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Energieschulden bei Sozialleistungsempfängern

Risikofaktoren einer Überschuldung

AutorMichael Hubert
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl83 Seiten
ISBN9783656880448
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,8, SRH Fachhochschule Heidelberg (Fakultät für Sozial- und Rechtswissenschaften), Sprache: Deutsch, Abstract: Die vorliegende Arbeit setzt sich mit Energiearmut und den Ursachen der Überschuldung durch Energielieferungen bei Sozialleistungsempfängern auseinander. Mit steigenden Strompreisen nimmt auch die Anzahl der Personen zu, die sich durch Nachforderungen aus Endabrechnungen überschulden. Zudem droht diesem Personenkreis immer häufiger eine Liefersperre. Unkenntnis und mangelnde Information verschärfen diese Problematik. Im theoretischen Teil dieser Arbeit wird sich mit dem Begriff Energiearmut näher auseinandergesetzt. Es folgt im Hauptteil eine Betrachtung der verschiedenen Ursachen, da Einkommensarmut nicht alleine diese Problematik bedingt. Es schließen sich die Folgen von Energiearmut an. Darauf aufbauend werden Ansätze aus den Bereichen Energiesparberatungen und Sozial- bzw. Spartarifen sowie rechtliche Aspekte erläutert. Detailliert werden die Voraussetzungen für eine Liefersperre und mögliche Lösungsansätze beschrieben. Ergänzt wird der Hauptteil durch Forderungskataloge gegen Energiearmut. Abschließend werden Ansätze aus Großbritannien, Belgien und Frankreich vorgestellt, die die Ursachen und Folgen von Energiearmut verringern sollen. Den Schlussteil bilden zwei Interviews* mit Energieschuldnern aus der Sozialberatung für Schuldner der Caritas Mannheim e. V. Mit der Auswertung der Interviews und unter Berücksichtigung des Theorieteils werden Handlungsempfehlungen für die Praxis in der Schuldnerberatung abgeleitet. *Die Interviewtranskripte wurden aus dieser Arbeit entfernt.

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Leseprobe

3 Energiearmut


 

Das folgende Kapitel setzt sich mit den Ursachen, Folgen und Gegenmaßnahmen von Energiearmut auseinander, wobei Letzterem die größte Aufmerksamkeit gewidmet wird. Die Ursachen der Energiearmut werden dabei in Bezug auf das Einkommen, den Strompreis, die Verhaltensweisen sowie energieeffizienztechnische Aspekte näher beleuchtet. Darauf aufbauend werden die Folgen von Energiearmut beschrieben. Im letzten Teil dieses Kapitels soll erläutert werden, welche Gegenmaßnahmen in verschiedenen Bereichen Energiearmut verringern kann, aber auch welche Nachteile aus diesen erwachsen. Zudem werden die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Stromsperre betrachtet und welche Möglichkeiten es gibt, eine drohende Liefersperre zu verhindern.

 

3.1 Ursachen


 

„Es gibt im Wesentlichen vier Ursachen für Energiearmut: Die schlechte finanzielle Situation der betroffenen Haushalte, den Energiestandard der Wohngebäude und die Ausstattung mit Haushaltsgeräten, ineffiziente Verhaltensweisen sowie steigende Energiepreise.“[87] Es handelt sich hierbei aber eher um einen Ursachenkomplex, einem Geflecht aus Ökonomie, Sozialem und baulichen Infrastrukturen.[88] „Die zentrale Ursache für Energiearmut ist [jedoch] Armut an sich.“[89] Anhand der EVS aus dem Jahr 2008 konnte die Bundesregierung ermitteln, dass im Jahr 2008 der Anteil der Haushalte, die mehr als 10 Prozent ihres Nettoeinkommens für Energie aufbringen mussten, 13,8 Prozent betrug und diese somit energiearm waren.[90]

 

3.1.1 Einkommen und Strompreis


 

