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Welche Qualitätskriterien können in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit gegen Diskriminierung wirksam sein? Eine Analyse auf Grundlage existierender Studien und Konzepte

AutorClaudia Buchholz
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl94 Seiten
ISBN9783668092785
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,0, Fachhochschule Potsdam (Fachbereich Sozialwesen), Sprache: Deutsch, Abstract: Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Frage zu beantworten, welche Qualitätskriterien in Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit gegen Diskriminierung wirksam sein können. Auf Grundlage existierender Theorien, Studien und praxisbezogener Konzepte werden fachliche und auf nachvollziehbare Weise begründete, zentrale Qualitätskriterien formuliert. Diese sollen dazu beitragen, Benachteiligungen und Ausgrenzungen in der pädagogischen Praxis zu erkennen und auf professionelle Weise zu thematisieren beziehungsweise zu bearbeiten. Die verfolgte Intention besteht darin, einen einrichtungsinternen und einrichtungsübergreifenden Qualitätsentwicklungsprozess im Umgang mit Diskriminierung aber auch mit Vielfalt anzustoßen. Die in dieser Arbeit formulierten Kriterien fungieren dabei als fachlich begründeter Orientierungsrahmen, der es den Jugendfreizeiteinrichtungen und der Jugendarbeit im Allgemeinen ermöglicht, konkrete und kontextabhängige Handlungsschritte und -strategien zu entwickeln. Um sich diesem Ziel zu nähern, bedarf es eines umfassenden Verständnisses von Diskriminierung in all ihren Erscheinungsformen und Auswirkungen auf Betroffene. In der vorliegenden Arbeit wird Diskriminierung in ihrer strukturellen Verwobenheit auf individueller, institutioneller und kultureller Ebene betrachtet. Deren mögliche Auswirkungen werden im Hinblick auf die Gesundheit, die Persönlichkeitsentwicklung und die eingeschränkten Teilhabechancen junger Menschen beschrieben. Zur Erarbeitung konkreter fachlicher Qualitätskriterien, braucht es darüber hinaus ein grundlegendes Wissen über die Ursachen, Entstehungsmechanismen und Funktionen von diskriminierenden Verhaltensweisen auf individueller Ebene aber auch auf der Ebene von Intra- und Intergruppenkontexten. Dies gelingt durch das Heranziehen soziologischer und sozialpsychologischer Theorien, die sich u. a. mit der Entstehungen von Vorurteilen und Stereotypen aber auch mit Gruppenkonflikten und dem individuellen Selbstkonzept befassen. Darüber hinaus werden unter Einbeziehung pädagogischer Antidiskriminierungs- und Diversitätskonzepte gesellschaftlich verankerte Entstehungsmechanismen, Praktiken und Strukturen von Diskriminierung in den Blick genommen. Das Ergebnis dieser Arbeit ist ein umfassender Orientierungsrahmen, der Handlungsbedarfe und -möglichkeiten im Umgang mit Diskriminierung auf der Ebene der einzelnen Mitarbeiter_innen, des gesamten Teams aber auch der Jugendfreizeiteinrichtung, formuliert.

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Leseprobe

3 Diskriminierung


 

Von Diskriminierung zu sprechen, löst im Kontext der nationalsozialistischen Vergan-genheit oft Unbehagen und Widerstand aus. Da Diskriminierung im allgemeinen Sprachgebrauch meist auf absichtliche Handlungen einzelner Personen beschränkt wird, wird deren Thematisierung nicht selten als persönlicher Vorwurf aufgefasst und reflexhaft abgewehrt. Sowohl die Nichtthematisierung als auch die begriffliche Beschränkung von Diskriminierung auf das absichtliche Verhalten weniger verhindert eine rationale und wirkungsvolle Auseinandersetzung mit benachteiligenden und ausgrenzenden Realitäten. Die in der Praxis zuweilen verwendeten weniger aggressiv klingenden Bezeichnungen wie „Benachteiligung“, „Ausgrenzung“ oder „Ungleichbe-handlung“ können den Einstieg in das Thema erleichtern. Dennoch ist es für das Verständnis und die praktische Auseinandersetzung mit Diskriminierung bedeutsam, sich mit dem Begriff auseinanderzusetzen und zu erkennen, dass Diskriminierung mehr ist als ein individuelles Vorurteil oder Handeln Einzelner. Diskriminierung ist etwas, das alle Menschen betrifft und das daher alle Menschen angeht (vgl. Liebscher 2010, S. 26). In diesem Kapitel wird daher zunächst versucht, den Begriff „Diskriminie-rung“ aus u. a. soziologischer, psychologischer und rechtlicher Sicht zu definieren. Im Anschluss daran werden weitere Elemente von Diskriminierung wie deren Dimen-sionen, Ebenen, Formen aber aus Auswirkungen dargelegt.

