Facharbeiten“ geben, die rechtsverbindlich sind.3 Wie wenig ausgereift diese fachbezogenen Erlasse in ihrer ersten Auflage z.T. noch waren, zeigt das Beispiel Französisch: Hier wird in Abschnitt 4.2.3 nur die „Korrektur und Bewertung der Klausuren“ behandelt, ohne dass explizit die Facharbeiten mit einbezogen werden. Auch die Beispiele für Facharbeiten im Fach Französisch sind nur selten praktikabel. In den Richtlinien und Lehrplänen für das Fach Geschichte sind die entsprechenden Ausführungen zur FA fundierter und überzeugender. Leider wird in der Praxis des Schulalltags die folgende, mir sehr wichtig erscheinende Vorschrift zu wenig umgesetzt: „Es ist zu beachten, dass die Themenstellung problemorientiert erfolgt, damit die Schülerinnen und Schüler Leistungen in allen Anforderungsbereichen erbringen können“, d.h. Leistungen auf den Ebenen 1. der Reproduktion von Kenntnissen, 2. des Transfers und 3. des problemlösenden Denkens bzw. des Bewertens. Dies gilt letztlich für alle Lernerfolgsüberprüfungen, in besonderem Maße jedoch für Klausuren der Qualifikationsphase (JgSt 12 und 13). Und da eine Klausur(-note) durch die entsprechende Facharbeit(-snote) zu ersetzen ist, sind Klausur und FA grundsätzlich gleichwertig: Diese essentielle Aussage muss sich damit auch auf Anforderung an und Bewertung von Facharbeiten beziehen. Die Erfahrung lehrt, dass Facharbeiten, deren Themen nicht problemorientiert gestellt werden, in der Regel nur die Anforderungsbereiche I und II widerspiegeln. Letztlich ist aber, wie der Kommentar von Böhm/Hahn zurecht explizit unterstreicht, der Fachlehrer für die Themenstellung verantwortlich. Es wäre nun sehr hilfreich gewesen, wenn die Autoren der Geschichtsrichtlinien in ihrer umfangreichen und durchaus lobenswerten Sammlung von Themenbeispielen sich stärker auf die problemorientierte Fragestellung eingelassen hätten. Stattdessen machen sie „Vorschläge für Gegenstandsbereiche von Facharbeiten“ und weisen lakonisch darauf hin, dass „die Spezifizierung und Festlegung konkreter Einzelthemen durch die Fachlehrer(-innen) in Absprache mit den Schülerinnen und Schülern erfolgt.“ Um die Problematik, die hier thematisiert wird, zu verdeutlichen, seien einige Beispiele dieser „Gegenstandbereiche“ zitiert: „Stellung und Rolle der Frauen in der DDR“, „Abitur auch für Mädchen? Zur Geschichte der höheren Mädchenbildung“, „Der Kinderkreuzzug“ usw. Es ist leider nicht auszuschließen, dass der eine oder andere Fachlehrer anstelle einer problemorientierten Formulierung zum „Gegenstandsbereich“ greift und sich – vielleicht – bei der Lektüre der FA wundert, letztlich ein Referat in der Hand zu halten, das sich im wesentlichen nur in quantitativer und formaler Hinsicht von den üblichen Schülerreferaten, die durch diese Bemerkung nicht abgewertet werden sollen (!), unterscheidet. Eine FA aber ist ein wissenschaftspropädeutisches Werk, gegebenenfalls eine kleine Forschungsarbeit, die einer konkreten Fragestellung nachgeht und ein bestimmtes Problem systematisch, methodenbewusst, überzeugend und kritisch darstellt und im Idealfall löst bzw. bewertet. Daher stellen die Verfasser der Geschichtsrichtlinien konkrete Kriterien für die Bewertung des Arbeitsprozesses, der Methodenanwendung und des Inhalts auf, die den Fachlehrer überzeugen und für ihn eine große Hilfe bei seiner fachlichen und pädagogischen Arbeit sind; letztlich erinnern sie aber noch einmal daran, dass sich „die Benotung der Leistung nach den Vorgaben der drei Anforderungsbereiche richtet.“4
Selbst wenn Lehrer- und Fachkonferenzen sich grundsätzlich und zumeist mit vielen Detailregelungen, die in zahlreichen Arbeitspapieren und Protokollen nachzulesen sind, zum Thema FA geäußert haben, dann ist der einzelne Lehrer, der mit dem Wunsch des Schülers konfrontiert wird, in seinem Fach eine FA zu schreiben, letztlich doch auf weitere Hilfen angewiesen, wie sie z.B. von den Eltern- und Lehrerverbänden, in den Fachzeitschriften und vom Landesinstitut für Schule und Weiterbildung5 angeboten werden. Gerade die Vorschläge dieses Instituts waren Grundlage für den weiter oben erwähnten Arbeitskreis und für seine auch auf der Basis der Auswertung aller Fachkonferenz-Beschlüsse verabschiedeten Empfehlungen an die Lehrerkonferenz vom 12.5.2000, deren Beschlüsse eine unmittelbare Auswirkung für die beteiligten Lehrer und Schüler hatten.
Nun konnte die eigentliche Arbeit beginnen, nämlich die allgemeine Vorbereitung der Schüler der 11. JgSt auf die Facharbeit durch die Deutschlehrer und die schriftliche und mündliche Information durch die Schulleitung im Rahmen der regelmäßigen Informationsveranstaltungen am Ende der 11. und zu Beginn der 12. Jahrgangsstufe. Da wir beschlossen hatten, dass für alle Schüler die erste Klausur in 12.2 (in einem Fach) durch die Facharbeit ersetzt wird, dass die Bearbeitungszeit der FA sechs Wochen beträgt und der Abgabetermin unmittelbar vor den Studienfahrten (die in der letzten Woche vor den Osterferien stattfinden) liegt, musste man die Schüler fachspezifisch (kursintern) während des 1. Halbjahres der 12. JgSt vorbereiten....