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Sterbliche Götter - göttliche Menschen

Psalm 82 und seine frühchristlichen Deutungen

AutorChristian Gers-Uphaus
VerlagVerlag Katholisches Bibelwerk
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl336 Seiten
ISBN9783460510715
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Psalm 82 gilt als einer der 'spektakulärsten Texte des Alten Testaments' (Erich Zenger). Der konkrete Anlass für die Beschäftigung mit ihm liegt in der Debatte um den Monotheismus, in der er eine zentrale Rolle spielt, verkündet er doch nichts geringeres als den Tod der anderen Götter. Die Studie zeigt drei verschiedene Verständnismodelle auf, die der Psalm im rahmen seiner Rezeption erfährt.

Christian Gers-Uphaus, Studium in Münster und Rom, 2012 Diplom in Katholischer Theologie, 2015 Master in Antike Kulturen des östlichen Mittelmeerraums, ist Promovend im Neuen Testament.

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Leseprobe

2Alttestamentliche Grundlagen und Hintergründe


In Abgrenzung und Ergänzung zu den einführenden Überlegungen zu Umgang und Rezeption von Ps 82 im Kontext der heutigen Monotheismusdebatte richtet der erste Abschnitt (2.1) den Fokus auf eine stärker inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Psalmtext vor dem Hintergrund der Debatte um den Monotheismus Israels. Die Überlegungen werden sich an dieser Stelle jedoch auf religionsgeschichtliche ‚Spuren‘, die zu Ps 82 führen, beschränken, um der nachfolgenden exegetischen Analyse nicht vorzugreifen. Ausgangspunkt der Analyse wird dann der Psalm in seiner hebräischen Fassung sein (2.2). Anhand der einschlägigen Kommentare und der Forschungsliteratur1 sollen die wesentlichen exegetischen Fragestellungen erörtert werden (2.3), die anschließend in einen Antwortversuch bezüglich der inhaltlichen Aussage des Psalms münden (2.4). Eine Zwischenbilanz (2.5) wird die Überlegungen dieses ersten inhaltlichen Kapitels abrunden.

2.1Monotheismusdebatte (II) – JHWH der einzige Gott


Wie (zeitlich gesehen später) im Falle des Christentums im Hinblick auf Interaktionen mit der spätantiken Welt2 hat man sich auch hinsichtlich des Volkes Israel in biblischer Zeit von der Vorstellung eines monolithisch-polytheistischen3 paganen Umweltmilieus zu lösen, da diese Charakterisierung dem Sachverhalt nicht völlig gerecht wird. Gewisse Phänomene sind damit nämlich nicht hinreichend zu erfassen, wie z. B. ein in der altorientalischen Religionswelt nicht selten anzutreffendes Schema vom Aufsteigen eines bestimmten Gottes zum Vorsitz resp. an die Spitze des Götterpantheons (bspw. für Marduk im babylonischen und Baal im ugaritischen Pantheon belegt).4 Ps 82 arbeitet hier nach einer ersten Lektüre möglicherweise mit dieser Vorstellungswelt.5 Zudem muss man sich mit der Tatsache konfrontiert wissen, dass methodisch – im Unterschied bspw. zu späteren christlichen Gruppierungen – nicht bereits von einem elaborierten (einem theologisch reflektierten) Monotheismus für das Volk Israel ausgegangen werden kann (jedenfalls nicht für die vorexilische Zeit),6 der mit der Umwelt interagiert haben könnte.7

Die inzwischen aufgeworfenen Forschungsthesen zum biblischen Monotheismus haben fraglos einer gewissen Unübersichtlichkeit des Themas Vorschub geleistet. Insofern mag man auch durchaus von Monotheismusdebatten sprechen dürfen. Deren Komplexität abzubilden, ist im Folgenden jedoch nicht die Absicht. Vielmehr soll das Ziel darin bestehen, den Konsens dieser Debatten kurz zu umreißen: Dieser scheint nämlich darin zu bestehen, dass man in puncto biblischer Monotheismus auf jeden Fall mit einer (komplexen) Entwicklung im Rahmen der Verwebungen der Religion Israels mit seiner altorientalischen, religiösen Umwelt zu rechnen hat.8 Hinsichtlich der frühen Anfänge der vorstaatlichen Zeit hat man heute nach religionswissenschaftlichen und soziologischen Erkenntnissen nicht mehr von einer homogenen Größe ‚Israel‘ auszugehen, die sich monolatrisch an JHWH gebunden wusste (‚JHWH-Amphiktyonie‘), sondern von einer Art ‚Mischgesellschaft‘, die sich im Land Kanaan selbst entwickelte und unter religionsgeschichtlichen Gesichtspunkten durchaus ‚polytheistische‘ Merkmale aufwies (wie immer das auch einzuordnen ist).9

