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E-Book

In aller Liebe

Wie wir unsere Mutter überleben

AutorLouis Schützenhöfer
VerlagVerlag Herder GmbH
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783451800863
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Mütter lieben ihre Kinder. Das scheint ein ewiges Gesetz. Auf viele Mütter trifft es auch zu. Gleichzeitig leiden aber mehr als 40 Prozent aller Kinder - egal welchen Alters - unter einer belastenden Mutterbeziehung, die bis in ihre Partnerschaften, ihre Berufsziele und ihre Rolle als Eltern nachwirkt. Der Psychologe Louis Schützenhöfer hat auf der Basis von 50 Tiefeninterviews mit Töchtern und Söhnen im Alter von 18 bis 84 Jahren vier belastende Muttertypen herausgearbeitet: Machtmutter, Opfermutter, narzisstische Mutter und lieblose Mutter. Entstanden ist kein Buch gegen Mütter, sondern eines für Töchter und Söhne. Damit sie den Mechanismus der eigenen problematischen Mutterbeziehung begreifen - und sich davon lösen können.

Louis Schützenhöfer, geb. 1940 in Graz, promovierter Psychologe. Tätigkeiten als Werbepsychologe, Marktforscher und Personalberater, Verkehrspsychologe und Golf-Mentalbetreuer.

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Leseprobe

Einleitung


Drei Anliegen


»Wie kommst du auf die Idee, ausgerechnet ein Buch über Mütter zu schreiben?« Das war die häufigste Reaktion meiner Freunde und Bekannten, wenn ich ihnen von meinen Plänen erzählte. Ich bin zwar Psychologe, habe mich aber ein Berufsleben lang mit anderen Bereichen des menschlichen Verhaltens beschäftigt. Ich bin auch keine Mutter, um für dieses Thema kompetent zu sein, nicht einmal Vater. Mein einziger unmittelbarer Zugang ist der, dass ich Sohn bin. Die eigene Mutterbeziehung ist sicherlich ein Grund für mein Interesse an diesem Thema, aber mein bewusster Auslöser für das Schreiben dieses Buches ist ein anderer: Es ist meine Erfahrung, dass sehr viele Menschen eine problematische Mutterbeziehung haben, die sie ein Leben lang nicht loslässt. Und im Gegensatz dazu, gewissermaßen als Kontrastprogramm, besteht in der Öffentlichkeit nach wie vor ein Muttermythos, der an Heiligenverehrung erinnert.

Mein erstes Anliegen ist es daher, an diesem Mythos1 zu rütteln, denn er stellt eine gewaltige Hürde für die betroffenen Töchter und Söhne dar, sich sachlich und ohne Angst und Schuldgefühle mit der eigenen Mutterbeziehung auseinander zu setzen. Denn Kritik zu üben an der Mutter, sich selbst einzugestehen, dass sie diesem hehren Bild nicht entspricht, ist so etwas wie Sünde. Und es tut weh, denn jedes Kind möchte eine Mutter, die es lieben kann.

Susanne, die als Tochter einer »lieblosen Mutter« noch zu Wort kommen wird, bringt diese Sehnsucht zum Ausdruck:

»Ich wollte ja auch eine Mutter haben, die ich lieben kann. Ich wollte sie ja immer lieben, und ich möchte sie, nachdem sie jetzt nicht mehr lebt, in einer liebevollen Erinnerung haben.«

Die Konfrontation der betroffenen Kinder mit dem Muttermythos führt zunächst zu einer Verzerrung oder Verleugnung der Wahrnehmung, denn: Es kann nicht sein, was diesem Mythos widerspricht. Und in weiterer Folge entstehen Schuldgefühle, denn wenn alle Mütter gut sind und ich Probleme mit meiner habe, so kann es ja nur an mir liegen. Ich bin ein schlechtes Kind. Ich muss mich noch mehr anstrengen, damit meine Mutter mich liebt.

