Um zu verstehen, wie soziale Klischees in der Werbung angewendet werden und welche Auswirkungen diese Stereotypisierungen auf die Medienkonsument/Innen haben, ist es wichtig, das System "Werbung" als solches zu beleuchten. Insoweit wird im Folgenden eine grundlegende Analyse der Techniken und Motive von (Fernseh-)Werbung unternommen, um als Folge dessen valide Aussagen hinsichtlich der Problemstellung der Arbeit treffen zu können.
Unter Werbung verstehen wir im Allgemeinen "die Beeinflussung von verhaltensrelevanten Einstellungen mittels spezifischer Kommunikationsmittel, die über Kommunikationsmedien verbreitet werden." (Schulz 2015) Der Begriff "Werbung" bezeichnet also ein System, welches durch verhaltensbeeinflussende Maßnahmen versucht, Menschen zur Inanspruchnahme bestimmter Leistungen zu animieren. In puncto Ziele und Funktionen der Werbung gibt es in der Fachliteratur aber wesentliche Unterscheidungen. So reicht es laut Georg Felser nicht aus, das Ziel von Werbung allein in der Absicht zu erkennen, dass Beworbene möglichst attraktiv erscheinen zu lassen. Vielmehr unterscheidet die Wissenschaft zwischen allgemeinen und marktwirtschaftlichen Funktionen von Werbung. (vgl. Felser 2015, S. 6-7)
Da die Hypothese dieser Arbeit die sozialen Implikationen von Werbung thematisiert, ist es in diesem Zusammenhang sinnvoll, die allgemeinen Funktionen von Werbung näher zu betrachten. Darüber hinaus handelt es sich im Folgenden zwar um eine allgemeine Betrachtung von Werbung, allerdings können die getroffenen Aussagen direkt auf ihre Subform "Fernsehwerbung" abgewandelt werden.
Die Funktionen von Werbung können wie im Nachstehenden unterschieden werden:
Information: Werbung soll über Produkte, Neuerungen und Qualitätsmerkmale informieren.
Motivation: Werbung soll dazu animieren, ein Produkt zu kaufen oder sich näher mit dem Produkt auseinanderzusetzen.
Sozialisation: Ziel der Werbung kann auch die Verbreitung gesellschaftlicher Werte sein.
Verstärkung: Diese Form der Werbung hat die Absicht, die Kund/Innen in ihrer Kaufentscheidung zu bestärken.
Unterhaltung: Bei dieser Form will mensch[2] das Vermeidungsverhalten der Kund/Innen durch unterhaltende Maßnahmen unterbinden. (vgl. Werbepsychologie-Online o. J.)
Die Gewichtung dieser Funktionen ist bei den Werbungen aber immer verschieden ausgeprägt. So ist die Informationsfunktion bei Produkten bedeutsam, welche eines erklärenden Moments bedürfen, um auf ihren Sinn und Zweck zu schließen. (vgl. Felser 2015, S. 8)
Hingegen versucht die Motivationsfunktion die Konsument/Innen zu aktivieren, indem sie die Werbebotschaft emotionalisiert. Zwar werden meist keine klar umrissenen Emotionen, sondern Stimmungen erzeugt, dennoch spielt gerade die Herstellung emotionalisierter Kaufentscheidungen eine tragende Rolle in der Werbung. (vgl. ebd., S. 8)
Mittels der Sozialisationsfunktion kann die Werbung auch Normen und Modelle für das Konsumverhalten bereitstellen. Hierbei zeigt Werbung Verhaltensmöglichkeiten, welche von den Rezipient/Innen als normal empfunden werden. Beispiele hierfür sind Werbungen gegen Analphabetismus oder Drogen, welche durch das Angebot eines spezifischen Verhaltensmodells einen hohen Sozialisationsgrad aufweisen. (vgl. ebd., S. 8) Die Sozialisationfunktion der (Fernseh-)Werbung wird im späteren Verlauf der Arbeit einer präziseren Analyse unterzogen. (siehe Kapitel 2: Stereotypisierungen und Werbung)
Die Verstärkerfunktion versucht mittels Aufbau und Aufrechterhaltung positiver Assoziationen, die Konsument/Innen an ein bestimmtes Produkt zu binden bzw. Markentreue zu erwirken. Die Wichtigkeit dieser Funktion ergibt sich vor allem daraus, dass laut Felser "die Werbung weniger (dazu) geeignet ist, einem Produkt neue Kunden, die das Produkt noch gar nicht kennen, zu verschaffen." (ebd., S. 8) Stattdessen ist allerdings wissenschaftlich nachweisbar, dass Stammkund/Innen dazu neigen, höhere Produktmengen zu kaufen. Die Unterstützung eines Kauf- und Markenverhaltens ist also eine sehr wichtige Funktion, auf der ein großer Teil der Werbewirkung beruht. (vgl. ebd., S. 8)
Damit wir Werbung konsumieren bzw. akzeptieren, muss diese immer ein Minimum an Unterhaltung (jedweder Form) bieten. (vgl. ebd., S. 8) Die Unterhaltungsfunktion ist somit zwar ein peripheres, aber dennoch nicht zu vernachlässigendes Prinzip der Werbung, weil es ohne diesen Faktor bei den Konsument/Innen zur Werbevermeidung kommt. (vgl. Werbepsychologie-Online o. J.) Interessanterweise sind die Werbungen mit dem größten Unterhaltungswert oft jene, bei denen die Grenze zwischen Werbung und Kunstwerk zu verschwimmen scheint. (vgl. Felser 2015, S. 8 & Wendt 2012, S. 11)
Im Folgenden wird der Versuch unternommen, verschiedene Modelle der Werbewirkung zu diskutieren. Damit soll aufgezeigt werden, welche Vorstellungen die Wissenschaft über die Wirkweise von Werbungen hat.
