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Lehrprüfung und Lehrbeanstandung im Recht der katholischen Kirche

Eine kanonistische Studie

AutorSiegfried Höfinger
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl73 Seiten
ISBN9783656278498
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Jura - Andere Rechtssysteme, Rechtsvergleichung, Note: 2,00, Universität Wien (Institut für Kanonisches Recht), Sprache: Deutsch, Abstract: Dargestellt wird in der vorliegenden Arbeit das Lehrbeanstandungsverfahren in der katholischen Kirche. Ausgehend von der Frage nach der Legitimität eines derartigen Verfahrens werden im ersten Teil die Forderungen untersucht, die während des Zweiten Vatikanischen Konzils von Konzilsvätern erhoben wurden, auch denen, die den Glauben verkünden und die Glaubenswahrheiten erforschen, größeren rechtlichen Schutz zukommen zu lassen. Im Mittelteil folgt eine Besprechung der beiden römischen Verfahrensordnungen. Im letzten Teil der Arbeit werden die in Rom bisher abgeschlossenen Verfahren daraufhin analysiert, ob die betroffenen Theologen den Konflikt aufgrund ihrer Aussagen zur Glaubens- oder zur Sittenlehre heraufbeschworen haben.

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Leseprobe

4. Sorge der Hirten der Kirche für die Bücher


 

Die Bestimmungen des Codex Iuris Canonici von 1917 betreffend die Sorge für die Bücher (Caput I: De praevia librorum censura, cc. 1385-1394; Caput II: De prohibitione librorum, cc. 1395-1405) mit den Rechtsaussagen über die Druckerlaubnis („Imprimatur“) sind neugeordnet und „durch Rechtsaussagen zu anderen Medien erweitert worden. Das ist einsichtig, nachdem das Zweite Vatikanische Konzil den Kommunikationsmitteln in einem eigenen Dekret seine Aufmerksamkeit zugewandt hat.“[25] Dabei handelt es sich um das Dekret über die sozialen Kommunikationsmittel Inter mirifica.

 

Die in Caput I geregelte vorausgehende Prüfung und Beurteilung der Bücher lassen sich „bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen und ergeben sich mit Konsequenz aus der Erfindung der Buchdruckerkunst.“[26] Dabei sollte man nicht übersehen, dass Zensur bis ins frühe Christentum zurückgeht. Nach dem Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf bietet das Decretum Gelasianum von 494 „erstmals so etwas wie einen Index der verbotenen Bücher, eine Liste von rund sechzig apokryphen und häretischen Werken – allerdings noch ohne die Androhung von Sanktionen.“[27] Dieses unter dem Namen des Papstes Gelasius I. überlieferte Werk – eigentlich: Decretum Gelasianum de libris recipiendis et non recipiendis – wurde jedoch als Falsum entlarvt.[28]

 

Auch im Mittelalter wurden einzelne Autoren und ihre Werke von der Kirche verurteilt. Beispielsweise: Berengar von Tours (1050), Petrus Abaelard (1120), Johannes Scotus Eriugena (1225), Marsilius von Padua (1327), John Wyclif (1387, 1413) oder Jan Hus (1415). Der jüdische Talmud „wurde mehrfach verboten und verbrannt, so in Paris 1242. Die Werke des Aristoteles waren von der Sorbonne 1210 und 1230 verboten worden, seine Bücher wurden jedoch nicht verbrannt, sondern von Dominikanern und Franziskanern konfisziert.“[29]

 

Produktion, Verkauf, Lektüre und Besitz der Schriften Martin Luthers waren im Wormser Edikt 1521 „unter Androhung harter Strafen verboten worden. Der Kaiser folgte hier den römischen Vorgaben, denn mit der Bulle ‚Exsurge Domine‘ waren 1520 Luthers Werke vom Papst verdammt worden.“[30]

 