Mein zweites Anliegen ist es, den Betroffenen zu sagen, dass sie mit ihren Problemen keine Außenseiter sind und dass es mehr Leidensgenossinnen und -genossen gibt, als sie bisher angenommen haben. Ich schätze den Anteil der Kinder mit einer problematischen Mutterbeziehung auf 40 bis 60 Prozent. Dennoch finden solche Menschen in der Regel keine Gesprächspartner, denen sie ihr Herz ausschütten könnten. Die Kinder mit einer befriedigenden Mutterbeziehung würden sie nicht verstehen und die vermeintliche Außenseiterposition der Betroffenen noch verstärken. Und die mit ähnlichen Problemen würden wegen der Angst, sich zu »versündigen« und Schuld auf sich zu laden, lieber weiter schweigen.

So nehmen viele dieser Kinder erst sehr spät bewusst wahr, dass ihre Mutter »anders« ist. Und dies auch erst dann, wenn sie positive Beispiele kennenlernen. Fehlt der Vergleich mit anderen Müttern, so ist eben die eigene der nicht hinterfragte Maßstab. Es war für mich immer wieder erstaunlich, wie lange es dauert, bis den Kindern die Augen aufgehen, selbst wenn das Verhalten der Mutter mehr als auffällig ist. Petra, die wir im Kapitel über »lieblose Mütter« noch kennenlernen werden, erinnert sich zum Beispiel:

»Als kleines Kind habe ich es nicht so gesehen. Mit 16, 17 Jahren habe ich erst erkannt, wie streng sie im Vergleich zu anderen Müttern ist.«

Und es dauerte dann noch einmal sehr lange, bis sie die »Sprachlosigkeit« überwinden und mit ihrer Mutter darüber reden konnte:

»An meinem 37. Geburtstag war es, dass ich mit meiner Mutter zum ersten Mal geredet habe. Da ist viel aufs Tableau gekommen. Da habe ich einfach einmal gefragt: ›Mama, hast du mich einmal gefragt, wie es mir geht?‹«

»Meine Mutter liebt mich nicht so, wie ich bin«, »Meine Mutter liebt mich überhaupt nicht« – bis solche Wahrheiten erkannt und akzeptiert werden können, vergeht meist ein halbes Menschenleben. Wenn es reicht. Bei Helga, die uns ebenfalls als Tochter einer »lieblosen Mutter« einiges zu erzählen hat und die selbst Psychologin und Psychotherapeutin ist, dauerte es bis zum 47. Lebensjahr, dass sie befreit sagen konnte:

»Ich habe dann erst für mich selber den Mut gehabt, es so zu benennen, dass meine Mutter andere sehr wohl lieben konnte, aber mich nicht geliebt hat.«

Aber zu dieser Zeit sind die Male, die diese Kinder von ihren Müttern erhalten haben, die »Muttermale«, schon längst weitergegeben an die nächste Generation. Denn es stellte sich in meinen Interviews klar heraus und entspricht auch den Ergebnissen der Beziehungsforschung: Schäden in der Mutter-Kind-Beziehung wirken sich äußerst ungünstig auf den eigenen Erziehungsstil und den Bindungsstil aus. Und so reproduzieren sich problematische Mutter-Kind-Beziehungen immer weiter. Es sei denn, die Tochter oder der Sohn unterbricht diese unheilvolle Kette und arbeitet die bitteren Erfahrungen auf.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Das Buch ist nicht gegen Mütter geschrieben, sondern für Töchter und Söhne. Sie sollen einen Anstoß bekommen, ihre problematische Mutterbeziehung zu hinterfragen und aufzuarbeiten. Wenn Sie zu den Glücklichen gehören, die eine besonders befriedigende oder auch nur eine »normale« Mutterbeziehung haben, seien Sie zufrieden und legen Sie das Buch wieder zur Seite. Es ist nicht für Sie geschrieben.

Den anderen aber – und das ist mein drittes Anliegen – möchte ich Mut machen, die gestörte Mutterbeziehung aufzuarbeiten und dafür, wenn es nötig sein sollte, auch den Weg zum Therapeuten/zur Therapeutin nicht zu scheuen. Einige Hinweise für eine Aufarbeitung finden Sie am Ende des Buches. Besonders hilfreich wäre es, und das möchte ich an dieser Stelle anregen, wenn sich Selbsthilfegruppen bilden würden. In diesen können die Betroffenen über die Therapie hinaus Möglichkeiten für das Gespräch und den Erfahrungsaustausch finden.

