Dieses Kapitel dient der Klärung der grundlegenden, themenrelevanten Begriffe, auf denen diese Arbeit aufbaut. Eine Untersuchung von innovationskritischem Personalvermögen für globale Dienstleistungsunternehmen erfordert Kenntnisse über globale Dienstleistungsunternehmen, Innovationen und Personalvermögen. So wird im Folgenden beschrieben, was globale Dienstleistungsunternehmen sind, und im Anschluss dargestellt, was in dieser Arbeit mit innovationskritischem Personalvermögen gemeint ist.
Globale Dienstleistungsunternehmen sind dem Begriff nach Unternehmen, die Dienstleistungen in der globalen Wirtschaft erbringen. Für eine nähere Betrachtung bietet sich eine Aufteilung auf die einzelnen Begriffsbestandteile an. Hier wird zunächst erläutert, was eine Dienstleistung von anderen Leistungen unterscheidet. Anschließend folgt eine Abgrenzung des Dienstleistungsunternehmens als Spezialisierung eines allgemeinen Unternehmens. Eine Betrachtung des Begriffs „global“ als Abkürzung für „globale Wirtschaft“ schließt das Kapitel.
Der Begriff „Dienstleistung“ besteht aus den Komponenten „Dienst“ und „Leistung“. Ein Dienst ist eine Tätigkeit, die man für jemanden erbringt, der einen dafür entlohnt: „Man will etwas verdienen, in dem man jemanden bedient, und zwar nach dessen Wünschen und nicht unbedingt nach den eigenen Vorstellungen (‚Visionen‘).“[12] Eine Leistung bezeichnet aus betriebswirtschaftlicher Sicht das Ergebnis eines Geschäftsprozesses, also einer Kombination verschiedener Produktionsfaktoren.[13] Dabei unterscheidet die betriebswirtschaftliche Literatur grob in Sach- und Dienstleistungen.[14] Eine Sachleistung ist ein materielles Gut, also das klassische Produkt, das hergestellt und verkauft wird.[15] Bei der Definition der Dienstleistung gibt es nach Corsten drei Ansätze:[16] ein enumerativer (simple Aufzählung), ein negativer (Abgrenzung von Sachleistungen), und ein konstitutiver (anhand wesentlicher, bestimmender Merkmale).[17]
Abb. 1: Integrativer Leistungserstellungsprozess
Quelle: Kleinaltenkamp, 1997, S. 351 nach Fließ, 2009, S. 21.
Für wissenschaftliche Zwecke erweist sich lediglich der konstitutive Ansatz als operational, den anderen liegen keine verbindenden Eigenschaften zugrunde. Um den Kern einer Dienstleistung zu erfassen, bietet sich eine Orientierung an den drei allgemeinen Leistungsdimensionen Leistungspotential, Leistungserstellungsprozess und Leistungsergebnis an (vgl. Abb. 1).[18] Das Leistungspotenzial bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft zur Leistungserbringung durch Bereithaltung und Vorkombination von Potenzial- und Verbrauchsfaktoren.[19] Im Leistungserstellungsprozess werden diese Faktoren kombiniert, um das Leistungsergebnis zu erstellen.[20] Hier gibt es bereits einen fundamentalen Unterschied: „Im Gegensatz zur Sachleistung ist der Leistungsempfänger in den Dienstleistungsprozess unmittelbar eingebunden.“[21] Der Nachfrager aktiviert das Leistungspotenzial durch Bereitstellung externer Faktoren, die im Leistungserstellungsprozess mit internen Faktoren kombiniert werden (Integrativität)[22] und somit zum Leistungsergebnis führen, welches direkt konsumiert wird (Uno-actu-Prinzip).[23] Das Ergebnis ist häufig ein Leistungsbündel mit materiellen und immateriellen Anteilen, wobei die immateriellen Anteile bei reinen Dienstleistungen überwiegen.[24] Immaterialität kann verstanden werden als „Nicht-Körperlichkeit, Nicht-Greifbarkeit und damit Substanzlosigkeit eines Gutes“[25], Dienstleistungen lassen sich also nicht speichern, lagern oder transportieren. Sie lassen sich nicht auf Vorrat produzieren und sind so stark abhängig vom Nachfrageverhalten der Kunden, die sich wiederum ausschließlich aufgrund des Leistungspotenzials (auch: Leistungsversprechen) für oder gegen eine Dienstleistung entscheiden müssen, da es aufgrund der Immaterialität keine Sucheigenschaften gibt.[26]
Aufgrund der personalwirtschaftlichen Orientierung liegt der Fokus in dieser Arbeit auf Dienstleistungen, die nicht vollständig automatisiert werden können. Verknüpft mit Innovationen ergeben sich so spezielle personalwirtschaftliche Problemstellungen, die in dieser Arbeit untersucht werden sollen.
