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Stealing Fire

Spitzenleistungen aus dem Labor: Das Geheimnis von Silicon Valley, Navy Seals und vielen mehr

AutorJamie Wheal, Steven Kotler
VerlagPlassen Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl336 Seiten
ISBN9783864705625
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
Schneller, höher, weiter - mehr denn je bestimmt dieses Motto unsere heutige Zeit. Gesteigerte Kreativität; Bewusstseinszustände, die uns ganz neue Optionen eröffnen; Spitzenleistungen quasi auf Knopfdruck: Viele Pioniere und Innovatoren arbeiten daran. Unternehmen wie Tesla, Google, Nike und Red Bull kooperieren mit Neurobiologen, Psychologen oder Pharmakologen. Sie alle wollen dem Geheimnis von Spitzenleistungen auf die Spur kommen und Abkürzungen auf dem Weg dorthin finden. Also keine 10.000 Stunden mehr, um beispielsweise ein Meister in der Kunst der Meditation zu werden. Und Durchbrüche stehen kurz bevor. Silicon-Valley-Insider Steven Kotler und Flow-Experte Jamie Wheal kennen die Bemühungen um Spitzenleistung aus erster Hand. In ihrem Buch zeigen sie, wie unsere gängigen Vorstellungen über Bewusstsein, Kreativität und Leistung auf den Prüfstand gestellt und Grenzen verschoben werden.

Steven Kotler ist 'New York Times'-Bestsellerautor. Er schrieb mehrere Bücher und veröffentlichte Artikel in mehr als 60 Zeitschriften, darunter 'The New York Times Magazine', 'Wired', 'Discover', 'Popular Science', 'GQ' und 'Outside'. Außerdem schreibt er regelmäßig einen Blog auf PsychologyToday.com. Jamie Wheal berät die Besten der Besten, von den US Special Forces über Spitzenathleten bis zu den Topmanagern des Silicon Valley. Er ist Experte für die Nutzung von Flow-Zuständen zum Erzielen von Höchstleistungen.

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Leseprobe

KAPITEL EINS


WAS IST DIESES FEUER?


Der Schalter


Eines der größten Probleme eines Navy SEALs2 ist es nicht, zu wissen, wann er schießen muss, sondern zu wissen, wann er nicht schießen soll. Und wir wissen auch, warum. Man sperre ein Dutzend Kerle in ein dunkles Zimmer und drücke jedem eine automatische Waffe in die Hand. Irgendeiner wird blinzeln. Oder zucken. Und dann geht’s los. Deshalb war die Gefangennahme von Al-Wazu3 eine solche Herausforderung, denn die SEALs mussten ihn unbedingt lebend fangen.

Es war Ende September 2004 auf einer vorgeschobenen Operationsbasis im nordwestlichen Zipfel von Afghanistan. Ein paar Dutzend Mitglieder der Eliteeinheit SEAL Team Six oder, in dem von ihnen bevorzugten Jargon, DEVGRU, waren hier stationiert, um Informationen zu sammeln und Einsätze vorzubereiten. Etwa ein halbes Jahr zuvor hatte ein Funker eine Zunahme der Gespräche über Wazu bemerkt. Vielleicht versteckte er sich in den Wäldern südlich von ihnen. Möglicherweise hielt er sich in den Bergen auf, nördlich von ihnen. Dann wurden aus den Gerüchten Tatsachen. Wazu war tatsächlich in den Wäldern und in den Bergen, versteckt in einem Gebirgswald, gut hundert Kilometer westlich ihrer augenblicklichen Position.

Für die SEALs war das keine gute Nachricht. Das Terrain im Westen war eine Hochwüste – einsam, öde und rau. Keine ausreichende Deckung für einen Tarneinsatz. Unter diesen Umständen gab es keine Möglichkeit, ohne ein Feuergefecht hereinzukommen – keine Garantie, Wazu lebendig gefangenzunehmen.

