Es ist allgemein bekannt, welchen psychischen Belastungen die Opfer des 11. Septembers ausgesetzt waren. Aber wer hat sich Gedanken darüber gemacht, welche Auswirkungen die Terroranschläge bei denen hinterlassen haben, die die Opfer behandelt haben? Eine neue Studie von Dr. Mary Pulido, von der New York Society for the Prevention of Cruelty to Children in the US, zieht eine ernüchternde Bilanz darüber, wie psychologische Fach- und Pflegekräfte die Anschläge erlebten und wie wenig Hilfe sie bekamen. Ihre Forschungsstudie, die in Springers Clinical Social Work Journal erscheint, macht deutlich, wie wichtig es ist entsprechende Schulungen zu entwickeln und die Hilfseinrichtungen für Betreuer zu verbessern, um sekundäre traumatische Belastungen zu bekämpfen.

Es ist bekannt, dass auch eine sekundäre Belastung, die durch traumatische Ereignisse anderer verursacht wurde, Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung hervorrufen kann. Bei Katastrophen könnten psychologische Betreuer einem besonders erhöhtem Risiko ausgesetzt sein, so genannte sekundäre traumatische Belastungen zu entwickeln. Sie sind nicht nur den Stressoren und den psychischen Leiden ausgesetzt, die ihre Patienten durchleiden, sie tragen auch die berufliche Bürde, dass jeder erwartet, dass sie auf emotionaler Ebene immer ihren Patienten gegenüber offen bleiben und erreichbar sind. Im Falle des 11. Septembers waren psychologische Betreuer außerdem der gleichen Katastrophe ausgesetzt, wie die Menschen, denen sie halfen.

Um besser zu verstehen, wie sich die indirekte Aussetzung durch Terrorismus auswirkt, führte Pulido sehr persönliche Interviews mit 26 psychologischen Fach- und Pflegekräften (eine Mischung aus Therapeuten, Sozialarbeitern, und Psychologen). Sie alle therapierten Patienten im Zusammenhang mit dem 11. September. Pulido fragte sie, wie intensiv sie mit Patienten des 11. Septembers arbeiteten, wie die Arbeit mit diesen Patienten und deren Problemen sie beeinflusst hat und welche Unterstützung sie von ihren Arbeitgebern erhielten, um mit dem Stress, der durch den 11. September verursacht wurde, umzugehen.

Die Erfahrungen der psychologische Fachleute hingen von der Patientengruppe ab, die sie betreuten: manche behandelten Angehörige, die Familienmitglieder verloren hatten, andere hatten mit Menschen zu tun, die aus den brennenden Türmen entkommen konnten und wieder andere arbeiteten mit Menschen, die indirekt den Anschlägen ausgesetzt waren, die aber trotzdem verängstigt waren und typische Symptome hatten. Dreißig Monate nach den Anschlägen konnte bei den psychologischen Betreuern, die Opfer des 11. Septembers behandelten, hohe Werte für sekundäre traumatische Belastungen nachgewiesen werden. Die interviewten Psychologen waren selbst von der Intensität ihres Belastungsniveaus überrascht. Außerdem beschrieben sie das Angebot an Begleitung und Unterstützung durch den Arbeitgeber als ‚schwach‘, sagten aber, dass Unterstützung von Kollegen hilfreich war.

Dr. Pulido fasst zusammen: „Die Interviews wurden mehrere Jahre nach den Anschlägen durchgeführt. Für viele war es das erste Mal, dass sie über ihre Arbeit nach dem 11. September und den Stress den sie erlebten, sprachen. Allein dieser Faktor spricht Bände über die mangelnde Unterstützung, die sie erhielten, während sie den Patienten solche intensive klinische Betreuung boten. Diese Ergebnisse müssen in die Ausbildung und Praxis eingebunden werden.“

Quelle: Pulido ML (2012). The ripple effect: lessons learned about secondary traumatic stress among clinicians responding to the September 11th terrorist attacks. Clinical Social Work Journal. DOI 10.1007/s10615-012-0384-3

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