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Vermittlung von prosozialem Verhalten bei Kindern und Jugendlichen durch ein präventives Training mit erlebnisorientierten Medien

Erstellung und Durchführung eines handlungsorientierten Trainings

AutorKatrin Kretschmer
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl71 Seiten
ISBN9783640589487
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis20,99 EUR
Wissenschaftlicher Aufsatz aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,3, Universität Duisburg-Essen (Bildungswissenschaften), Sprache: Deutsch, Abstract: Als Sozialarbeiterin und insbesondere als Anti- Gewalt- Trainerin treffe ich oft auf Kinder und Jugendliche die aus verschiedenen Gründen Schwierigkeiten haben sich prosozial zu verhalten, was langfristig zu Problemen in Schule, Ausbildung oder Beruf führen kann. Ich habe verschiedene Möglichkeiten kennen gelernt mit denen man junge Menschen mit solchen Verhaltensmustern unterstützen kann. Dabei tat sich bei mir immer wieder die Frage auf, wie es möglich ist Kindern frühzeitig prosoziales Verhalten zu vermitteln um ihnen viele negative Erfahrungen, die sie durch ihr Verhalten erleben, zu ersparen. Mein Interesse für solche präventiven Angebote führte mich dann zu dem Thema der vorliegenden Arbeit, in der ich ein präventives Konzept zur Vermittlung von prosozialem Verhaltens vorstellen möchte. Um präventiv arbeiten zu können, ist es wichtig die Entstehungsgeschichte bestimmter Verhaltensweisen zu kennen. Deshalb beschäftige ich mich im ersten Kapitel mit den Begriffen prosoziales Verhalten, soziale Kompetenzen und soziale Fertigkeiten, ihrer Abgrenzung voneinander sowie der Entwicklung solcher Kompetenzen. Ebenso erläutere ich die Begriffe, Kategorisierung und Entstehung des gegenteiligen Verhaltens, was als dissozialen oder abweichend bezeichnet wird. Zentrale Themen sind dabei die Risiko- und Schutzfaktoren, also die Einflussgrößen bei der Entstehung dissozialen Verhaltens. Nachdem die Begrifflichkeiten erläutert sind, werde ich im vierten Kapitel beschreiben wie diese Kompetenzen bisher in Deutschland an Kinder und Jugendliche vermittelt werden, welche Probleme bei dieser Art der Vermittlung zu erkennen sind und welche Ansätze es außerdem noch gibt. Ausgehend von diesen Ansatzpunkten und dem Wissen über die Entstehung von dissozialem Verhalten wird dann im letzten Kapitel das Präventivprogramm 'SAMS' vorgestellt

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Leseprobe

3. Abweichendes Verhalten


 

Nicht alle Kinder zeigen prosoziales Verhalten wie es in 2.5 beschrieben wurde. Wenn sich ihr Verhalten stark von dem anderer Kinder unterscheidet und das verschiedenen Bezugspersonen unabhängig voneinander auffällt, spreche ich von „abweichendem Verhalten“. Wie solche Verhaltensmuster genau definiert und eingeordnet werden, welche Risikofaktoren solche Entwicklungen begünstigen und welche protektiven Faktoren die Wirkung dieser Risiken dämpfen, wird in den folgenden Texten beschrieben.

 

3.1 Begriffsdefinitionen

 

Wie schon bei dem Thema des prosozialen Verhaltens werden auch hier mehrere Begriffe synonym oder widersprüchlich verwendet. In der Literatur werden hauptsächlich die Begriffe „abweichendes“, „dissoziales“, „deviantes“, „delinquentes“, „aggressives“, „antisoziales“ und „kriminelles“ Verhalten benutzt.[32] Die folgenden Kapitel werden sich an der Definition von Beelmann und Raabe orientieren, die diese Begriffe einander zu- und unterordnen:

 

“Als dissoziales Verhalten (im Englischen auch antisocial behaviour) wird eine größere Anzahl unterschiedlicher Problemverhaltensweisen bezeichnet, deren gemeinsames Kennzeichen die Verletzung von altersgemäßen sozialen Erwartungen, Regeln und informellen wie formellen Normen ist. Zusammengefasst werden damit vor allem vier Gruppen von Problemverhaltensweisen, nämlich oppositionelles, aggressives, delinquentes und kriminelles Verhalten von Kindern und Jugendlichen, das sich zum Beispiel in Wutanfällen, Schlagen, Bedrohen, Lügen, Stehlen, Stören, Schule schwänzen, Vandalismus, Drogenkonsum und anderem äußert.“[33]