Muttertypen


Subjektiv mögen die meisten Töchter und Söhne den Eindruck haben: »Meine Mutter ist einzig und unvergleichlich«, egal, ob es sich um eine befriedigende oder eine problematische Beziehung handelt. In der Realität ist es dann doch etwas anders. Da lassen sich Häufungen von Eigenschaften und Verhaltensweisen bei Müttern und Kindern und Zusammenhänge zwischen ihnen feststellen. Letztlich konnte ich aufgrund der Interviews, die ich mit Töchtern und Söhnen führte, eine begrenzte Anzahl von »Muttertypen« herausfiltern, die sich recht gut voneinander abgrenzen lassen.

Genau genommen handelt es sich dabei nicht um Muttertypen, sondern um Typen von Mutter-Kind-Beziehungen. Ein und dieselbe Mutter kann sich ihren Kindern gegenüber durchaus unterschiedlich verhalten und unterschiedliche Beziehungen herstellen. Es kommt eben auch auf die Eigenart des Kindes und die Familienkonstellation an. Wenn also im Folgenden der Einfachheit halber von Muttertypen die Rede ist, so sind damit immer Typen von Mutter-Kind-Beziehungen gemeint.

Was ist eigentlich ein Typ? In der Psychologie und in den angrenzenden Wissenschaften hat die Suche nach Typen eine lange Tradition. Sie kennen vermutlich die Temperamentstypen, die auf Hippokrates zurückgehen, den »Sanguiniker«, den »Melancholiker«, den »Choleriker« und den »Phlegmatiker«.

Eine weitere Typologie stammt von Ernst Kretschmer; sie definiert Körperbautypen und ihre Zusammenhänge mit psychischen Eigenschaften bzw. Krankheiten. Der Vorteil der Kretschmer-Typologie besteht darin: Ich brauche den Körperbau eines Menschen nicht im Detail zu beschreiben, es genügt, ihn einem Typ zuzuordnen. Wenn sich z. B. in einem Partnerinserat jemand als »typischer Pykniker« bezeichnet, so weiß man gleich (sofern man die Kretschmerschen Typen kennt), dass es sich um einen Mann mit eher rundlichen Formen und einer Neigung zum Fettansatz handelt und dass man einen aufgeschlossenen und geselligen Menschen erwarten kann, dessen Stimmungslage von Heiterkeit bis Traurigkeit variiert.

Doch zurück zu unserem Thema: Ich fand in den Interviews vier Typen von Müttern und deren problematische Beziehungen zu ihren Kindern. Es sind dies

  • die Machtmutter,
  • die Opfermutter,
  • die narzisstische Mutter und
  • die lieblose Mutter.

Mit diesen vier Typen sollen möglichst alle Arten von problematischen Mutter-Kind-Beziehungen erfasst sein und im Idealfall treten diese Typen in reiner Form auf, sodass jede Beziehung ohne Schwierigkeiten einem dieser Typen zugeordnet werden kann. Aber so einfach spielt es das Leben leider nicht. Wie in allen Typologien treten auch bei den Muttertypen häufig Mischformen auf, bei denen eine klare Zuordnung erschwert oder unmöglich ist.

Ein Muttertyp bzw. ein Typ von Mutter-Kind-Beziehung ist definiert durch charakteristische Verhaltensweisen der Mütter und der Kinder und die Wechselwirkungen zwischen ihnen. Neben den Formen problematischer Mutter-Kind-Beziehungen gibt es selbstverständlich völlig unauffällige und besonders befriedigende, doch die sind nicht Thema dieses Buches.

Was ist eigentlich eine »problematische« Mutter-Kind-Beziehung? Man könnte etwa sagen, dass eine solche dann vorliegt, wenn die für den jeweiligen Muttertyp charakteristischen Verhaltensweisen besonders gehäuft oder in besonderer Ausprägung auftreten. Das ist aber nur die eine Seite. So richtig problematisch wird es erst dann, wenn das Kind...

Blick ins Buch

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