 

3.1 Definitionen von Diskriminierung


 

Diskriminierung kurz, eindeutig und vor allem abschließend zu definieren ist schwierig, weil sie sich in einem weiten Spannungsfeld von Vorurteilen, Privilegien, gesellschaftlicher Chancen(un)gleichheit, Benachteiligung und individueller Selbst-wahrnehmung bewegt. Das Wort Diskriminierung stammt von dem lateinischen Wort „discriminare“ ab und bedeutet „trennen“ oder „unterscheiden“. Zu einer Diskriminie-rung wird diese Unterscheidung, wenn sie zu Würdeverletzungen oder zum Ausschluss an gesellschaftlicher Teilhabe führt (vgl. Liebscher 2010, S. 25).

 

3.1.1 Definition aus soziologischer Sicht


 

In der Soziologie wird von Diskriminierung gesprochen, „wenn aus dem Handeln individueller Akteure nachteilige Folgen für andere Akteure eintreten, weil sie diese aufgrund von wahrgenommener sozialer oder ethnischer Merkmale als ungleich bzw. minderwertig ansehen. Im Vergleich zu den Angehörigen des eigenen Kollektivs werden sie deswegen entsprechend abwertend behandelt. Ihre Möglichkeiten werden im gesellschaftlichen Zusammenhang beschränkt und diese Beschränkung wird als eine „natürliche“ begründet und gerechtfertigt.“ (Liebscher 2010, S.27).

 

Diese Definition formuliert Diskriminierung als ein Handeln von Individuen mit nachteiligen Folgen für andere. Dieses Handeln erfolgt auf Grundlage von ungleich-heitsideologischen Erklärungsmustern, welche die Gesellschaft in natürliche Über- und Unterordnungsverhältnisse ordnet und damit Wertigkeiten von Menschen begründet. Jeder Form von Diskriminierung liegt demnach eine Unterscheidung und darauf aufbauend eine Abwertung oder Benachteiligung aufgrund von individuell wahrgenom-menen sozialen oder ethnischen Merkmalen zu Grunde.

 

3.1.2 Definition aus psychologischer Sicht


 

Eine aus psychologischer Sicht einflussreichste Definition von Diskriminierung stammt von Allport (1954). Er schreibt: „Diskriminierung liegt vor, wenn einzelnen oder Grup-pen von Menschen die Gleichheit der Behandlung vorenthalten wird, die sie wünschen. Diskriminierung umfasst alles Verhalten, das auf Unterschieden sozialer oder natür-licher Art beruht, die keine Beziehung zu individuellen Fähigkeiten oder Verdiensten haben nach zu dem wirklichen Verhalten der individuellen Person.“ (Allport 1954b in Peterson 2008, S. 161).

 

Diese Definition bezieht sich auf eine allgemein formulierte Ungleichbehandlung von Individuen oder Gruppen basierend auf einer reduzierten und verallgemeinernden (stereotypen) Wahrnehmung ihrer Person/en. Als Begründung werden von Allport soziale oder natürliche Unterschiede benannt, die in seiner Definition allerding nicht weiter präzisiert werden. Er trägt damit dem Umstand Rechnung, dass Personen dadurch benachteiligt werden, dass sie nicht in ihrer Individualität sondern lediglich als Vertreter_innen einer bestimmten Gruppe wahrgenommen werden.

