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E-Book

Zürich

AutorMark van Huisseling
VerlagHoffmann und Campe Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl128 Seiten
ISBN9783455850659
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Über seine Stadt schreibt man mit so viel Leidenschaft wie über die Frau, die man liebt, sagt der Kolumnist der Weltwoche und erzählt über Geld, Zicken, den »richtigen« Stadtkreis, das Zürich der Zürcher und das der anderen. Bestreitbar wie die Qualität des Schnitzels in der Kronenhalle, erfrischend wie ein Bad im See!

Mark van Huisseling zählt zu den besten Kolumnisten der Schweiz - und ist einer der meistgehassten (Schweizer Illustrierte). In seinen Texten für Weltwoche, Welt am Sonntag oder GQ schreibt er über Berühmtheiten, seine Stadt und den Rest der Welt sowie über das, was in seinen Augen Stil, Haltung und Lebensart ausmacht. Dieses Buch über Zürich ist sein drittes Buch nach How To Be A Star und Wie man berühmte Menschen trifft.

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Leseprobe

Go (North-)East, Young Man


Zürich war immer gut zu mir. Das ist ein Satz, den man nicht oft hört in Zürich und in der Schweiz. Weil es genügend Gründe gibt, über die größte Stadt jedes Landes zu klagen. Oder weil er einem nicht in den Sinn kommt. Die, die klagen, sind in den meisten Fällen Menschen, die nicht in Zürich leben, sondern sonst wo in der Schweiz. Und die, denen es nicht in den Sinn kommt, darüber nachzudenken, ob eine Stadt gut oder schlecht ist zu ihnen, sind Menschen, die in der Stadt geboren wurden, wie selbstverständlich dort leben. Bleiben die, die nicht aus Zürich sind, die aus eigenem Antrieb in Zürich leben – die Zuwanderer. Einer wie ich also.

Ich komme aus Bern. Das habe ich mit Absicht so geschrieben und nicht, »ich bin Berner«. Bin ich zwar, wollte ich aber nicht sein, so lange ich zurückdenken kann. Schon als kleines Kind haben mich große Städte mehr angezogen und interessiert. Wenn ich mit meinen Eltern im Wagen in die Ferien reiste, viele Male nach Kärnten, Österreich, wo meine Mutter herkommt und wo es keine großen Städte gibt, fuhren wir ein kleines Stück durch Zürich. Damals gab es noch keine Umfahrung, die man nehmen konnte. Wenn man aus dem Westen der Schweiz oder aus dem Mittelland in das Graubünden im Osten oder eben nach Österreich wollte, hörte die Autobahn plötzlich auf – und man war in Zürich. Genauer, man war am Stadtrand, wo es Industriegebiete gibt zuerst, und danach befand man sich auf der Weststraße, die durch das Viertel führte, in dem die meisten Juden der Schweiz leben. Anschließend war man wieder auf der Autobahn. Und meinem Vater, der aus den Niederlanden in die Schweiz eingewandert war, ging es wieder besser. Weil Zürich hinter ihm lag und er sich nicht verfahren hatte. »Wenn du hier falsch abbiegst, bist du verkauft«, sagte er immer. Und im Grunde hoffte ich jedes Mal, dass er falsch abbiegen würde. Weil ich herausfinden wollte, was es bedeutete, verkauft zu sein. Und weil ich gern mehr gesehen hätte von Zürich. Die Ecken, durch die man fuhr, wenn man den Schildern, auf denen Transit stand, folgte, waren sozusagen die Achselhöhlen der Stadt. Das wusste ich zwar nicht, doch man merkte es, sogar als Neunjähriger. Wenigstens rochen die Achselhöhlen irgendwie gut, immerhin waren es die Achselhöhlen einer großen Stadt.

