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Aktuelle Aspekte der Pathogenese und Therapie der Schizophrenie

VerlagSpringer-Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl145 Seiten
ISBN9783211291092
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Am 7. November 1904 wurde der Neubau der 'Königlich-Psychiatrischen K- nik in München' von E. Kraepelin als eigenständige Psychiatrische Univer- tätsklinik feierlich eröffnet. Vom 4. bis 6. November 2004 fanden die Feierli- keiten zum 100-jährigen Klinikjubiläum statt. Bekannte Namen wie Bernhard von Gudden, Emil Kraepelin, Franz Nissl und Alois Alzheimer waren Pioniere des Faches, die an der Psychiatrischen Klinik der Universität München - forscht und mit ihren Entdeckungen die Grundlagen für die nachfolgende Entwicklung des Fachs im Allgemeinen, aber auch für die Schizophrenie- Forschung gelegt haben. Besonders Emil Kraepelin, der von 1904 bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1922 Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik in München war, beschäftigte sich intensiv mit Verlaufsaspekten der Schizophrenie, ein wese- licher Gesichtspunkt von Kraepelins Konzept der 'Dementia praecox' ist vor allem der Langzeitverlauf, der bei dieser Patientengruppe ungünstig ist. In der Tradition der Kraepelin'schen Forschung stehen neben Verlau- untersuchungen vor allem biologisch-psychiatrische Themen wie Genetik, hirnstrukturelle Untersuchungen, aber auch der Akut- und Langzeittherapie bei Schizophrenie. Diese Themen wurden von führenden, schwerpunktmäßig deutschsprachigen Forschern auf dem Symposium vertreten und finden sich in diesem Band wieder. Der vorliegende Band fasst die Beiträge des Symposiums 'Aktuelle Aspekte der Pathogenese und Therapie der Schizophrenie' zusammen und gibt einen breit gefächerten Überblick über aktuelle Fragestellungen zur Schizophrenie von Grundlagenforschung bis zu praktisch-therapeutischen Gesichtspunkten. Die Herausgeber hoffen, dass der Band auf ebenso reges Interesse stößt wie die Symposiumsbeiträge bei der 100-Jahr-Feier.

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Leseprobe

Das Konzept der Entwicklungsstörung in der Schizophrenie-Forschung (S. 81-82)

P. Falkai
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar, Bundesrepublik Deutschland

Einleitung

Emil Kraepelin führte in seinem Lehrbuch „Psychiatrie. Ein Lehrbuch für Studirende und Aerzte" (1899) aus, dass die Dementia praecox eine degenerative Erkrankung sei. Hierzu legt er dar: „Wir kommen somit zu dem Schlusse, dass in der Dementia praecox höchst wahrscheinlich eine theilweise Schädigung oder Vernichtung von Hirnrindenzellen stattfindet, die sich in einzelnen Fällen wieder ausgleichen kann, meist aber eine eigenartige, dauernde Beeinträchtigung des Seelenlebens nach sich zieht …" (Kraepelin 1899). Für eine Subgruppe von Patienten (20%) will er aber Anzeichen einer gestörten Entwicklung gesehen haben. Hierzu steht geschrieben: „In etwa 20% der Fälle waren von Jugend auf allerlei Eigenthümlichkeiten des Wesens bemerkt worden, Verschlossenheit, Aengstlichkeit, Schrullenhaftigkeit, Reizbarkeit, Neigung zu übertriebener Frömmelei oder zum Verbrechen. Auch körperliche Entartungszeichen fanden sich öfters, Kleinheit oder Verbildungen des Schädels, kindlicher Habitus, …" (Kraepelin 1899).

Es ist erstaunlich, wie modern Kraepelins Sichtweise zur Pathophysiologie der Schizophrenie, der Dementia praecox, in der damaligen Zeit ist und insbesondere, dass er für ca. 20% der Patienten klar umschriebene Störungen der Hirnentwicklung sieht. Im folgenden wird die Evidenz für und gegen die Entwicklungshypothese der Schizophrenie zusammengefasst, die neue Überlegungen zu regionenspezifischen pathopysiologischen Prozessen hervorbringt.

Evidenz für die Hirnentwicklungshypothese der Schizophrenie

Vor ca. 20 Jahren wurde die Hirnentwicklungshypothese der Schizophrenie unter anderem von Weinberger postuliert und als Konzept publiziert (Weinberger 1987). 13 Jahre später wurden die wesentlichen Aspekte erneut zusammengeführt (Marenco und Weinberger 2000). Nachfolgend wird eine eigene Gliederung zu diesem Thema angewandt, um wesentliche Aspekte der Neuro biologie der Schizophrenie darzustellen. Folgende Evidenzen sprechen für die Hirnentwicklungshypothese der Schizophrenie: 1. Klinisch-epidemiologische Evidenz Betrachtet man die einzelnen Entwicklungsschritte eines Menschen, so finden sich z.B. so genannte „minor physical anomalies" gehäuft bei Patienten mit einer Schizophrenie (z.B. Waddington et al. 1998). Diese sind z.B. minimale Formabweichungen in der Nasolabialfalte, des Augenabstandes etc., die über die normale Streuung einer Kontrollpopulation hinausgehen. Darüber hinaus zeigen Menschen, die später eine Schizophrenie entwickeln, in ihrer Kindheit quantitative Normabweichungen in den Bereichen motorische, kognitive und emotionale (soziale) Entwicklung, d.h., sie lernen später laufen, bleiben bezüglich der kognitiven Entwicklung ebenfalls hinter der Kontrollgruppe zurück und haben längere Zeit eine erhöhte Ängstlichkeit im Umgang mit Gleichaltrigen (Jones et al. 1998).