Obwohl er früher nur ein Akteur der mittleren Ebene war, hatte sich Al-Wazus schlechter Ruf wie Donnerhall verbreitet, nachdem er ein Kunststück fertiggebracht hatte, das keinem anderen Al-Quaida-Agenten je gelungen war: den Ausbruch aus einem amerikanischen Untersuchungsgefängnis. Diese einzigartige Tat katapultierte ihn unter die obersten Ränge der Organisation und brachte ihm einen Trupp engagierter Anhänger ein sowie die allergrößte Ehre für einen Dschihadisten überhaupt: einen persönlichen Empfehlungsbrief von Osama bin Laden.

Seitdem war Wazu mit Rekrutierungen, Überfällen und Morden schwer beschäftigt gewesen. Deshalb brauchten die SEALs ihn lebendig. Sein Wert als Informationsquelle hatte sich vervierfacht. In seinem Kopf steckte genug Wissen, um den größten Teil der verbliebenen Zellen in der Region auffliegen zu lassen. Obendrein wollten die SEALs eine Botschaft senden.

Und an diesem Tag im September erhielten sie ihre Chance. Der Funkspruch traf am Nachmittag ein: Al-Wazu war unterwegs. Er hatte die Wälder verlassen und war von den Bergen herabgestiegen. Er bewegte sich direkt auf sie zu.

Für die SEALs veränderte das alles. Mit einem beweglichen Ziel vervielfachten sich die Variablen exponentiell. Jetzt konnte alles passieren. Das Team kam zusammen und analysierte den Einsatz genauestens. Notfallpläne wurden besprochen und Details dem Gedächtnis anvertraut. Es wurde Abend, und die Nacht brach herein.

Bis zum Morgengrauen hatten sie nur noch fünf Stunden, und das Ziel war immer noch nicht aufgekreuzt. Die SEALs brauchten die Dunkelheit. Tagsüber wurde der Einsatz viel komplizierter. Mehr Leute waren auf den Beinen, der Verkehr auf den Straßen nahm zu, und es gab einfach zu viele Möglichkeiten für einen Verdächtigen, in einer Menschenmenge zu verschwinden.

Doch endlich hatten sie ihn, nach all dem Warten, plötzlich ausgemacht. Al-Wazu hatte angehalten. Es war nur noch ein paar Stunden lang dunkel, und die SEALs konnten ihr Glück kaum fassen. Er hielt sich weniger als eineinhalb Kilometer von ihrer momentanen Position versteckt – sie konnten buchstäblich zu Fuß zum Einsatzort gehen.

Kommandeur Rich Davis (aus Sicherheitsgründen ist das nicht sein wirklicher Name) war sich jedoch nicht sicher, ob das wirklich so ein Glück war. Als Leiter der Einheit wusste er, wie sehr seine Männer darauf brannten, Al-Wazu zu schnappen. Sie waren angespannt. Eineinhalb Kilometer Fußmarsch war so gut wir gar nichts. Davis hätte einen dreistündigen Gewaltmarsch bergauf bevorzugt. Drei Stunden würden sie nicht ermüden, aber womöglich beruhigen. Ihre Konzentration stärken. Ihnen vielleicht helfen, zu verschmelzen.

Die Griechen hatten ein Wort4 für dieses Verschmelzen, das Davis gefiel – Ekstase – den Akt, „über sich selbst hinauszuwachsen“. Davis hatte aber auch sein eigenes Wort dafür. Er sprach von dem „Schalter“, von dem Augenblick, wenn sie keine eigenständigen Männer mehr waren mit eigenem Leben und Ehefrauen und Dingen, die ihnen etwas bedeuteten. Vom Augenblick, wenn sie, tja, es war gar nicht so einfach, das zu erklären – aber irgendetwas passierte definitiv da draußen.

Platon beschrieb Ekstase als einen veränderten Zustand, wenn unser normales Wachbewusstsein vollständig verschwindet und durch intensive Euphorie und eine starke Verbindung mit einer höheren Intelligenz ersetzt wird. Wissenschaftler von heute verwenden etwas andere Begriffe und Beschreibungen. Sie nennen die Erfahrung „Gruppen-Flow“. „[Es ist] ein Spitzenzustand“, erklärt Psychologe Keith Sawyer in seinem Buch „Group Genius“5, „eine Gruppe, die auf dem Höhepunkt ihrer Fähigkeiten agiert. […] In Situationen rascher Veränderung ist es für eine Gruppe wichtiger denn je, imstande zu sein, Handlung und Achtsamkeit zu verschmelzen und sich durch Improvisation der Lage unmittelbar anzupassen.“