 

Die beiden bisher aufgeführten Definitionen beschränken sich in ihren Ausführungen auf diskriminierende Handlungen zwischen einzelnen Akteuren bzw. Gruppen und begrenzen Diskriminierung daher auf eine Randerscheinung zwischen Einzelpersonen. Dies blendet allerdings die tiefe Verwurzelung von diskriminierenden Strukturen innerhalb der Gesellschaft aus. Auf institutioneller und kultureller Ebene werden hier unter anderem Normalitätsvorstellungen, Vorurteile und Stigmatisierungen sowie damit verbundene gesellschaftliche Ausschlüsse (re-)produziert, aufrechterhalten und gefestigt (vgl. Czollek 2012, S.11).

 

3.1.3 Definition aus juristischer Sicht


 

„Die juristische Definition beschreibt Diskriminierung als ungleiche Behandlung ohne sachlichen Grund oder als Herabwürdigung wegen eines wesentlichen, nicht oder nur schwer aufgebbaren Identitätsmerkmals der betreffenden Person.“ (Liebscher 2010, S.27). Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) unterscheidet begrifflich zwischen mittelbarer und unmittelbarer Benachteiligung und schließt damit zumindest grundlegend eine strukturell bedingte Einflussnahme auf benachteiligende Praktiken ein. So schreibt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in § 3:

 

„(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. […]

 

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

 

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidi-gungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.“

 

Die in § 1 AGG benannten Gründe für eine Benachteiligung liegen in der Rasse oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Be-hinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Diese abschließende Aufzählung von Gründen erfasst allerdings nicht alle Merkmale, aufgrund derer Menschen in unserer Gesellschaft diskriminiert werden. So werden beispielsweise klassenbezogene (Klassismus) oder auf das Aussehen bezogene (Lookismus) Formen von Diskriminie-rung nicht erfasst (vgl. Scherr 2010, S. 43). Darüber hinaus wird nicht der Gegebenheit Rechnung getragen, dass Gründe für Diskriminierung, in Form von Stereotypen und Vorurteilen, gesellschaftlich (re-)produziert werden und damit wandelbar sind. Sie las-sen sich demnach nicht abschließend festschreiben.

 

Nach der juristischen Definition liegt keine Diskriminierung vor, wenn es einen sach-lichen Grund für eine Ungleichbehandlung gibt. Dazu zählen zum Beispiel spezielle Schutzvorschriften für schwangere Frauen sowie für Kinder und Jugendliche (Alkohol- und Zigarettenverbot) oder auch sogenannte positive Maßnahmen nach § 5 AGG um bestehende Nachteile zu verhindern oder auszugleichen (vgl. Kapitel 5.1.3). Bei Ver-letzungen der Menschenwürde gibt es allerdings keinen sachlichen Grund so z. B. bei Beleidigungen oder Belästigungen von Menschen aufgrund bestimmter Merkmale (vgl. Liebscher 2010, S. 33).

 

3.1.4 Definition nach dem Social Justice und Diversity Konzept


 

Im Social Justice und Diversity Konzept von Czollek, Perko und Weinbach (2012) wird Diskriminierung verstanden als „die unterschiedliche Verteilung von und der be-schränkte Zugang zu Waren, Ressourcen, Dienstleistungen, Anerkennung sowie der eingeschränkte Zugang zu einer vollständigen, gleichberechtigten, gesellschaftlichen Partizipation – basierend auf individueller Zugehörigkeit zu partikularen, strukturell her-gestellten sozialen Gruppen.“ (Czollek 2012, S.94).

 

Die Autorinnen formulieren damit eine nicht einfache aber umfassende Definition von Diskriminierung. Sie nehmen darin Bezug auf die konstruktivistischen Entstehungs-muster und strukturellen Bedingungen von Diskriminierung. Darüber hinaus formulieren sie Diskriminierung auf vielfältige Art und Weise als fehlende partizipative Anerken-nungs- und Verteilungsgerechtigkeit. Damit gehen sie über ein reduzierendes Ver-ständnis von Diskriminierung als Handeln individueller Akteure weit hinaus. Zusätzlich verzichten sie im Gegensatz zum Allgemeinen...

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