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Rechtsstaat und Demokratie im Nahen Osten

AutorSamira Kheirallah
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl151 Seiten
ISBN9783638046367
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Politik - Internationale Politik - Region: Naher Osten, Vorderer Orient, Note: 1,0, Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen, 98 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Seit einigen Jahren werden Stimmen, die eine Demokratisierung des Nahen Ostens fordern, immer lauter und vehementer. Besonders seit dem 11. September 2001 scheint eine demokratische Entwicklung der arabischen Staaten das Allheilmittel für viele weltpolitische Probleme zu sein. Die Tatsache aber, dass bis heute keine nennenswerten positiven Veränderungen der politischen Systeme im Nahen Osten eingetreten sind, stellt den Inhalt der Forderungen sehr infrage. Musste erst der Irak in den jetzigen katastrophalen Zustand fallen, damit über Kompatibilität von Demokratie und 'Nahem Osten' diskutiert wird? Dass außerdem das irakische Volk trotz abgehaltener Wahlen noch lange kein freies Volk ist, widerlegt den oft vorausgesetzten Zusammenhang zwischen Demokratie und Freiheit. 'Rechtsstaat und Demokratie im Nahen Osten', - der Titel dieser Arbeit erfasst bewusst neben der Demokratie auch das Wesen des Rechtsstaates, um ihn als den eigentlichen Garant von Freiheit in den Mittelpunkt des Interesses zu stellen. Neben einer theoretischen Auseinandersetzung mit Rechtsstaat und Demokratie beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenhängen der nahöstlichen Region, um Ursachen und Hintergründe für das offensichtliche Ausbleiben von Rechtsstaatlichkeit und Demokratisierung offen zu legen. Mit 'Naher Osten' ist der geographische Bereich gemeint, der die Länder der Arabischen Halbinsel sowie weitere angrenzende Staaten umfasst. In dieser Bezeichnung äußert sich eine europäische Sichtweise auf ein Gebiet, bei dem es sich im Wesentlichen um Westasien sowie um Ägypten als nordafrikanisches Land handelt. Nicht alle zum Nahen Osten zählenden Staaten werden in dieser Arbeit berücksichtigt. Der Blick richtet sich hauptsächlich auf folgende Länder: Ägypten, Syrien, Libanon, Jordanien, Saudi-Arabien und auf die palästinensischen Autonomiegebiete. Israel und der Irak werden bewusst ausgegrenzt. Ersteres zählt zwar mit zu den nahöstlichen Staaten, ist aber kein arabisches Land und bildet aufgrund seiner eher in Europa verwurzelten Kultur eine Ausnahme. Der Irak befindet sich momentan in einem Zustand, der für diesen Kontext keine allgemeingültigen Aussagen zulässt. In Anbetracht der kulturellen, wirtschaftlichen, politischen und sozialen Vielfalt der Region ist der Einwand nahe liegend, dass der Nahe Osten als Forschungsgegenstand ein höchst künstliches Konstrukt darstellt.

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Leseprobe

2. Demokratie


 

„Die Frage nach dem Wesen der Demokratie ist wahrscheinlich ebenso oft beantwortet worden, wie sie gestellt wurde.“ [47]

 

Dieses Kapitel stellt einen weiteren Versuch auf, die Frage nach dem Wesen der Demokratie zu beantworten.

 

Der erste Abschnitt beginnt mit einem Blick auf die verschiedenen Definitionen und Ebenen, auf denen dieser Begriff Verwendung finden kann. Die Grundpfeiler der Demokratie werden im darauf folgenden Unterpunkt erläutert. Bevor schließlich ein zusammenfassender Überblick die Ergebnisse des Kapitels festhält, wird im vorhergehenden Unterkapitel die demokratische Entwicklungsgeschichte, aufgeteilt in verschiedene Epochen, beschrieben.

 

2.1. Begriffsbestimmung


 

Auf der Suche nach einer Definition des Demokratiebegriffes begegnet man vielen Bezeichnungen, Ausdrücken, Gedanken, Modellen und Erklärungen, die alle das Ziel verfolgen, die Vokabel Demokratie zu bestimmen.

