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Welche Pflege brauchen Menschen mit Behinderung?

Bedeutung der Pflegekompetenz für die Heilerziehungspflege

AutorElke Zech
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl81 Seiten
ISBN9783640590209
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Gesundheit - Menschen mit Behinderung, Note: 2,3, Hochschule Ravensburg-Weingarten (Fachbereich Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege Studiengang Pflegepädagogik), Sprache: Deutsch, Abstract: Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, Informationen zum Untersuchungsgegenstand, welche Pflege brauchen Menschen mit Behinderung und die Bedeutung der Pflegekompetenz für die Heilerziehungspflege, zu erfassen. Das Besondere, das Spezifische in der Pflege von Menschen mit Behinderung soll dabei herauskristallisiert werden. Methode: Experteninterviews im Bereich der Pflege in der Heilerziehungspflege.

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Leseprobe

4 Theoretische Begriffsklärung


 

Folgende Begriffe werden aus verschiedenen Perspektiven und Hintergründen erläutert: Behinderung, geistige Behinderung, Eingliederungshilfe, Kompetenzen, Pflege und Pflegekompetenz.

 

Im allgemeinen Sprachgebrauch besteht ein Konsens der hier dargestellten Begriffe. Sie führen jedoch, da es keine absoluten Definitionen gibt, immer wieder zu Verwirrungen, Missverständnissen und zu Stigmatisierungen. In den unterschiedlichen Fachdisziplinen bestehen keine übergreifenden Einigungen und Definitionen der Begriffe (vgl. FRINGER 2004:17). Die anschließenden Erläuterungen sind als ein Annäherungsversuch zu betrachten und stellen Aspekte der Vielfältigkeit und Tragweite dar.

 

4.1 Behinderung


 

„Gesellschaften formen Begriffe, und diese beeinflussen wiederum das Dasein des Einzelnen" (vgl. RIEGLER 2006: 9).

 

Für den Begriff Behinderung gibt es keine eindeutige Definition. Je nach historischem, kulturellem Hintergrund und nach wissenschaftlicher Disziplin werden unterschiedliche Formulierungen und Ansätze genutzt (vgl. HÄUßLER 1996; vgl. FORNEFELD 2008). Behinderung wird oftmals als Sammelbegriff verschiedener Phänomene verwandt, die unterschiedliche Probleme gesundheitlicher Art oder kognitiver Einschränkungen vertreten (vgl. SCHNEIDER 2001). Seit 1960 diskutieren die verschiedenen Wissenschaften um Einteilung bzw. Abgrenzung (vgl. FORNEFELD 2008: 59). Die ehemals vorwiegend medizinische Betrachtungsweise und Definition von Behinderung, welche geprägt ist vom Krankheitsschemata, deren Ursachen und Wirkungen, geht von organischen Defekten, physiologischen Besonderheiten oder analog verursachten Schädigungen, Krankheiten und deren Folgen aus. Beschränkungen der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sind nach diesem Ansatz überwiegend eine Folge der individuellen Beeinträchtigung (vgl. SCHNEIDER 2001). In Deutschland wurde am 1. Juli 2001 im SGB IX der Begriff Behinderung neu definiert: „Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist." ( § 2 Abs 1 SGB IX).

 

Diese Klassifikation, die die Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung gewährleisten will, gründet sich auf die Behinderungsdefinition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und orientiert sich eng an deren internationaler Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF). Die ICF legt ein dynamisches Modell zugrunde, das eine Gesamtsicht und nicht nur eine Krankheitsfolgenbeschreibung aller biologischen, sozialen und individuellen Einflussfaktoren von "Behinderung" gestattet. Die sozialen Beeinträchtigungen und der Einfluss von Umweltfaktoren zählen ebenfalls dazu (vgl. ICF 2005: 5). Behinderung wird von der ICF als Oberbegriff betrachtet für: „Schädigung, Beeinträchtigung der Aktivität und Beeinträchtigung der Partizipation" (vgl. ICF 2005: 9).

 

Zusammenfassung:

 

Die neue Definition im SGB IX versucht den ganzheitlichen Ansatz des ICF zu übernehmen und verbindet mit dem Aspekt der „Teilhabe" die Interessen der unterschiedlichen Behindertengruppierungen und -verbände (vgl. BERICHT DER BUNDESREGIERUNG 2004: 4). Sie bietet einen Ansatz zur Normalisierung der Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft. Der Terminus Behinderung hat bis heute keine eindeutige Definition erfahren, aber die Welt-Gesundheitsorganisation (WHO) mit der internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) bemüht sich um weitere Klärung.

 

4.2 Geistige Behinderung


 

Der Fokus der vorliegenden Arbeit richtet sich auf anthroposophischen Lebensgemeinschaften für Menschen mit Behinderung. Was steht hinter dem Begriff geistige Behinderung? Welche Aussagen werden über Menschen mit einer geistigen Behinderung getroffen? Welche Haltungen stehen dahinter? Noch bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts fungierten Krüppel, Idiot, Depp, Schwachsinniger und weitere Begriffe als Bezeichnung für Menschen mit einer geistigen Behinderung (vgl. BRADL 1991).

