Neue Studie zeigt, dass manche Ärzte sogar achtzigjährigen Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkrebs Darmkrebs-Screenings empfehlen würden

Viele Ärzte würden selbst ihren älteren Patienten mit schweren Erkrankungen ein Darmkrebs-Screening empfehlen, so lautet das Ergebnis einer Studie von David Haggstrom vom Richard L. Roudebush VA Medical Center in Indianapolis (USA) und seinem Team. Das Verfahren hätte für solche Patienten jedoch keinerlei Vorteil und ein unnötiges Screening würde voraussichtlich mehr schaden als nützen. Ihre Arbeit¹ erscheint in der Online-Ausgabe der Zeitschrift Journal of General Internal Medicine² von Springer.

Es gibt keinerlei medizinische Beweise dafür, dass ein Darmkrebs-Screening Vorteile für Patienten mit begrenzter Lebenserwartung hat. Auch wenn Richtlinien das Screening für Patienten ab 50 empfehlen, ist es unwahrscheinlich, dass ältere Patienten mit schweren Erkrankungen von einer frühzeitigen Krebserkennung profitieren.

Haggstrom und seine Kollegen untersuchten, ob das Alter und der Gesundheitszustand von Patienten Einfluss auf die Entscheidung zur Empfehlung eines Darmkrebs-Screenings haben. Von September 2006 bis Mai 2007 befragten die Wissenschaftler 1.266 Ärzte aus den Fachgebieten Allgemeine Innere Medizin, Familienmedizin sowie Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Dabei wurden den Ärzten neun Patientenszenarios vorgelegt, bei denen das Alter und die bestehenden Krankheiten der Patienten variierten. Das Alter der Patienten wurde in drei Bereiche unterteilt: 50, 65 und 80 Jahre. Es gab drei grundlegende Krankheitszustände: Gesunde Patienten ohne Erkrankung, Patienten mit mittelschwerer Erkrankung (ischämische Kardiomyopathie*) und Patienten mit schwerer Erkrankung (fortgeschrittener Lungenkrebs). Für jedes Szenario wurden die Ärzte gefragt, welchen Screeningtest sie gegebenenfalls empfehlen würden.

Insgesamt empfahlen die Ärzte weniger Screenings, je schwerer die Grunderkrankung war. Die Empfehlungsrate für Screenings nahm auch mit zunehmendem Patientenalter ab. Darüber hinaus empfahlen die Ärzte häufiger invasive Screenings, je gesünder der Patient war, z. B. die Darmspiegelung anstelle nicht-invasiver Tests wie dem Test auf okkultes Blut im Stuhl (FOBT fecal occult blood testing).

Allerdings empfahlen 25 Prozent der Allgemeinärzte ein unnötiges Darmkrebs-Screening für einen 80-jährigen Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkrebs. Interessanterweise empfahlen Ärzte im Bereich der Frauenheilkunde und Geburtshilfe häufiger das Darmkrebs-Screening für achtzigjährige Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkrebs als Ärzte aus anderen Bereichen. Ärzte mit Zugang zu elektronischen Patientenakten empfahlen das Sceening seltener für ältere Patienten mit schweren Erkrankungen.

Die Autoren kommen zur Schlussfolgerung: „Die meisten Ärzte passen ihre Empfehlungen dem unterschiedlichen Alter und Krankheitszustand des Patienten an. Dennoch gibt es eine beträchtliche Anzahl von ‚Ausreißern‘, die Patienten mit begrenzter Lebenserwartung das Screening empfehlen, obwohl der Screeningtest für sie keinerlei Vorteile bietet und potentiell sogar gefährlich ist. Es sind weitere Anstrengungen nötig, um besser zu verstehen, wie das Vertrauen bei Ärzten gestärkt werden kann, kein Screening mehr zu empfehlen, wenn es keinen klinischen Nutzen bietet. Auch der Einfluss zu vieler Screenings mit riskanten Verfahren auf die Patientenresultate sollte quantifiziert werden.“

* Herzkrankheit mit Vergrößerung des Herzmuskels

Quelle
1. Haggstrom DA et al (2012). Variation in primary care physicians‘ colorectal cancer screening recommendations by patient age and comorbidity. Journal of General Internal Medicine; DOI: 10.1007/s11606-012-2093-6
2. Das Journal of General Internal Medicine ist das Fachorgan der Society of General Internal Medicine (SGIM).

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