Ein Dienstleistungsunternehmen ist ein Unternehmen, dessen Wertschöpfung ausschließlich auf der Erbringung von Dienstleistungen und damit auf Individualarbeit basiert.[27] Hiervon abzugrenzen sind Unternehmen, die ihre Produkte durch begleitende Dienstleistungen ergänzen. Wie alle Unternehmen befinden sich auch Dienstleistungsunternehmen in zunehmendem turbulentem Wettbewerb.[28] Die ständige Anpassung an die dynamische Umwelt führt häufig zu neuen Dienstleistungen und erfordert eine hohe Flexibilität im Management und bei den Beschäftigten. Das sogenannte Dienstleistungsmanagement versucht, diesen Anforderungen gerecht zu werden.[29] Mit Blick auf die Fachkräfte im Unternehmen, die am Ende die eigentliche Dienstleistung erbringen und in dieser Arbeit im Fokus stehen, rückt der sogenannte Service Encounter, also die Zeitspanne der Interaktion des Kunden mit der Dienstleistung bzw. speziell den Dienstleistungsmitarbeitenden, schnell in den Mittelpunkt der Betrachtung.[30]
Die globale Wirtschaft ist die Folge der Globalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. „Unter Globalisierung versteht man die weltweite Ausdehnung der Geschäftsfelder einer internationalen Unternehmung.“[31] Sie führt zu einem globalen Markt mit globaler Konkurrenz auf allen Teilmärkten, in klassischen Produktions-, aber auch Dienstleistungsunternehmen. Ein globaler Markt zeichnet sich dadurch aus, dass nationale Grenzen an ökonomischer Bedeutung verlieren, es entsteht ein Weltmarkt mit zunehmender Intensivierung des Wettbewerbs auf Beschaffungs-, Produktions- und Absatzmärkten.[32] Ein derart weltweiter und unbehinderter Wettbewerb führt zu permanentem Innovationsdruck.[33]
Als mögliche Gründe für eine zunehmende Globalisierung werden in der Literatur „die gestiegene Mobilität der Dienstleistungsanbieter und -nachfrager, die zunehmende Angleichung der Dienstleistungsbedürfnisse sowie die verbesserte Möglichkeit, auch mit weit entfernten Kunden in Kontakt zu treten“[34] genannt. Zudem ermöglicht eine Globalisierung die „Nutzung von Größen-, Standortvorteilen oder auch dem Beibehalten der Wettbewerbsfähigkeit.“[35] Hindernisse für die Globalisierung sind ökonomisch-struktureller, rechtlich-politischer, soziokultureller, ressourcenbasierter sowie dienstleistungsimmanenter Natur.[36]
Der Begriff „innovationskritisches Personalvermögen“ basiert auf den Konzepten der Innovation und des Personalvermögens, die beide in diesem Kapitel dargestellt werden. Der Bestandteil „kritisch“ in „innovationskritisch“ bezeichnet in dieser Arbeit dasjenige Personalvermögen, das ein Unternehmen benötigt, damit Innovationen stattfinden können.[37]
Das Konzept der Innovation geht zurück auf Schumpeters Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung aus dem Jahre 1931. Die darin beschriebene diskontinuierlich auftretende neue Kombination von Produktionsmitteln (zum Zwecke der wirtschaftlichen Entwicklung) wird allgemein als ursprüngliche Definition angegeben, wenngleich Schumpeter selbst diesen Sachverhalt noch nicht als Innovation bezeichnete.[38] Er sprach viel mehr von einem Prozess der schöpferischen Zerstörung.[39] Nach Hauschildt lässt sich „die zunehmende Verwendung des Begriffs Innovation […] erst in den 50er Jahren nachweisen. Die wesentlichen Präzisierungen des Begriffs erfolgen in den 80er Jahren.“[40]
Das Feld der Innovationsforschung hat sich stetig erweitert, wodurch sich auch die Bedeutung des Begriffs gewandelt hat. Eine...