 

Was bedeutet Demokratie? Was steckt hinter diesem so viel verwendeten, attraktiven Begriff? Gibt es Synonyme? Ist es ein Prinzip, ein Konzept oder ein System, welches die Demokratie verkörpert? Gibt es überhaupt eine universelle Demokratie? Welche Faktoren, Voraussetzungen, Grundgedanken und Funktionen liegen der Demokratie zugrunde? Je tiefer die Suche nach einer einschlägigen Definition, umso mehr Fragen, die es zu beantworten gilt.

 

In zwei Punkten ist sich die Literatur einig: Erstens wird der griechische Wortursprung nicht angezweifelt und zweitens steht fest, dass keine allgemeingültige Definition des Demokratiebegriffes existiert.

 

Das Wort Demokratie setzt sich aus zwei altgriechischen Worten, nämlich „demos“ (Volk, Volkmasse) und „kratein“ (herrschen, Macht ausüben), zusammen.

 

Im ursprünglichen Sinne bedeutet Demokratie also Herrschaft bzw. Machtausübung des

 

Volkes oder Herrschaft der Vielen.[48]

 

Einer der ersten, der Demokratie zu definieren versuchte, war Perikles (circa 500–429 v. Chr.), dem folgendes Zitat zuzuordnen ist: „Die Verfassung, die wir haben […] heißt Demokratie, weil der Staat nicht auf wenige Bürger, sondern auf die Mehrheit ausgerichtet ist.“[49]

 

Diese Definition von Demokratie als eine Mehrheitsherrschaft erscheint auf den ersten Blick sehr logisch, einfach nachvollziehbar und ist bis zum heutigen Tag als ein wichtiger Bestandteil der Demokratie nicht bestritten. Doch bei intensiver Betrachtung stellt sich heraus, dass diese Eindeutigkeit täuscht. Wer ist das Volk - alle Bürger oder nur eine bestimmte Gruppe? Wie soll die Mehrheit die Herrschaft ausüben - direkt durch Versammlungen und Abstimmungen oder indirekt durch Bestellung von Vertretern? Was passiert mit der Minderheit?

 

Auch die zu Beginn des Kapitels aufgeworfenen Fragen können durch diese Definition nicht beantwortet werden. Sie ist aber der Auftakt einer Diskussion über die unterschiedlichen Bedeutungen der Demokratie.

 

Offensichtlich kann man Demokratie nicht mit einem Satz definieren, noch ist sie durch ein einziges Merkmal bestimmbar. Demokratie umfasst vielmehr ein „Bündel mehrdimensionaler Komponenten“[50], wie es Khosrozadeh treffend beschreibt.

 

Um eine erste Differenzierung der Vokabel „Demokratie“ vorzunehmen, erscheint die in der Literatur häufig anzutreffende Unterscheidung der vier Ebenen erwähnenswert, auf denen der Ausdruck Verwendung finden kann:

 

1. Demokratie als komplexer Systembegriff:

Auf dieser Ebene wird der Demokratiebegriff als Kennzeichnung des Gesamtbildes eines politischen Systems verwandt und als Abgrenzungsvokabel zu früheren Stadien seiner Entwicklung und anderen politischen Herrschaftsformen oder Systemen benutzt.[51]

2. Demokratie als sprachlicher Ausdruck der Legitimation:

Der Demokratiebegriff verleiht auf dieser Ebene all denjenigen politischen Systemen ihre Legitimation, die ihre Grundlage und Rechtmäßigkeit aus der Repräsentanz des Volkes und des Volkwillen beziehen.[52]

3. Demokratie als Ordnungsprinzip oder Herrschaftsform:

Diese Ebene impliziert all jene Methoden, Organisationsformen und Institutionen der Konfliktregelung, die der Forderung nach kontrollierter Herrschaft Geltung verschaffen soll.

4. Demokratie als Verhaltensprinzip oder „Lebensform“[53]:

 

Auf dieser Ebene bezieht sich die Anwendbarkeit demokratischer Prinzipien nicht mehr ausschließlich auf den staatlichen Bereich, sondern geht hinaus auf andere soziale Organisationsbereiche. Sie umfasst die Gesamtheit der Strukturprinzipien demokratischer Konfliktregelungsverfahren und dabei die entsprechenden Verhaltensprinzipien und Verhaltensnormen.[54] Außerdem wird Demokratie als Ausdruck einer politischen Kultur und den damit verbundenen Wertvorstellungen verstanden.[55] Es handelt sich um erlernbare Verhaltensmuster oder, wie Steffani sie nennt: „demokratische Tugenden“[56]. Dazu gehören beispielsweise Toleranz, Konfliktfähigkeit, Offenheit für Interessen anderer, Kompromissbereitschaft, Kritikfähigkeit und Fairness.