Die Sorbonne in Paris veranlasste im Jahr 1544 erstmals „die Publikation eines Verzeichnisses mit 230 gefährlichen Büchern in lateinischer und französischer Sprache. In rascher Folge kamen in den Jahren 1545, 1547, 1549, 1551 und 1556 erweiterte Neuauflagen des Katalogs auf den Markt. Sie umfassten schließlich 530 Bücher, 278 lateinische und 258 französische. Zumeist handelte es sich um theologische Traktate, Polemiken und andere Werke der Reformatoren und ihrer Anhänger.“[31] Es liegt auf der Hand, dass Kataloge dieser Art erst nach der Erfindung des Buchdrucks notwendig waren. Davor war es ausreichend, ein handschriftlich verbreitetes Exemplar eines als gefährlich angesehenen Werks einfach dem Feuer zu übergeben. Dem Sorbonner Vorbild „folgte in den Jahren 1546, 1550 und 1558 der Index der Universität Löwen. Er umfasste schließlich 450 Bücher, darunter 60 Ausgaben der Heiligen Schrift und des Neuen Testaments.“[32]

 

Im Jahr 1549 erschien in Venedig der erste Index librorum prohibitorum des Nuntius Giovanni della Casa (1503-1556). Er enthielt „149 Bücherverbote in drei Gruppen: zunächst Autoren, deren ganzes Œuvre verboten war, dann einzelne Werke bestimmter Verfasser und schließlich anonyme Schriften.[33] Ausführlichere Kataloge erschienen „1552 zu Florenz, 1554 zu Mailand, der erste in späterhin gebräuchlichen Form zu Rom 1559. Er enthielt Schriften der Kardinäle, die Gedichte jenes Casa selbst. Nicht allein Druckern und Buchhändlern wurden diese Gesetze gegeben, selbst den Privatleuten ward es zur Gewissenspflicht gemacht, die Existenz der verbotenen Bücher anzuzeigen, zu ihrer Vernichtung beizutragen. Mit unglaublicher Strenge setzte man diese Maßregel durch.“[34]

 

Einem 1547 durch die Portugiesische Inquisition zusammengestellten Katalog (160 Bücherverbote), der noch nicht gedruckt wurde und zumindest zum Teil die Sorbonner Liste rezipierte, „folgte 1551 eine gedruckte ‚schwarze Liste‘ mit rund 500 Verdammungen, die überwiegend auf den Löwener Katalog zurückgingen. Der erste Index der Spanischen Inquisition wurde ebenfalls 1551 gedruckt. Eine erweiterte Ausgabe erschien 1559 mit 698 Bücherverboten, darunter immerhin 15 deutsche Werke protestantischer Autoren.“[35]

 

1571 errichtete Pius V. eine eigene Index-Kongregation, deren Aufgaben aber mit dem kirchlichen Gesetzbuch von 1917 dem Heiligen Offizium übertragen wurden, das am 7. Dezember 1965 in Sacra Congregatio pro Doctrina Fidei und im Zuge der Reform im Jahr 1988 in Congregatio de Doctrina Fidei (Art. 48 Pastor Bonus) umbenannt wurde. Die Bücherverbote des Heiligen Stuhls wurden im Päpstlichen Amtsblatt, den Acta Apostolicae Sedis, veröffentlicht; zugleich wurde jedes ausdrückliche verbotene Buch in den Index aufgenommen. Das Verbot eines Buches hatte zur Folge, dass es ohne Erlaubnis nicht herausgegeben, gelesen, aufbewahrt, verkauft, in fremde Sprachen übersetzt und in keiner Weise anderen überlassen werden durfte.

