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E-Book

Work-Life-Bullshit

Warum die Trennung von Arbeit und Leben in die Irre führt

AutorThomas Va?ek
VerlagRiemann
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783641106829
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Das wahre Leben beginnt nicht erst nach Feierabend
Hier ist es: Ein positives Buch über Arbeit! Der Burnout-Debatte stellt Thomas Va?ek die These entgegen, dass Arbeit nicht per se krank macht. Sie bindet in die Gesellschaft ein, stiftet Sinn und gibt Struktur. Die Work-Life-Balance dagegen ist ein Selbstbetrug, da sie den Arbeitnehmer nicht als handelndes Subjekt betrachtet und suggeriert, das wahre Leben beginne erst nach Feierabend. Arbeit ist aber das Zentrum unseres Lebens und das Herz unserer Gesellschaft. Arbeitszeit ist Lebenszeit.

Thomas Va?ek plädiert für eine radikale Neubewertung der Arbeit, auf individueller, ökonomischer und gesellschaftlicher Ebene. Denn: Der Wert der Arbeit hängt davon ab, was wir persönlich aus ihr machen und wie sich Politik und Gesellschaft ihrer annehmen, um sie als Lebensform sicherzustellen und Chancengleichheit zu gewährleisten.

Thomas Va?ek, geboren 1968 in Wien, ist Chefredakteur des neuen philosophischen Magazins Hohe Luft und Buchautor. Zuletzt erschien sein Buch 'Denkstücke: Lockerungsübungen für den philosophischen Verstand' im Suhrkamp Verlag (2012). Thomas Vasek lebt in München.

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Leseprobe

Einleitung

Ich liebe meine Arbeit. Ohne sie könnte ich nicht leben. Oft stehe ich frühmorgens auf, um schon mal was wegzuschaffen. Und am liebsten arbeite ich an Wochenenden oder im Urlaub, da habe ich am meisten Zeit. Bin ich ein Workaholic, ein Karrierist, ein Süchtiger, womöglich am Rande des Burnout?

Nichts von alledem. Meine Arbeit ist mir wichtig, sie macht mir Spaß, sie füllt mich aus. Es geht mir auch ums Geld. Aber nicht in erster Linie. Vor allem liebe ich das, was ich tue. Meine Arbeit fordert mich heraus. Sie erweitert meine Fähigkeiten, sie führt mich an meine Grenzen. Der Job bringt mich mit interessanten Menschen zusammen, die ich sonst nie kennenlernen würde. Meine Arbeit bildet mich, sie formt meinen Charakter, meine Persönlichkeit.

Sie macht mich zu dem, der ich bin.

In meinem Leben hatte ich schon viele Jobs. Gut bezahlte und schlecht bezahlte, erfüllende und sinnlose, leitende und untergeordnete, körperlich anstrengende wie intellektuell fordernde Jobs. Ich habe kranke alte Menschen gepflegt, als Kellner ausgeholfen, in Büros Kopierarbeiten erledigt und Werbeprospekte verteilt. Als investigativer Reporter habe ich Skandale aufgedeckt, als Autor ein paar Bücher geschrieben. Ich stand in Angestelltenverhältnissen und schlug mich durch als freier Journalist. Ich habe erlebt, wie es ist, monatelang auf Aufträge zu warten. Wie es ist, wenn plötzlich die EC-Karte gesperrt wird. Wenn man allein zu Hause sitzt und keine Anrufe kommen, keine Mail. Wenn man das Gefühl hat, für die Welt da draußen nicht mehr existent zu sein. Wenn man arbeiten will und nicht kann.

Heute bin ich Chefredakteur eines Philosophiemagazins – und könnte mir keinen schöneren, befriedigenderen und erfüllenderen Job vorstellen. Dabei arbeite ich mehr als je zuvor. Genau genommen, tue ich gar nicht sehr viel anderes. Und doch fühle ich mich weder krank noch erschöpft, geschweige denn ausgebrannt. Ganz im Gegenteil. Meine Arbeit fühlt sich gut und richtig an, sie motiviert mich Tag für Tag, sie bringt mich voran.

