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E-Book

Wirtschaft braucht Anstand

Der Unternehmer Wolfgang Grupp

AutorDr. Erik Lindner
VerlagHoffmann und Campe Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783455307092
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Trigema-Chef Wolfgang Grupp: Werdegang, Wirken, Weltsicht und Visionen des exaltierten »Unternehmers mit dem Affen« Grupp kann auf Fakten verweisen, wenn er in Interviews und Talkshows von Managern Mäßigung und Verantwortung fordert: Er produziert - profitabel - ausschließlich in Deutschland und garantiert 1200 Angestellten dauerhaft einen Job. Vorzeigeunternehmer oder Auslaufmodell? Erik Lindner schaut genau hin. Am »größten in Deutschland produzierenden Bekleidungsfabrikanten« scheiden sich die Geister. Für das Manager Magazin ist er ein bekennender Wertkonservativer«, für das Handelsblatt »der erfolgreiche Exzentriker unter den Mittelständlern«. Wegen seiner provokanten Ansichten wird er gern zu Talkshows eingeladen, wo ihn zum Beispiel Sandra Maischberger als »Deutschlands meinungsstärksten Unternehmer« ankündigt und Harald Schmidt als die »nackte Kanone unter den deutschen Unternehmern«. Was steckt hinter diesem Mann, der in dem berühmten Trigema-Werbespot neben einem mit Plastikbrille und Hemd ausstaffierten Schimpansen posiert und die Flagge des »Made in Germany« hisst? Ein kontroverses Porträt.

Erik Lindner, Jahrgang 1964, ist promovierter Historiker. In seinen Forschungen konzentrierte er sich auf deutsch-jüdische Geschichte und Unternehmensgeschichte, woraus unter anderem biographische Arbeiten zu Verlegern und Bankiers hervorgegangen sind. Bei Hoffmann und Campe erschienen 2007 seine großangelegte Familiengeschichte 'Die Reemtsmas' und 2008 'Die Herren der Container. Deutschlands Reeder-Elite'. Lindner, Publizist und Geschäftsführer im Stiftungswesen, lebt und arbeitet in Hamburg und Berlin.

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Leseprobe

Einleitung


Herren in den besten Jahren treten ins Bild und erklären sich vor einem Millionenpublikum: »Dafür stehe ich mit meinem Namen«, erklärt in bayerisch-rustikalen Worten Claus Hipp, der Bio-Babykost-Hersteller im dezenten Trachtenjanker. – »Koffein ist der Engel in der Kaffeebohne« oder »Aus Freude am Leben«, sagt der gepflegt-charmante Albert Darboven, in seinem Goldknopfzweireiher ganz Hanseat, und preist damit die Kaffeemarke seines Hauses an. – »Wir werden auch in Zukunft nur in Deutschland produzieren und unsere zwölfhundert Arbeitsplätze sichern«, schmettert der schlanke, immer korrekt gekleidete Wolfgang Grupp, der Inhaber der Firma Trigema, deren Name ein Kürzel für »Trikotwarenfabrik Gebrüder Mayer« ist. Es sind die Häupter familiengeführter Unternehmen, die als prominente Bürgen für ihre eigenen Produkte sprechen, um damit Kunden zu erreichen. Testimonials nennt die Werbebranche diese Art von Werbung, die durchaus Kultstatus erlangen kann. Unvergessen ist etwa der TV-Spot mit »Onkel Dittmeyer«, der mit dem Statement »Entweder frisch gepresst oder Valensina!« für Orangensaft warb. Rolf H. Dittmeyer starb im Mai 2009. Seine Firma war acht Jahre zuvor in die Insolvenz gegangen. Werbung und geschäftlicher Erfolg fallen eben nicht immer zusammen. Die Firmen der drei aktuell auftretenden Herren aber haben Erfolg: Hipp ist der deutsche Marktführer bei hochpreisiger Babynahrung. Darboven verkauft jährlich viertausend Tonnen Idee-Kaffee. Und Trigema produziert jährlich etwa acht Millionen Stück Textilien und bringt sie an den Kunden.

Professionell gedreht erscheinen die kurzen Spots mit Claus Hipp und Albert Darboven. Beide wirken weichgezeichnet, sonnig und sympathisch. Der Schwabe Wolfgang Grupp dagegen kommt im direkten Vergleich geradezu kantig daher: Eingangs sieht der Zuschauer einen mit Plastikbrille, Hemd und Krawatte ausstaffierten Schimpansen, der wie ein Nachrichtensprecher vom Blatt abzulesen scheint und von Trigema spricht. Es folgt eine Luftbildansicht des Hauptwerks in Burladingen. Nach einem weiteren harten Schnitt schreitet der Inhaber eine Phalanx von Näherinnen an ihren Maschinen ab und hisst mit wenigen Worten unter Hinweis auf Arbeitsplatzsicherung die Flagge des »Made in Germany«.