Jahre später, als ich ein junger Erwachsener war, musste ich Computerkurse besuchen für die Versicherungsgesellschaft, für die ich damals arbeitete. Die Computerkurse interessierten mich wenig, was keine gute Voraussetzung ist, wenn man eine Ausbildung zum Software-Entwickler macht. Dafür interessierte mich der Austragungsort: Die Kurse fanden in Zürich statt. Und der Abteilungsleiter der Versicherungsgesellschaft überließ es seinen Mitarbeitern, ob sie während der etwa zehn Wochen, die die Kurse zusammengenommen dauerten, im Hotel in Zürich wohnen oder abends retour nach Bern fahren wollten. Ich nahm ein Zimmer im Hotel in Zürich, klar. Und konnte jeden Tag nach Ende des Kurses die Stadt anschauen.

Was ich sah, gefiel mir. Gefiel mir so gut, dass ich entschied, in Zürich leben zu wollen, irgendwann einmal. Einen Eintrag im Kalender, an einem bestimmten Tag, an dem ich herziehen würde, konnte ich noch nicht vornehmen. Mir fehlte ein Grund dazu. Die Stadt war zwar größer als Bern, das war ein Grund. Doch nicht Grund genug, denn ich hatte in den zehn Wochen auch gesehen, dass ich zwar Zürich wollte, aber Zürich mich nicht unbedingt. Einmal, zum Beispiel, fragte ich in der Mittagspause den Kursteilnehmer mit der größten street credibility, der zudem in Zürich lebte, welches im Augenblick das Restaurant sei, in das man gehe. Das heißt, ich fragte ihn jeden Tag, bis er es mir, nach einer Woche oder so, sagte. Das Tres Kilos war es, weil es »grölig« sei, ein Ausdruck für unterhaltsam, den man damals verwendete in Zürich, nehme ich an. Ich rief dort an, um einen Tisch für eine Person reservieren zu lassen, am Abend des folgenden Tages. Doch die Mitarbeiterin sagte, das Lokal sei dann schon voll. Und kommende Woche ebenfalls. Die danach auch, und drei Wochen im Voraus nehme man keine Reservierungen entgegen.

Das war meine erste Erfahrung mit der Haltung, die es in jeder großen Stadt gibt, in dem Restaurant, in das man geht, und die man so beschreiben kann: »Wir suchen keine Gäste, die uns zum ersten Mal besuchen.« Und wenn ich den Gedanken weiterdachte, kam ich zum Schluss, dass Zürich als Ganzes es ähnlich machen könnte mit mir wie das Mädchen am Tres-Kilos-Telefon.

Diese Haltung, das will ich kurz sagen, ist kein Widerspruch zu dem ersten Satz dieses Buches: Zürich war immer gut zu mir. Ich hätte schreiben können: Zürich war immer gut zu mir, seit ich dort hingezogen war. Wer liebt schon eine Stadt, die zu leicht zu erobern ist?

Ich lernte, zurück am Arbeitsplatz bei der Versicherung, dass man in Bern zwei verschiedene Rückmeldungen empfangen konnte, wenn man erzählte, man möge Zürich: Es gab die, die erwiderten, sie sähen es genauso und seien im Augenblick auch gerade dabei, den Umzug dorthin zu planen. Und es gab die, die erwiderten, ich solle doch hinziehen, wenn dort alles besser sei, was ich im Grunde so nicht gesagt hatte; doch dieser Verdacht ist es vermutlich, der Bewohner einer kleineren Stadt verunsichert, wenn ihnen einer, der ebenfalls dort lebt, Gutes erzählt über eine größere Stadt.