Ein Problem stellen die stark steigenden Strompreise dar, die jedoch von den Einkommenssteigerungen nicht aufgefangen werden. So nahmen die realen Bruttoerwerbseinkommen in den unteren sechs Einkommensdezilen im Jahr 2011 im Vergleich zum Jahr 2007 ab. Erschwert wird dies durch die höheren Energiekosten, die zudem stärker steigen als die Inflationsrate.[91][92] Wie schon in Kapitel 2 erwähnt, leiden unter den steigenden Energiekosten insbesondere Haushalte im ALG-II Bezug, da der Regelsatz die tatsächlichen Stromkosten nicht abdeckt.[93] So fehlen bei einer durchschnittlichen Strommenge von 1.563 kWh im Jahr dem Ein-Personen Haushalt 9,26 Euro monatlich im Regelsatz;[94] eine Bedarfsunterdeckung ist auch vorhanden, wenn Kinder im Haushalt leben.[95] Erschwerend kommt hinzu, dass Sozialleistungsempfänger einen höheren Stromverbrauch haben, weil sie aufgrund fehlender oder eingeschränkter Erwerbstätigkeit mehr Zeit zu Hause verbringen.[96] Häufig kommt es auch vorher, dass die für Energie vorgesehenen Sozialleistungen für andere Ausgaben verwendet werden. So entstehen „Probleme im Transferleistungsbezug … insbesondere dadurch, dass Gelder, die in der pauschalierten Leistung für die monatlichen Abschläge vorgesehen sind, zum Teil anderweitig genutzt werden, weil vermeintlich dringlichere Bedarfe nicht anderweitig gedeckt werden können“[97] bzw. die rechtzeitigen Abschlagszahlung neben anderen Problemen nachrangig erscheinen.[98]

 

„Problematisch sind häufig nicht [nur] die laufenden Abschlagszahlungen, sondern [auch] die Nachzahlungen, die nicht bedient werden können.“[99] Beratungsstellen berichten, dass die Versorgungsunternehmen bei Zahlungsrückständen schon bei der zweiten Mahnung mit einer Sperre drohen. Hinzu kommt, dass häufig so kurze Fristen von wenigen Tagen gesetzt werden, dass ein mögliches Hilfeersuchen bei Sozialleistungsträgern und Hilfeeinrichtungen durch die Betroffenen scheitert, um eine Kostenübernahme zu bewirken. Auch kommt es vor, dass die Versorgungsunternehmen nicht bereit sind, auf Ratenzahlungen in Höhe von 10 bis 20 Euro einzugehen; diese (vermeintlich) geringe Ratenhöhe stellt jedoch für Sozialleistungsempfängern häufig schon das Maximum dar, was sie leisten können.[100] Können Betroffene im Falle einer Nachforderung, die sie nicht bedienen können, ein Darlehen beim Sozialleistungsträger erwirken, ergeben sich daraus wiederum neue Probleme. So führen „Darlehensrückzahlungen … insbesondere beim ALG-II Bezug dazu, dass über einen langen Zeitraum der Bedarf nicht ausreichend gedeckt ist.“[101]

 

Neben dem niedrigen Einkommen stellen zudem teuere Grundversorgertarife eine weitere Problematik dar. Im direkten Vergleich sind sie durchschnittlich die kostenintensivste Versorgungsart. Haushaltskunden könnten niedrigere Preise erzielen, indem sie den Lieferanten wechseln.[102] Jedoch ist es Personen mit einem niedrigen Einkommen oft nicht möglich, zu einem günstigeren Stromanbieter zu wechseln, denn immer mehr Energieversorger schließen sich der SCHUFA oder anderen Auskunfteien an. In Anmeldeformularen befinden sich dann sog. SCHUFA-Klauseln, die zu unterschreiben sind. Finden sich bei einer Abfrage dann Negativmerkmale, so wird der potenzielle Kunde abgelehnt.[103] Ein weiteres Hindernis stellt zudem die Skepsis gegenüber einigen Stromversorgern dar, die in der Vergangenheit negativ durch Betrug, unklaren Methoden oder Tricksereien auffielen. Weiter sind viele Personen durch unklare Tarif- und Vertragsstrukturen gehemmt, zu einem günstigeren Anbieter zu wechseln.[104]