Seit 1996 kommt dieser TV-Spot wenige Augenblicke vor dem Beginn der Tagesschau im Ersten Programm der ARD. Dies ist einer der teuersten Werbeplätze, die man buchen kann. Zwanzig Sekunden, bis zu viermal monatlich, und entsprechend summiert sich die Einnahme für den Werbezeit vermarktenden öffentlich-rechtlichen Sender auf bis zu zwei Millionen Euro pro Jahr. Trigema zahlt diesen Preis mit links und sieht keinen Anlass, eine andere Machart zu wählen. Mehr Kundenwerbung betreibt die Firma derzeit kaum. Ihr deutschlandweiter Bekanntheitsgrad ist dank des Spots mit dem Schimpansen und dem Firmeninhaber enorm. Weithin wird angenommen, er laufe fast jeden Tag, so vertraut ist er dem auf die Tagesschau wartenden Publikum mittlerweile. Wolfgang Grupp wurde dadurch zum personifizierten Werbe- und Bannerträger seines Unternehmens, das so alltägliche Produkte wie Sweatshirts, Slips und Unterhemden herstellt.

Die Werbeauftritte von Claus Hipp und Albert Darboven erscheinen freundlich und vertrauenerweckend. Die Mach- und Tonart der Werbung mit Wolfgang Grupp bringt dagegen viele Betrachter dazu, den Kopf zu schütteln. Wie kann man nur ...? Ist der Stil des aufnahmetechnisch amateurhaft erscheinenden Spots in Kombination mit der treudeutsch klingenden Aussage dem Image der Marke Trigema nicht eher abträglich? Oder ist er gerade wegen seiner scheinbar unprofessionellen Inszenierung kurios anzuschauen und damit ein Geniestreich? Letzteres könnte zutreffen, denn schließlich bleibt das Zwanzig-Sekunden-Filmchen beim Betrachter in plastischer Erinnerung. Was kann Werbung mehr erreichen? Wolfgang Grupp, der Unternehmer mit dem Affen, gehört auf jeden Fall zum deutschen Fernsehabend. Die einen winden sich angesichts des Spots, andere finden ihn längst »kultig«. Und Trigema lebt offenbar gut mit seinem als Werbebotschafter agierenden Inhaber. Verstärkt wird dessen Wirkung dadurch, dass er seit mehr als zehn Jahren in bundesdeutschen Talkshows auftritt und dort als dezidiert argumentierender Geschäftsmann gegen seinesgleichen und die Auswüchse in den Chefetagen zu Felde zieht.

Aufgrund seiner klaren wirtschaftspolitischen und unternehmensethischen Standpunkte ist Wolfgang Grupp in Deutschland einmalig: Der bekennende Konservative feiert den Kapitalismus und findet es dennoch unerhört, dass sich der Bundestag Anfang 2008 mit der Einführung eines Mindestlohns befassen musste, da die vielerorts gezahlten Niedriglöhne keinen reellen Lebensunterhalt erlaubten. Schändlich sei dies für Unternehmer und Konzerne! Aufgrund dieser Haltung hob Oskar Lafontaine den schwäbischen Unternehmer im Bundestagswahlkampf 2009 während der »Kleinen Elefantenrunde« der Parteichefs von FDP, Die Grünen und Die Linke als löbliches Beispiel hervor.

Ein weiterer Standpunkt des Fabrikanten ist bedenkenswert: Kein Unternehmer der deutschen Textilindustrie, sagt er, sei durch die seit Jahrzehnten gängige Verlagerung der Produktion ins Ausland reicher geworden. Steilmann, Schiesser, Jockey und Escada nennt Grupp als Beispiele dafür, dass deren Inhaber oder Manager kapitale Fehler gemacht und als Unternehmer versagt hätten. Wer aber steht weiter zur uneingeschränkten Produktion in Deutschland? Trigema, die aus der 1919 in Burladingen auf der Schwäbischen Alb gegründeten »Mechanische Trikotwarenfabriken Gebr. Mayer« hervorging. Sie ist heute imstande, mehr als tausend Arbeitern und Angestellten angemessene Löhne und Gehälter zu zahlen und dabei profitabel zu bleiben.