Wie auch immer die Beschreibung lauten mag, war der Schalter erst einmal umgelegt, war die Erfahrung für die SEALs unverkennbar. Sie handelten nicht mehr als Individuen, sondern fingen an, als ein Ganzes zu handeln – als eine einzige Einheit, als ein Schwarmdenken. In der gefährlich heißen Zone, in der sie ihren Job tun, ist dieses kollektive Gewahrsein, wie Davis sagt, „die einzige Möglichkeit, die Arbeit zu erledigen.“

Und ist das nicht merkwürdig? Das heißt doch, dass an dem fraglichen Abend während eines wichtigen Einsatzes jemanden gefangenzunehmen, aber nicht zu töten, ein veränderter Bewusstseinszustand das einzige war, was zwischen Al-Wazu und einem präventiven Doppelschuss in seine Brust stand. Als isolierte Individuen mit dem Finger am Abzug musste zwangsläufig irgendeiner zucken. Doch als Team, gemeinsam denkend und handelnd? Dabei wurde die Intelligenz erhöht und die Angst verringert. Das Ganze war nicht nur größer als die Summe seiner Teile, sondern auch schlauer und mutiger. Deshalb hoffte Kommandeur Rich Davis nicht nur, dass sie an diesem Abend den Schalter umlegten, sondern er rechnete fest damit.

„Mehr als auf jede andere Fähigkeit“, erklärt er, „verlassen sich die SEALs auf dieses Verschmelzen des Bewusstseins. In der Lage zu sein, diesen Schalter umzulegen – das ist das eigentliche Geheimnis eines SEALs.“

Die hohen Kosten für Ninja-Attentäter


Es kostet ungefähr 25.000 Dollar,6 einen Joe Normalverbraucher in einen kampfbereiten U.S.-Marine zu verwandeln. SEALs kosten inzwischen sehr viel mehr. Die Schätzungen für acht Wochen7 Navy-Grundausbildung, sechs Monate Unterwasserausbildung zum Kampfschwimmer, sechs Monate Arbeit an fortgeschrittenen Fähigkeiten sowie 18 Monate Zugausbildung vor dem ersten Einsatz – was alles erforderlich ist, um einen SEAL einsatzbereit zu machen – belaufen sich auf rund 500.000 Dollar pro Kopf. Das heißt, die Navy SEALs gehören zu den teuersten jemals zusammengestellten Frontkämpfertruppen.

Und das sind nur die Kosten für die Ausbildung von Feld-Wald-und-Wiesen-Ninjas. Um es in die Eliteeinheit DEVGRU zu schaffen, muss man sich zuerst in einigen anderen SEAL-Teams bewähren (von denen es insgesamt neun gibt). Da es ungefähr eine Million Dollar pro Jahr kostet8, einen Froschmann in Alarmbereitschaft zu halten, und diese Rotationen bis zu ihrem Abschluss einige Jahre beanspruchen, kommen weitere zweieinhalb Millionen Dollar zur Rechnung hinzu. Schließlich stehen noch ein paar zusätzliche Monate Geiselbefreiungstraining an, was die Spezialität von DEVGRU ist und pro Mann noch mal 250.000 Dollar kostet. Rechnet man das alles zusammen, dann waren die paar Dutzend Mann unter dem Kommando von Rich Davis, die SEAL-Einheit, die beauftragt war, Al-Wazu nur gefangenzunehmen und nicht zu töten, eine außergewöhnlich gut geölte, 85 Millionen Dollar teure Maschine.

Was bekommen also die amerikanischen Steuerzahler für ihr Geld?

Angemessen wäre es, mit der Arbeitsplatzbeschreibung selbst anzufangen, oder sagen wir lieber, mit ihrem Nichtvorhandensein. SEALs sind Multifunktionswerkzeuge. Auf ihrer offiziellen Website9 steht: „Für einen Navy SEAL gibt es keinen typischen ‚Büroalltag‘. SEALs lernen ständig...

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