 

3.1.2 Verhaltensweisen


 

Bisher liegen kaum belastbare Daten zum Energieverbrauchsverhalten von Haushalten mit niedrigem Einkommen vor.[105] Eine aus dem Jahre 2013 angekündigte Untersuchung zu dem Energieverbrauchsverhalten von Haushalten, die Leistungen nach SGB II und SGB XII beziehen,[106] wurde bisher noch nicht durchgeführt, soll aber noch dieses Jahr beginnen.[107]

 

Ein Faktor kann die Anschaffung elektrischer Geräte wie Computer, Videospielkonsole, TV-Gerät, Smartphone, etc. sein. So ist durch die „gestiegene Nutzungsdauer und Anzahl der Geräte … der Stromverbrauch für TV/Audio und Büro in den letzten Jahren am meisten gestiegen.“[108] Auch können Fehleinschätzungen des Verbrauchs ursächlich für Energiearmut sein. So ist es denkbar, dass aus Unwissenheit an der vermeintlich richtigen Stelle Energie eingespart und bei verbrauchsstarken Geräten weniger auf den Energieverbrauch geachtet wird. Laut einer Umfrage der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena) schätzen viele Deutsche ihren eigenen Energieverbrauch falsch ein. So kommt die Umfrage zu dem Ergebnis, dass 38 Prozent der Befragten denken, dass die Elektrogeräte im Haushalt die meiste Energie benötigen. Diese machen jedoch nur durchschnittlich etwa 9 Prozent des Verbrauches aus. Den Großteil hingegen, nämlich 57 Prozent, wird für die Heizung und Warmwasserbereitung aufgebracht. Eine weitere Schlussfolgerung der Befragung ist, dass insbesondere jüngere Personen den Verbrauch von Elektrogeräten zu hoch und den Verbrauch der Heizung zu niedrig einschätzen.[109] Ein weiterer Aspekt kann auch die Nutzung von Stand-by-Funktionen bei elektrischen Geräten sein, die aus Unwissenheit, möglicherweise auch Bequemlichkeitsgründen, genutzt werden. So treten durch Stand-by-Funktionen sog. Leerlaufverluste auf, die unnötig Energiekosten nach sich ziehen. So machen Leerlaufverluste bei einem Drei-Personen Haushalt durchschnittlich etwa zehn Prozent bzw. 400 kWh pro Jahr des Haushaltsstromverbrauchs aus. Ist ein Haushalt umfangreich technisch ausgestattet, können sich die Leerlaufverluste gar bis auf 800 kWh summieren.[110]

 

Eine weitere mögliche Ursache für Energiearmut und -überschuldung kann der jährliche Abrechnungszyklus sein, wenn zusätzlich die Zählerstände nicht kontrolliert werden und der eigene Stromverbrauch unbekannt ist. Dadurch gerät der tatsächliche Verbrauch häufig aus den Augen und zu niedrige Abschlagszahlungen werden dann nicht bemerkt. Da sich die Energieschuld dann Monat für Monat anhäuft, kommt mit der Jahresabrechnung der Schock mit einer hohen Nachforderung, die nicht bedient werden kann.[111] In selteneren Fällen ergeben sich auch Nachzahlungen von mehreren tausend Euro. Dies lässt sich mitunter damit erklären, dass Versorgungsunternehmen die Verbrauchsablesung ihren Kunden selbst überlassen. Wird der tatsächliche Verbrauch jedoch nicht abgelesen und rückgemeldet, so wird der Verbrauch vom Energieversorger anhand von Durchschnittswerten geschätzt, oftmals vorsichtig, d. h. zu niedrig. Die Forderungen können so unbemerkt sehr hoch werden. Die tatsächlichen Kosten werden erst dann bekannt, wenn beispielsweise der Zähler ausgetauscht wird oder der Kunde umzieht.[112]

 

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