Wolfgang Grupp argumentiert strikt gegen die Globalisierung im Sinne einer kompletten Produktionsverlegung ins Ausland zu Lasten deutscher Arbeitsplätze, die in so vielen Branchen zum Standard geworden ist. Gleichwohl ist er voll des Lobes, wenn es Unternehmern gelingt, in der Form zu expandieren, dass sie im Land neben den Entwicklungsabteilungen ihre Produktion aufrechterhalten und darüber hinaus im Ausland neue Werke aufbauen. Beispiele dafür sind die mit Montage- und Befestigungstechnik immens gewachsene Würth-Gruppe, die am Stammsitz Künzelsau zweitausend Mitarbeiter und weltweit das Dreißigfache dieser Zahl beschäftigt, oder der Feuerungstechnikhersteller Weishaupt. Für Letzteren arbeiten am Stammsitz in Schwendi bei Biberach rund tausend Leute, und es kommen dank internationaler Marktetablierung noch zweimal so viele Beschäftigte weltweit hinzu. Eine derartige Gewichtung begrüßt Grupp bei anderen, aber er selbst favorisiert für seinen Betrieb die »Lokalisierung«. Dabei kann er auf eine bemerkenswerte, in ihren Details überaus eigenwillige Bilanz verweisen: Seitdem er 1972 die Regie im Familienbetrieb führt, hat Trigema noch nie Kurzarbeit angemeldet. Niemand von der Belegschaft wurde betriebsbedingt entlassen, auch in der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise nicht. Seit fünfunddreißig Jahren ist Trigema schuldenfrei – und frei von Krediten, denn Grupp finanziert zu hundert Prozent alles selbst. Kein Leasing, keine Lieferantenkredite, keine Abhängigkeit von Geldgebern. Das ist einmalig.

So bleibt der Burladinger der Herr im Haus. Er gebietet über siebenhundert Näherinnen in der Konfektion der drei Fabriken und über Hunderte weiterer Arbeitskräfte, die in der Stoffherstellung, Bleiche, Färberei, Stoffdruckerei, Stickerei, im Lager, in Logistik, Verkauf und Verwaltung tätig sind. Damit ist er einer der wichtigsten Arbeitgeber in der wirtschaftsschwachen ländlichen Region südlich von Tübingen, die einst massiv von der Textilindustrie geprägt war. Zu Dutzenden gab es kleinere und mittlere Betriebe dieser Branche auf der Schwäbischen Alb. Heute ist Trigema in Burladingen der einzige Hersteller, und in der kleinen, fünfeinhalbtausend Einwohner zählenden Kerngemeinde des aus zehn verschiedenen Ortschaften bestehenden Städtchens ist die Firma nahezu allgegenwärtig. Rot und blau sind die markanten Farben des 1969 entwickelten Logos. Es prangt an den weiß gestrichenen Fabrikgebäuden, an den firmeneigenen Lastwagen und allen sonstigen Flächen, die sich damit dekorieren lassen.

Wolfgang Grupp hat seit langem geschäftlichen Erfolg. Da er zudem mitteilungsfreudig in Bezug auf seine unternehmerischen Prinzipien und auch noch redegewandt ist, wurden die Talkshow-Redaktionen auf ihn aufmerksam. Maybrit Illner lud den Schwaben im Oktober 2002 gemeinsam mit Renate Künast, Franz Müntefering und Roland Koch in ihre Sendung Berlin Mitte ein, wobei es um die Frage ging, ob der deutsche Wohlfahrtsstaat am Ende sei. Mittlerweile hat der auffallend schmale Herr schon in fast allen Talkshows Platz genommen. Sein strenger Habitus im charakteristischen, eng sitzenden Maßanzug und seine herrische Gestik haben ihn auch auf dem Fernsehschirm zur unverwechselbaren Marke gemacht.

Längst wird der Burladinger aufgrund seiner arbeitsmarktpolitischen Thesen als »Vorzeigeunternehmer« zu Vorträgen eingeladen. Seit einigen Jahren vermittelt ihn die Düsseldorfer Agentur CSA Celebrity Speakers, die Vortragsredner vom Kaliber eines Michail Gorbatschow oder Hans-Dietrich Genscher im Angebot hat. Trotz einer gewissen äußerlichen Steifheit kommt er gut beim Publikum an. Anders als Politikern oder etwa Verbandsvertretern gelingt es ihm mühelos, die Gäste für sich einzunehmen. Vor allem wenn er über persönliche Verantwortung von Führungskräften der Wirtschaft spricht und postuliert, er selbst habe mit allen Mitteln dafür einzustehen, dass seine Belegschaft bei ihm dauerhaft arbeiten könne. Es dürfe niemals dazu kommen, dass er...

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