 

Diese vier Ebenen, auf denen der Demokratiebegriff ganz unterschiedliche Anwendung findet, verdeutlichen zum einen die Vielschichtigkeit des Begriffes, zum anderen beinhalten sie den Unterschied zwischen prozeduraler und substantieller Demokratie[57] und den daraus resultierenden Prinzipien, auf denen Demokratie beruht. Gemeint sind die normativen und strukturellen Grundsätze.[58]

 

Der Unterschied zwischen prozeduraler und substantieller Demokratie wird durch folgende Frage verdeutlicht: Ist Demokratie eher eine Methode, um Konflikte innerhalb einer Gesellschaft gewaltfrei zu lösen oder stellt sie vielmehr einen Wert dar? Demokratie als Methode ist an die formalen oder strukturellen Grundsätze gebunden. Anders die substantielle Demokratie, die eher ein Bündel von Wertvorstellungen beinhaltet, wie z.B. die prinzipielle Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz oder der Gedanke der Verantwortlichkeit etc. Diese gründet auf den normativen Voraussetzungen, wozu besonders das Vorhandensein einer politischen Kultur zählt.

 

Formale und substantielle Grundsätze der Demokratie lassen sich in der Theorie leicht voneinander unterscheiden. Dieser Trennung wird man in der Praxis kaum begegnen. Die folgende Darstellung der die Demokratie begründenden Prinzipien verdeutlicht die Vermischung von strukturellen und substantiellen Elementen.

 

2.2. Prinzipien der Demokratie


 

Die konkrete Umsetzung einer politischen Ordnung kann nur erfolgen, wenn die ihr zugrunde liegenden Wertvorstellungen und Grundsätze so verinnerlicht werden, dass daraus Prinzipien oder Maximen des Handelns entstehen und somit eben diese Ordnung begründen.

 

Die in der Literatur sehr häufig erwähnten Prinzipien, die eine demokratische Ordnung legitimieren, sollen nun kurz vorgestellt werden:

 

Das Prinzip der Volkssouveränität

 

Die Demokratie zeichnet sich dadurch aus, dass jede Herrschaft durch das Volk, also durch die Regierten selbst, legitimiert sein muss, d.h., dass die Staatsgewalt beim Volke liegt.[59] Diesem Prinzip zufolge ist eine Herrschaft, die ihre Existenznotwendigkeit aus einem religiösen Auftrag heraus begründet, illegitim.

 

Das Prinzip der Freiheit des Volkes

 

Dieses Prinzip könnte man als die Voraussetzung der Volkssouveränität betrachten. Mit dieser Freiheit ist nicht nur die Freiheit des Volkes als Gesamtheit, sondern auch die Freiheit jedes einzelnen Menschen gemeint. Diese wiederum spaltet sich in die politische Freiheit, die die Partizipation und das Mitspracherecht am Prozess der Herrschaftsbildung beinhaltet, und in die Freiheit auf, die sich auf den staatsfreien Bereich bezieht.

 

Das Ziel jedes politischen Handelns darf nicht nur das Wohlergehen des Volkes, sondern muss auch das eines jeden einzelnen Staatsbürgers sein.

 

Das Feld der Freiheit darf allerdings nicht zu weit gesteckt werden, will man von der Freiheit sprechen, die ein demokratisches System begründet.

 

Darauf macht Zakaria[60] aufmerksam, indem er schreibt, dass die Menschen „im Westen“[61] immer das Attribut freiheitlich mitdenken, wenn von Demokratie die Rede ist. Sie verbinden mit diesem Begriff nicht nur freie und gleiche Wahlen, sondern auch alle formellen und materiellen Seiten des Rechtsstaates sowie die in der Verfassung verankerten Grundrechte, die neben dem Eigentum auch die Meinungs-, Versammlungs- und Glaubensfreiheit schützen. Zakaria weist darauf hin, dass solche Rechte wenig mit der Demokratie selbst verbunden sind.[62] Erst in den letzten fünfzig Jahren sind Freiheit und Demokratie im Westen zur freiheitlichen...

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