 

Kinder mit oppositionellem Verhalten sind sehr streitlustig gegenüber Erwachsenen, verlieren häufig ihre Selbstbeherrschung und geraten leicht über andere in Zorn.[34] Aggressivität ist dagegen ein Verhalten, hinter dem die Absicht steht einer anderen Person Schaden zuzufügen oder ein Objekt zu zerstören.[35] Unter delinquentem Verhalten werden viele verschiedene Konzepte zusammengefasst: Im Folgenden wird damit ein Verhalten bezeichnet, das gegen geltende Normen verstößt, aber nicht unbedingt strafrechtlich relevant ist wie zum Beispiel das Schwänzen der Schule.[36]

 

Kriminelles Verhalten umfasst ebenso viele verschiedene Taten, beinhaltet aber nur die, die gegen geltende Rechtsnormen verstoßen, sodass eine strafrechtliche Verfolgung eingeleitet werden muss. Die ebenso häufig verwendeten Begriffe des antisozialen, devianten oder des abweichenden Verhaltens werden meist auch als Oberbegriff für diese verschiedenen Formen von Problemverhalten genutzt.[37] Obwohl die darunterfallenden Verhaltensweisen so unterschiedlich sind, werde ich in den folgenden Erläuterungen weiterhin diese genannten zusammenfassenden Begriffe nutzen, da viele der beschriebenen Verhaltensweisen gleichzeitig auftreten und in ihrer Entwicklung und Entstehung zusammenhängen, somit also selten einzeln zu betrachten sind.

 

Wie bereits erläutert, sind sowohl das Kindes- als auch das Jugendalter schwierige Phasen mit vielen Entwicklungsaufgaben. Es kommt häufiger vor, dass Kinder oder Jugendliche sich nicht so verhalten, wie es ihre Bezugspersonen, meist die Eltern, gerne hätten. Auch kriminelles Verhalten tritt manchmal auf, trotzdem werden nicht alle diese Jugendlichen als dissozial bezeichnet. Es scheint also nicht einfach zu sein, normales Verhalten von auffälligem zu unterscheiden.

 

„Wenn also Auffälligkeit und Normalität so relativ dicht beieinanderliegen, muss nach den Kriterien psychischer Störungen gefragt werden. Sind diese bekannt, so verlangt jede wissenschaftliche Betrachtung, dass die derart definierten Störungsbilder in ein Ordnungssystem gebracht werden.“[38]

 

Es ist also notwendig Kriterien für auffälliges Verhalten zu finden, um es dann genau zu klassifizieren: Als Kriterien für abnormales Verhalten nennt Steinhausen die Angemessenheit hinsichtlich des Alters und Geschlechts, Persistenz, gegebene Lebensumstände, soziokulturelle Gegebenheiten, das Ausmaß der Störung, die Art, der Schweregrad und die Häufigkeit des Symptoms, Verhaltensänderungen und zuletzt die Situationsspezifität. Um die Abnormalität eines Verhaltens zu beurteilen, sind dann immer mehrere dieser Merkmale notwendig. Ergänzt werden sie durch das Ausmaß der Beeinträchtigung des Kindes selber.[39]

 

Um die Klassifikationsmöglichkeiten zu erläutern, bediene ich mich hier den bekannten, empirisch fundierten Klassifikationsansätzen: Man unterscheidet zwischen den empirisch-taxonomischen Systematisierungsansätzen und den klinisch-kategorialen Verfahren. Empirisch-taxonomische Ansätze fassen einzelne Problemverhaltensweisen durch dimensionale Verfahren zu Symptomgruppen zusammen, wohingegen sich klinisch-kategoriale Verfahren auf Verhaltenssyndrome beziehen, die den Störungsdefinitionen internationaler psychiatrischer Klassifikationssysteme wie DSM-IV und ICD-10 entsprechen.[40] Achenbach und Mitarbeiter haben nach der ersteren Variante eine Systematisierung erarbeitet, sie unterscheiden in internalisierende Symptome wie Ängstlichkeit, Depression oder psychosomatische Störungen und externalisierende wie Aggression und Delinqenz. Aggressive Symptome beinhalten nach Achenbach oppositionelles Verhalten und hauptsächlich offene Problemverhaltensweisen wie Schlagen, Kämpfen und Wutanfälle. Delinquentes Verhalten dagegen wird hier als verdeckt bezeichnet, darunter fallen zum Beispiel Lügen, Stehlen und Drogenkonsum.[41]