Das Gejammer über die Zumutungen der Arbeit kann ich nicht mehr hören. »Rettet den Feierabend«, titelt der Stern vom 7. Februar 2013. Das Leben brauche »Schutz vor dem Job«, so heißt es da, flankiert vom unvermeidlichen Interview mit einem Psychologen, der ein Buch über die »erschöpfte Gesellschaft« geschrieben hat. Die Zeit vom 17. Januar 2013 konstatiert eine neue Sehnsucht nach mehr Freizeit und fragt sich, ob die Workaholics nun »ausgedient« hätten. »Puschendeutschland«, lautet die Überschrift, unter der ein Paar plüschige Hausschuhe abgebildet sind. Und selbst das Wirtschaftsmagazin brandeins , das sonst gerne tatkräftige und arbeitswütige Start-up-Unternehmen feiert, wettert im Titelschwerpunkt der August-Ausgabe 2012 gegen die Arbeitsgesellschaft und propagiert »Nichtstun« und Müßiggang: »Zu tun, worauf man Lust hat, und nicht, was man muss – das ist eines der ältesten und wichtigsten Ziele der Menschheit.«

Unübersehbar ist auch die Flut an Büchern, die vor der »Burnout-Falle« warnen, vor Stress und anderen Gefahren des Arbeitslebens. Das Buch Dead Man Working 1 der britischen Arbeitswissenschaftler Carl Cederström und Peter Fleming beschreibt die Arbeitswelt gar als eine Art Todeszone von dressierten Zombies, die ihren Job bis ins Letzte verinnerlicht haben. Andere tragen Titel wie Hört auf zu arbeiten. Eine Anstiftung, das zu tun, was wirklich zähl t 2 von Anja Förster und Peter Kreuz oder Die 365-Tage-Freiheit 3 von Volker Kitz – mit dem griffigen Untertitel: Ihr Leben ist zu wertvoll, um es mit Arbeit zu verbringen .

»Work-Life-Balance«, so lautet die Losung der Stunde. Schluss mit der Maloche, mit Arbeitswut und protestantischer Askese: Der Job ist nicht alles. Wir müssen das Leben vor der Arbeit retten, unsere Seelen vor dem Burnout. So ist die Stimmungslage, der man sich kaum noch entziehen kann: Workaholics sind von gestern. Bloß nicht Arbeit und Freizeit vermischen. Gerne zeichnet man das Bild vom Hamsterrad, in das uns die kapitalistische Profitgier zwingt.

Tatsache ist: Die Menschen arbeiten heute weniger als je zuvor – und doch jammern sie darüber, dass sie kaum noch zum Leben kommen. Einst standen die Arbeiter zwölf Stunden und länger in der Fabrik, mit krummem Rücken und wunden Füßen, heute fühlen wir uns überfordert, weil wir zu viele Mails beantworten müssen. Früher kommandierten autoritäre Chefs ihre Mitarbeiter herum, heute herrschen in vielen Unternehmen Teamarbeit und flache Hierarchien. Arbeit – das hieß einmal monotone Fließbandarbeit, immer die gleichen Abläufe, stupide, abstumpfend und fremdbestimmt, diktiert vom Takt der Maschinen. Heute stressen uns angeblich Eigenverantwortung und Autonomie.

Meine Großmutter, eine kleine, zarte Frau, arbeitete in den Nachkriegsjahren in einem Lebensmittelgeschäft. Damals bedeutete das unter anderem, um vier Uhr morgens aufzustehen und schwere Milchkannen zu schleppen. Dennoch mochte sie die Arbeit, ihre Kunden, ihre Kolleginnen. Und trotz all der beschwerlichen Jahre bei miesem Lohn vermisste sie die Arbeit im Ruhestand. Ich weiß schon: Die Zeit, die Welt war damals eine andere. Und doch hilft es gelegentlich, sich daran zu erinnern, was Arbeit einmal bedeutet hat, wenn wir heute darüber klagen, dass sie unser Leben zerstört.