 

Während der Zeit des Nationalsozialismus „rückten römische Bücherverbote noch einmal in den Mittelpunkt des Interesses. Denn durch Dekret des Heiligen Offiziums vom 7. Februar 1934, also ein knappes Jahr nach der ‚Machtergreifung‘ Adolf Hitlers und rund fünf Monate nach der Ratifizierung des Reichskonkordats, war einer der Chefideologen der ‚Bewegung‘, Alfred Rosenberg (1893-1946), mit seinem Mythus des 20. Jahrhunderts auf dem Index gelandet.“[36] Auffallend ist, dass Adolf Hitlers Mein Kampf nicht auf den Index gesetzt wurde; die Gründe dafür konnten bislang nicht aufgeklärt werden.[37]

 

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war die Zahl der Indizierungen „insgesamt drastisch zurückgegangen; überdies hatte der römische Bannstrahl zumeist ‚nur‘ noch ‚progressive‘ katholische Theologen wie den Dominikaner Marie-Dominique Chenu (1895-1990) als Vertreter der ‚Nouvelle Théologie‘ (1942) oder die deutschen Reformer Georg Koepgen, Matthias Laros (1941), Ernst Michel (1952) und Josef Thomé (1955) sowie den Schweizer Otto Karrer (1942) getroffen. Die Indizierung von Intellektuellen […] blieb eher die Ausnahme.“[38]

 

Die letzte amtliche Neuausgabe des Index erschien auf Befehl Pius XII. im Jahre 1948. Danach „publizierte die vatikanische Druckerei am 5. Januar 1954 lediglich noch ein Beilageblatt, das die seither erfolgten 15 Indizierungen auf einer Seite auflistete.“[39] Unter den 15 Indizierten findet man z.B.: Sartre, Jean-Paul. Opera omnia. 27 oct. 1948. Aber auch: Klein, Joseph. Grundlegung und Grenzen des kanonischen Rechts. 20 sept. 1950.

 

„Die nachfolgende Beurteilung von Büchern […] und der […] ‚Index librorum prohibitorum‘ waren lange Gegenstand heftiger Angriffe auch innerhalb des Kirchenvolks.“[40] In den Voten der Bischöfe der Jahre 1959/60 zu den auf dem bevorstehenden Konzil zu behandelnden Themen spielte das Thema Index indessen „überraschenderweise nur eine untergeordnete Rolle. Wenn der Index und Buchverbote überhaupt angesprochen wurden, ging es vor allem um Verfahrensfragen. Nur ein einziger Bischof, Wilhelm Kempf (1906-1982) aus Limburg, verlangte ausdrückliche eine Abschaffung des Index.“[41]

 

Obwohl manche Kardinäle die Hoffnung hegten, „das Konzil werde zum Index Grundsätzliches beschließen, befasste es sich bei seinen Beratungen im Petersdom nie ausdrücklich mit dieser Thematik.“[42] Lediglich im Zuge der Debatte über den Entwurf Über die Instrumente sozialer Kommunikation auf dem Zweiten Vatikanum plädierte der Erzbischof von Siena, Ismaele Mario Castellano, für die „Abschaffung des Index verbotener Bücher und fand dafür manche Zustimmung im Plenum.“[43] Bereits kurz nach dem Abschluss des Konzils, am 14. Juni 1966, hob die Kongregation für die Glaubenslehre den Index der verbotenen Bücher auf. Durch Dekret der Kongregation für die Glaubenslehre vom 15. November 1966[44] wurden „die gesetzlichen Bücherverbote (c. 1399 CIC/1917) abgeschafft und die Strafen, die auf Grund dieser Verbote eingetreten waren (vgl. c. 2318 CIC/1917), aufgehoben.“[45] Auf die Vorgänge bei der Abschaffung des Index wird unten nochmals genauer einzugehen sein.

 

Wir können daher festhalten: Es gibt heute kein rechtlich geregeltes Mittel der nachfolgenden Beurteilung von Schriften mehr, wenn man von der Bestimmung in c. 823 § 1 CIC absieht:

 

Can. 823 — § 1. Um die Unversehrtheit der Glaubenswahrheiten und der Sittenlehre zu bewahren, ist es Pflicht und Recht der...

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