 

Beelmann und Raabe schlussfolgern daraus:

 

„Der Begriff des externalisierenden Verhaltens ist demnach ebenfalls eine übergeordnete Bezeichnung bestimmer Formen problematischen Verhaltens und entspricht insofern dissozialem Verhalten, wenngleich er häufig ohne eine explizite Berücksichtigung krimineller Verhaltensweisen verwendet wird.“[42]

 

Neben den externalisierenden und internalisierenden Symptomgruppen nennen Aschenbach und Mitarbeiter auch noch eine gemischte Gruppe. Auch andere faktorenanalytische Untersuchungen zur Systematisierung von abweichendem Verhalten kommen zu ähnlichen Ergebnissen und ordnen das Verhalten anhand der Dimensionen offenes bis verdecktes Problemverhalten ein, wohingegen sich klinisch-kategoriale Ansätze, wie bereits beschrieben, auf klinisch relevante Verhaltensstörungen nach der DSM-IV oder der ICD-10 beziehen. Für deren Diagnosestellung muss eine bestimmte Anzahl, Intensität und Dauer der Probleme vorliegen:

 

Die DSM-IV unterscheidet zwischen Störungen des Sozialverhaltens und Störungen mit oppositionellem Trotzverhalten. Erstere liegen vor, wenn mindestens drei Verhaltensweisen aus den Bereichen aggressives Verhalten gegenüber Menschen und Tieren, zum Beispiel Bedrohen, Einschüchtern, Tiere quälen, Eigentum zerstören, Betrügen oder Stehlen und schwere Regelverstöße während der letzten 12 Monate auftraten, wobei das Verhalten mindestens sechs Monate andauern muss. Eine Störung mit oppositionellem Trotzverhalten ist zu diagnostizieren, wenn ein mindestens sechs Monate anhaltendes Muster von negativistischem, feindseligem und trotzigem Verhalten mit vier oder mehr Symptomen zu erkennen ist. Symptome wären zum Beispiel, dass das Kind schnell ärgerlich wird, sich viel mit Erwachsenen streitet und häufig wütend und beleidigt ist. Die Diagnose wird nur gestellt, wenn eine Störung des Sozialverhaltens ausgeschlossen ist. Für beide Diagnosen gelten neben weiteren Ausschlussdiagnosen wie geistiger Behinderung zudem, dass die Muster klinisch bedeutsame Beeinträchtigungen in sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsbereichen zur Folge haben.[43] Bei beiden finden sich zentrale Merkmale des zu Beginn definierten dissozialen Verhaltens wieder, einzelne dissoziale Verhaltensweisen treten auch in der Kategorie Aufmerksamkeitsstörungen auf. Eine der DSM-IV ähnliche Klassifikation findet man in der ICD-10, dort sind die Störungen des Sozialverhaltens eingeteilt in:

 

auf den familiären Rahmen beschränkte Störung des Sozialverhaltens

 

Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen Bindungen

 

Störung des Sozialverhaltens bei vorhandenen sozialen Bindungen

 

Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem, aufsässigen Verhalten

 

Darüber hinaus wird mehr Wert auf komorbide Störungen gelegt, es finden sich zum Beispiel die hyperkinetische Störung und eine kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen.[44] Beide Klassifikationssysteme weisen trotz einer weitgehenden Vergleichbarkeit in den Symptomkriterien wichtige Unterschiede auf, da die DSM-IV Störungen des Sozialverhaltens und oppositionelles Verhalten getrennt nennt, in der ICD-10 ist oppositionelles Verhalten ein Unterpunkt des problematischen Sozialverhaltens. In der Praxis sind beide Ansätze schwer zu handhaben, da eine eindeutige Einordnung in eine der Kategorien aufgrund der komplexen Symptome häufig nicht möglich ist. Ein weiteres Problem ist die geforderte Intensität, die gerade bei Kindern oft noch nicht vorliegt.

 

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