Wir arbeiten zu viel, so lautet der Tenor – und vergessen dabei, was wirklich wichtig ist. Der Job ha be zu viel Raum, zu viel Gewicht in unserem Leben. Die Überbewertung der Arbeit passt, wie es scheint, zum Bild einer wachstumsfixierten Ökonomie, die sich nur am Profitstreben orientiert – auf Kosten all jener Werte, die sich nur jenseits der Arbeit verwirklichen lassen, in Freizeit und Familie. Das Unbehagen ist dabei alles andere als neu. Die Kritik an der Arbeit hat eine lange und ehrwürdige Tradition, die zurückreicht bis zu Aristoteles (384 322 v. Chr.).

Unser Verhältnis zur Arbeit ist zutiefst paradox. Einerseits brauchen wir sie, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen und unseren Wohlstand zu sichern. Andererseits empfinden wir sie oft als Zumutung, als Mühe und Last. In vielfacher Hinsicht war Arbeit noch nie so gut wie heute. Und doch scheint es uns, als wäre sie schlimmer und trostloser denn je.

Dieses Buch ist eine Verteidigung der Arbeit. Es richtet sich gegen die allgegenwärtige Klage über die Zumutungen der Arbeitswelt, gegen das Mantra einer Kapitalismuskritik, die Arbeit auf Ausbeutung und Entfremdung reduziert – und gegen jene, die ein Grundeinkommen für die Lösung aller Probleme halten. Mein Herz schlägt für all jene, die arbeiten wollen. Für die fast sechs Millionen Arbeitslosen unter 25 in Europa, vor allem in Ländern wie Griechenland und Spanien. Für jene Jüngeren, die sich von einem Praktikum zum nächsten plagen, in der verzweifelten Hoffnung auf einen Job, der ihren Fähigkeiten und Ambitionen entspricht. Für jene Minijobber und befristet Beschäftigten, darunter viele Frauen, die sich nichts sehnlicher wünschen als eine Vollzeitstelle. Für jene Älteren, die gern weiter arbeiten würden – und die einfach niemand mehr haben will, trotz all ihrer Erfahrung.

Weder will ich den Kapitalismus abschaffen, noch schwärme ich von einem bedingungslosen Grundeinkommen oder von Nachbarschaftshilfe und Bürgerarbeit. Die Erwerbsarbeit halte ich in Grundzügen für ein bewährtes System, die Marktwirtschaft trotz aller Schwächen für ein Erfolgsmodell. Und doch träume ich von einer Revolution – von einer Revolution der Arbeit.

Arbeit ist existenziell. Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr davon – sinnvolle, gute Arbeit, die unseren Fähigkeiten und Bedürfnissen entspricht. Für gute Arbeit müssen wir auf die Barrikaden gehen – nicht für mehr Freizeit. Es geht nicht darum, früher Feierabend zu machen, sondern den Arbeitstag besser zu gestalten. Der beste Schutz vor Burnout ist Arbeit, die zu einem passt.

Work-Life-Balance, die Trennung von Arbeit und Leben, ist »Bullshit« – eine leere Formel, die uns in die Irre führt. Dahinter steht die konfuse Vorstellung, dass »Arbeit« und »Leben« verschiedene Dinge wären. Das ist schon begrifflicher Unsinn: Arbeit gehört zum Leben. Das ist eine Tatsache, ob sie uns passt oder nicht. Ohne zu leben, könnten wir gar nicht arbeiten. Also kann es auch keine »Balance« geben, keinen Ausgleich zwischen Leben und Arbeit.

Die neue Kritik an der Arbeit suggeriert uns:...

Blick ins Buch

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