Bei der Herausbildung des eigentlichen JHWH-Monotheismus hat man nun offenbar von mehreren ‚Schüben‘ auszugehen:10 JHWH, dessen Name sich sehr wahrscheinlich von der hebräischen Wurzel („fallen“/ „wehen“//„werden“)11 – einer möglichen Nebenform zum Homonym („sein“) – ableitet, war ein Sturm- und Kampfgott12 aus der Edom-Gegend, der gleichzeitig eine Schutzgottheit der Schasu war, die als ‚Sippenverband‘ vornehmlich das Gebiet südöstlich und südwestlich des Toten Meeres bewohnten.13 Auseinandersetzungen dieser Gruppe mit der ägyptischen Großmacht führten nicht nur zu Deportationen einiger Schasu, sondern auch zu Arbeitsverpflichtungen in der ägyptischen Provinz Kanaan selbst. Nach dem Zusammenbrechen der ägyptischen Oberhoheit sowie der kanaanäischen Stadtkönigtümer um 1200 v. Chr. im südlichen und mittleren Palästina wurde diese neue politische Freiheit sehr wahrscheinlich auch ‚theologisch‘ interpretiert, so dass man in JHWH einen (göttlichen) Befreier aus der Hand Ägyptens erblickte.14 Diese neue Botschaft wurde dann – vermutlich durch eine Schasu-Gruppe, deren Vorfahren als Sklaven nach Ägypten verschleppt worden waren, selbst initiiert – als eine Art ‚Befreiungsgeschichte‘ Teil15 der sich neu formierenden Gemeinschaft ‚Israel‘.16 Eine unter religionsgeschichtlichen Aspekten betrachtet markante Veränderung stellt JHWHs Einnahme der Position des Reichs- und Staatsgottes unter David, der seinen Kult nach Jerusalem brachte,17 und Salomo dar. JHWH kam nun nicht mehr nur die Qualität eines Staats- und Nationalgottes zu, die ein personales Verhältnis zu Israel zum Ausdruck brachte. Vielmehr war die Beziehung zwischen JHWH und dem König seitdem ebenso exklusiv, was sich in Vorstellungen über ihn als ‚Sohn‘-JHWHs niederschlug. Religionsphänomenologisch bedeutend (sowie im Hinblick auf die Psalmauslegung der folgenden Abschnitte interessant) ist die Tatsache, dass dieser ‚neue‘ Gott Jerusalems im Laufe der Zeit Elemente anderer Götterkulte integrierte und transformierte. Aufgrund seines Einwohnens im Jerusalemer Tempel neben dem früheren Sonnengott Schemesch übernahm JHWH peu à peu dessen ‚Kompetenzen‘ und Symbolwelt.18 Ferner lässt sich die Integration von Elementen des Baal- sowie des El-Kultes beobachten, wofür Ps 29 ein eindrückliches Beispiel liefert.19 Dieser Vorgang der ‚Jahwesierung‘ fremder Elemente und Rituale blieb nun nicht nur auf die Jerusalemer Tempeltheologie beschränkt, sondern lässt sich auch im Bereich der lokalen Kulte nachweisen, wie für einige Festtraditionen und die Bestattungskultur nachgewiesen werden konnte.20 Parallel vollzog sich gegenüber diesen Gottheiten ein Prozess der Abgrenzung, der sich mit dem Beginn der assyrischen Oberhoheit über Israel zu intensivieren begann, da man sich in den eigenen religiösen Wurzeln bedroht sah. Höhepunkt einer sich daran anschließenden „JHWH-allein-Verehrung“21 war im Jahre 622 v. Chr. die joschijanische Kultreform,22 die insbesondere in der (literarischen) Gestalt des Deuteronomium (Dtn 6–28*) ihren Ausdruck fand und somit als „Grundgesetz“23 des damaligen Israel diente. Dtn 6,4–9 forderte nunmehr eine exklusive Bindung Israels an JHWH ein und verlangte damit in der Folge eine monolatrische Praxis.24 Dezidiert monotheistische Texte, die von der Nichtexistenz der anderen Götter sprechen, finden sich jedoch erst nachexilisch in den Kapiteln 40–48 des Jesaja-Buches und der exilischen Theologie der Priesterschrift.

In welcher Hinsicht sind diese religionsgeschichtlichen Überlegungen im Hinblick auf die Analyse von Ps 82 nun relevant? Wie an einigen Stellen bereits kurz angemerkt, scheinen in ihm prout iacet mehrere der angedeuteten Assoziationen verarbeitet zu sein: die altorientalische Vorstellung eines Götterpantheons mit einem höchsten Gott an der Spitze, die Bindung bestimmter Territorien an einzelne Götter25 sowie der Aufstieg eines Gottes zum neuen Haupt des Pantheons. Ob und inwiefern diese ‚Verwebungen‘ zu Recht reklamiert werden, wird die folgende exegetische Analyse zeigen.

2.2Psalm 82 in seiner hebräischen Fassung


Steigt man näher in die Beschäftigung mit Ps 82 ein, sieht man sich, zumindest im Hinblick auf etwaige ‚neue‘ Aspekte, die man dem Psalm abgewinnen könnte, wohl dem Versuch einer Quadratur des Kreises ausgesetzt, sofern man folgendem Verdikt Glauben schenken möchte:

„Ps 82 gleicht einem gut durchpflügten Acker. Wer sich daran macht, die Pflugschar erneut anzusetzen, läuft Gefahr, nur...

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