Wenn es um die Schweiz geht, sind solche Empfindlichkeiten möglicherweise besonders groß. Im Grunde passen die Worte »groß« und »Schweiz« nicht gut in einen Satz. Jedenfalls in den Köpfen einer Mehrheit der Bewohner des Landes nicht. Außer es geht um Schweizer Berge (doch dann wäre »hoch« das treffende Wort). Oder um Banken oder Unternehmen der pharmazeutischen beziehungsweise Nahrungsmittelindustrie, und dann befinden wir uns in den internationalen Wirtschaftsnachrichten. In anderem Zusammenhang mögen die meisten Schweizer es lieber kleiner. So klein, dass die Schweizerische Eidgenossenschaft keine »Hauptstadt« hat, sondern nur eine »Bundesstadt «. Den Verantwortlichen der Kantone, die diese zu einem Bundesstaat zusammenschlossen im Jahr 1848, war es vermutlich unwohl bei dem Gedanken, festschreiben zu müssen, welche Stadt die wichtigste sei. Vielleicht konnten sie sich auch nicht einigen. Darum entschieden sie, Bern, das in weiter zurückliegender Vergangenheit einmal wichtig gewesen war, zu dem Sitz der Regierung zu machen. So hatten die drei größten Städte, die mitmachten bei der Staatsgründung, alle eine Art USP. Basel hatte, damals, wichtige Banken plus eine Bürgeroberschicht, deren Mitglieder sich für die Gebildetsten und Belesensten hielten. Zürich hatte am meisten Unternehmen und Einwohner sowie, wahrscheinlich, die höchste Dichte von Einwohnern mit großen Köpfen. Und Bern war, irgendwie, auch wichtig mit dem zu bauenden Bundeshaus, in dem das Parlament zusammenkommen würde, sowie den Beamten, die man bekommt, wenn man die Regierung eines Landes aufnimmt.

Zirka hundertvierzig Jahre später – und das ist eine große Fallhöhe, was die Wichtigkeit angeht – schloss ich meine Software-Entwickler-Ausbildung ab und war dabei, einzusehen, dass ich nicht bloß uninteressiert war, Computer zu programmieren, sondern auch ungeeignet dazu.

Im Sommer 1990 bekam ich eine Volontärsstelle beim Sonntagsblick. Das war gut. Noch besser: Arbeitsort Zürich. Ich war ein wenig enttäuscht, an meinem ersten Tag als »Stift« (eigentlich Mundart für Lehrling, passt aber hier auch) bei der damals größten Zeitung der Schweiz, dass die Redaktion nicht an der Bahnhofstraße, der bekanntesten Adresse der Stadt, lag und auch nicht am Paradeplatz, der in der Schweizer Ausgabe von Monopoly das teuerste Grundstück des Spielfelds ist, sondern in einer (für mich) unbekannten Wohngegend mit Namen Seefeld, wohin man vom Hauptbahnhof nicht zu Fuß gehen konnte, sondern mit der Straßenbahn, die hier Tram heißt und komischerweise männlich ist auf Zürichdeutsch (»der Vierer«), fahren musste. Doch alles in allem war ich zufrieden, stolz eigentlich, einen Grund gefunden zu haben, nach Zürich zu ziehen.

Fehlte nur noch – eine Wohnung. Mit meinem damals niedrigen Gehalt und in einer Stadt, in der der sogenannte Leerwohnungsbestand zwei oder drei Prozent betrug, war einen Mietvertrag zu bekommen ungefähr so einfach wie einen Tisch für acht Personen am Samstagabend im Tres Kilos. Heute wäre es leicht, wenigstens den Tisch zu bekommen – weil man ins Tres Kilos nicht mehr geht, was normal ist nach so vielen Jahren. Das Lokal gibt es aber noch immer, was nicht normal ist für einen Mexikaner, doch recht normal für Zürich, da hier ausreichend viele Menschen einem Restaurant, das sie einmal mochten, treu bleiben, auch wenn es over ist. Was das Finden von Mietwohnungen angeht, hat sich die Lage nicht geändert seither, das heißt, es ist wahrscheinlich noch schwieriger geworden.

Doch, wie geschrieben, Zürich war immer gut zu mir, beziehungsweise in diesem Fall die Kollegin, neben deren Schreibtisch in der Sonntagsblick-Redaktion meiner stand. Ich hatte zuvor noch nie etwas gehört von Zollikon, einem Vorort am rechten Ufer des Zürichsees. Dieses Ufer nennt man immerhin »Goldküste «, weil viele reiche Leute dort leben, in großen Häusern in Parkanlagen. Ich hatte ja zuvor auch noch nie etwas gehört von dem Seefeld, wo sich mein Arbeitsplatz befand, und das in der Zwischenzeit auch ich als eines der besseren Viertel, oder einer der besseren Stadtkreise, wie man in Zürich sagt, einschätzen kann. Und dass sich die Wohnung, die meine Kollegin verließ und mir zur Miete anbot, eher am low end von Zollikon und der Goldküste...

Blick ins Buch

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