2.1.3.1 Die S-(O)-R-Theorie
"Hierbei steht S für "Stimulus" und R für "Reaktion" oder "Response".
(Felser 2015, S. 9)
Die S-R-Theorie war als Denkmodell lange vorherrschend in der Konsumentenpsychologie. Sie stammt aus den 1920/30er Jahren und zeichnet ein behavioristisches Menschenbild, welches davon ausgeht, dass der Mensch passiv auf Reize mit fixierten Verhaltensmustern reagiert. (vgl. Bongard 2002, S. 10 - 11) Die Grundidee dieses Modells war also die Annahme, dass das Konsumentenverhalten von bestimmten Reizen abhängt und dass das Verständnis dieser Reize Vorhersagen über das Verhalten von Konsument/Innen zulässt. (vgl. Felser, S. 9)
Die S-R-Theorie berücksichtigt allerdings nicht, was sich zwischen Stimulus und Reaktion abspielt; alle nicht beobachtbaren psychischen Phänomene wurden in eine sogenannte "Black Box" verbannt. Personenunterschiede wie Temperamentsmerkmale, Werte oder Motive wurden in besagter Theorie also nicht integriert. (vgl. ebd., S. 9)
Wegen der Festlegung der S-R-Theorie auf das beobachtbare Verhalten, wurde in den 1940/50er Jahren eine modifizierte Version geschaffen, die sich S-O-R-Theorie nennt und welche die Konsument/Innen als entscheidende und wirkungsrelevante Faktoren in den Mittelpunkt stellt. (vgl. Bongard 2002, S. 11)
"Hier wird zumindest zugestanden, dass die Reaktionen auf gleiche Stimuli eben nicht immer gleich ausfallen." (Felser 2015, S. 9) Die S-O-R-Theorie geht also von einem reagierendem Organismus aus, in welchem eine Reihe von intervenierenden Variablen (z.B.: Temperament) wirken, welche die Wirkweise eines Stimulus beeinflussen. Die sogenannte Black Box wird in der S-O-R-Theorie also durch erforschbare Konsument/Innen ersetzt.
Einerseits ist die S-O-R-Theorie praktikabel, weil der Mensch in vielerlei Hinsicht eine mechanische und automatisierte Psychologie aufweist, andererseits ist sie wenig zweckdienlich, weil "streng genommen die Möglichkeiten des Anwenders lediglich darin bestehen, den Stimulus immer wieder zu verändern, bis die Reaktion kommt, die man erreichen will." (ebd,. S. 9)
Nach der Präsentation dieses mechanistischen Ansatzes, wird im Folgenden eines der bekanntesten hierarchischen Modelle der Werbewirkung vorgestellt.
2.1.3.2 Das AIDA-Modell
Ein hierarchisches Stufenmodell nimmt an, dass nach Erreichen einer definierten Stufe (in diesem Fall "Aufmerksamkeit") die restlichen Wirkungsstufen wie eine Kettenreaktion ablaufen. (vgl. Bongard 2002, S. 10 -11) Ein solches Modell stellt die Werbewirkung also als ein geordnetes Durchlaufen verschiedener Wirkungsebenen dar. (vgl. Felser 2015, S. 9)
Beim sogenannten AIDA-Modell wird den Werbekonsument/Innen eine bestimmte Reaktion bzw. Verhaltensweise unterstellt, welche auf das Rezipieren von Werbung erfolgt - die Buchstaben in AIDA stehen dabei für die einzelnen Elemente dieser Sequenz (vgl. ebd., S. 9):
A = Attention: Die Reaktion beginnt mit der Gewinnung von Aufmerksamkeit bei den potentiellen Kund/Innen
I = Interest: Durch die Aufmerksamkeit der Rezipient/Innen soll sich ein Interesse für das Beworbene entwickeln.
D = Desire: Auf Basis des Interesses sollen die Kund/Innen einen Kaufwunsch verspüren.
A = Action: Dieser Kaufwunsch soll dann die Konsumhandlung initiieren. (vgl. Werbepsychologie-Online, o. J.)
Die Anhänger des AIDA-Modells gehen davon aus, dass die Generierung von Aufmerksamkeit auch eine Wirkung auf die Verhaltensebene hat (Kauf). Dieser Umstand konnte aber bis dato nicht empirisch nachgewiesen werden....