 

Der Begriff „geistig behindert" hat sich in Deutschland 1958 durch die Gründung der Elternvereinigung „Lebenshilfe für geistige Behinderung" etabliert. Vereinzelt wurde er aber schon vorher angewandt. So sprach 1926 auf dem IX. Verbandstag der Hilfsschulen Deutschlands in München, der Hilfsschuldirektor M. Breitbarth aus Halle, von „geistig Behinderten" zur Unterscheidung von „körperlich Geschädigten" (vgl. SPECK 2005:43). Der Terminus „geistige Behinderung" lebt in der Alltags-, als auch in der Fachsprache. Die unterschiedlichen Domänen (Medizin, Psychologie, Soziologie, Heilpädagogik, Erziehungswissenschaft) vertreten verschiedene Ansätze und Definitionen (vgl. FORNEFELD 2008b: 59). Medizinisch betrachtet liegt in den meisten Fällen bei einer geistigen Behinderung eine psychophysische Schädigung des Gehirns zugrunde, die sich auf das Zusammenspiel von Organsystemen oder Körperfunktionen auswirken kann. Diese Schädigung hat in den meisten Fällen keinen voranschreitenden Charakter. Aufgrund dessen wird eine sogenannte geistige Behinderung nicht als Krankheit verstanden, sondern als eine spezielle Form des Seins (vgl. DING-GREINER, KRUSE 2004: 521). Die Folge der Hirnschädigung drückt sich in einer Minderung der Intelligenz aus. Die Bezeichnung „geistig Behinderte" wird heute weitgehend als diskriminierend erlebt (vgl. SPECK 2005: 46). Im allgemeinen Verständnis wird unter „geistig behindert" ein Defizit, ein Handikap, ein intellektuelles Problem verstanden (vgl. SKIBA 2003; SPECK 2005). Das Defizitäre, die intellektuelle Unzulänglichkeit tritt in den Vordergrund und bestimmt in den meisten Fällen das Lebensumfeld und die Lebensqualität von Menschen mit einer geistigen Behinderung. Der Intelligenzquotient (IQ) wird durch Intelligenztestverfahren beurteilt. Normabweichungen werden ermittelt und Klassifizierungen vorgenommen (vgl. SPECK 2005: 158). In diesem Sinne ist die geistige Behinderung eine sich im Schweregrad unterscheidende Weiterführung der Lernbehinderung. Ebenso sind häufig Besonderheiten im Verhalten oder der Art und Weise der Informationsverarbeitung und des Lernens zu beobachten. Auch eine allgemeine Entwicklungsverzögerung ist oftmals festzustellen sowie hinzukommende körperliche Behinderungen.

 

Dass diese Intelligenztests nicht unbedingt aussagekräftig sind und nie den ganzen Menschen mit einer geistigen Behinderung und seinen individuellen Einschränkungen und Bedürfnissen abbilden, wird von den verschiedenen Disziplinen nicht mehr in Frage gestellt (vgl. SPECK 2005). Die Einschätzung, wann ein Mensch als „geistig behindert" gilt, erfolgt fast immer aus der Fremdperspektive.

 

Die Haltung zu Menschen mit einer geistigen Behinderung war karitativ und medizinisch kurativ geprägt. In den 70er Jahren fand in der Behindertenhilfe ein Paradigmenwechsel statt. Dieser leitete die Normalisierung, Partizipation, Integration und Selbstbestimmung von Menschen mit einer geistigen Behinderung ein.

 

Ein weitere Definition wurde 1992 von der American Association of Mental Retardation (AARM), einer amerikanischen Vereinigung für Menschen mit geistiger Behinderung als weltweit größte Interessensvereinigung von Angehörigen und Freunden von Menschen mit geistiger Behinderung, vorgenommen. Sie formuliert, dass der Begriff geistige Behinderung heute nicht mehr als individuelles Merkmal eines Menschen verstanden werden kann, sondern als ein mehrdimensionales und relationales Phänomen (vgl. LINDMEIER 1993).

 

„Geistige Behinderung ist nicht etwas, was man hat - wie blaue Augen oder ein ,krankes' Herz. Geistige Behinderung ist auch nicht etwas, was man ist - wie etwa klein oder dünn zu sein. Sie ist weder eine gesundheitliche Störung noch eine psychische Krankheit. Sie ist vielmehr ein spezieller Zustand der Funktionsfähigkeit, der in der Kindheit beginnt und durch eine Begrenzung der Intelligenzfunktionen und der Fähigkeit zur Anpassung an die Umgebung gekennzeichnet ist. Geistige Behinderung spiegelt deshalb das Passungsverhältnis' zwischen den Möglichkeiten des Individuums und der Struktur und den Erwartungen seiner Umgebung wider" (AAMR 2002 zit. n. DRUDE 2008: 197).

 

Die Perspektive der Betrachtungsweise verlagert sich und sieht nicht mehr ausschließlich auf die Person, sondern vermehrt auf den Lebensbereich, in dem der Mensch mit einer geistigen Behinderung einer Begleitung oder Unterstützung bedarf und auf sein Umfeld. Das Problem ist nicht nur die angeborene oder erworbene geistige Behinderung, sondern häufig das gestörte Zusammenspiel von Mensch und Umgebung. Wenn der Fokus sich vermehrt auf den Lebensbereich richtet, können Probleme konkreter benannt werden und neue Wege der Problembearbeitung werden möglich Die AAMR folgert daraus, dass eine geistige Behinderung faktisch eine Einschränkungen der situativen Handlungsfähigkeit bedeutet. Die intellektuellen Begabungen sind charakteristisch unterdurchschnittlich entwickelt und demzufolge können unterschiedliche Probleme in verschiedenen Bereichen des alltäglichen Lebens entstehen (AAMR: 2001: 1). Aus heutiger Sicht treten auch in der deutschen Diskussion vier Aspekte hervor, welche die aktuelle Sichtweise...

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