In der Phase der Prodromalsymptome, aber spätestens nach der Ausbildung der Erstmanifestation einer Schizophrenie, sind kognitive Störungen in allen Bereichen vorhanden. Bemerkenswerterweise verbessern sich diese im Verlauf der Erkrankung über zwei bzw. fünf Jahren unwesentlich oder nur in einzelnen Teilbereichen (Albus et al. 2002, Hoff et al. 1999). Insbesondere bei diesem Aspekt würde man bei einer klassischen degenerativen Erkrankung erwarten, dass sich kognitive Veränderungen im Krankheitsverlauf verschlechtern, oder – wenn der Krankheitsprozess mit Ausbildung der Erstmanifestation weitgehend zum Stillstand gekommen ist – dass unter Umständen eine tendenzielle Besserung auftritt.

Inhaltsverzeichnis
Vorwort5
Inhaltsverzeichnis6
Kraepelin and the new trends in psychiatric nosology7
Dissatisfaction with psychiatric classifications7
The schisms in psychiatric nosology8
The background of psychiatric classifications10
The theory of classification in medicine and psychiatry14
New trends (and hopes)15
Functional approaches to classification16
Intermediate traits or phenotypes20
Cladism20
Summary21
References21
Syndromale Brücke zwischen affektiven und schizophrenen Erkrankungen27
Einleitung27
Das Beispiel Schizoaffektive Erkrankungen28
Das Paradigma „Akute Polymorphe Psychosen“29
Schlussfolgerung33
Literatur33
Früherkennung und Frühintervention im initialen Prodrom vor der psychotischen Erstmanifestation35
1. Vorhersage psychotischer Erstmanifestationen im initialen Prodrom35
2. Frühintervention vor psychotischen Erstmanifestationen im initialen Prodrom38
3. Früherkennungs- und Frühinterventionsforschung im Kompetenznetz Schizophrenie40
4. Erste Ergebnisse zur Frühintervention aus dem Kompetenznetz Schizophrenie44
5. Voraussetzungen der Arbeit in den Früherkennungszentren45
Literatur45
Verlaufsuntersuchungen zur Schizophrenie49
Einleitung49
Verlauf und Ausgang der Schizophrenie49
Prädiktoren des schizophrenen Krankheitsverlaufs54
Zusammenfassung und Fazit57
Literatur58
Bildgebende Verfahren in der Schizophrenieforschung61
Einleitung61
Welche pathomorphologischen Veränderungen liegen strukturellen Hirnveränderungen zugrunde?63
Die Bedeutung von ZNS-Veränderungen in der Neurobiologie der Schizophrenie64
Objektivierung kognitiver Defizite mit der funktionellen MRT66
Bedeutung von Neurotransmitterstörungen für die Pathogenese und Klinik der schizophrenen Störung66
Zusammenfassung67
Literatur68
Aktuelle Aspekte genetischer Forschung bei Schizophrenie75
Historische Vorbemerkung75
Ausgangsbedingungen für die Suche nach risikomodulierenden Genen76
Funktion der bekannten Dispositionsgenprodukte79
Suche nach pathogenen Mutanten in identifizierten Dispositionsgenen80
Assoziative Suchstrategien nach Dispositionsgenen80
Modulatorgene82
Schlussfolgerung83
Literatur83
Das Konzept der Entwicklungsstörung in der Schizophrenie-Forschung87
Einleitung87
Evidenz für die Hirnentwicklungshypothese der Schizophrenie87
Progression auch ohne Degeneration90
Zusammenfassung93
Anmerkung95
Literatur95
Schizophrenie, Entzündung und glutamaterge Neurotransmission: ein pathophysiologisches Modell99
Zusammenfassung99
Einleitung100
Dopaminerg-glutamaterge Imbalance bei Schizophrenie100
NMDA-Rezeptor Hypofunktion und Schizophrenie101
Genetik des Immunsystems und der NMDA-Rezeptor-Dysfunktion102
Entzündung, neuronale Entwicklung und NMDA-Rezeptor-Dysfunktion104
Immunsensibilisierung in der prä- und postnatalen Periode104
Entzündung und Schizophrenie105
Polarisierte Typ-I und Typ-II Immunantwort107
Reduzierte Typ-I-Immunantwort bei Schizophrenie108
IL-6 und Schizophrenie109
Aktivierung der Typ-II-Immunantwort bei Schizophrenie109
Antipsychotika rebalancieren die Typ-I/Typ-II-Dysbalance110
Astrozyten, Mikroglia und Typ-I/Typ-II-Immunantwort111
Die Typ-I/Typ-II-Immunantwort-Imbalance bei Schizophrenie fördert die112
Produktion des endogenen NMDA-Rezeptor-Antagonisten Kynurenin-Säure112
Die zelluläre Quelle von Kynurenin-Säure im ZNS114
Die mögliche Rolle der Kynurenin-Säure bei Schizophrenie115
PGE2, Entzündung und Immun-Imbalance117
COX-2 Inhibitoren rebalancieren die Typ-I/Typ-II-Immunantwort117
COX-2-Inhibitoren inhibieren die Produktion von Kynureninsäure118
Ausblick119
Literatur119
Die Rolle der Pharmakogenetik/-genomic für die Behandlung der Schizophrenie131
Pharmakokinetische Aspekte131
Pharmakodynamische Aspekte: Therapeutische Wirkung als Funktion von Varianten der Neurotransmitter Rezeptoren135
Vorhersage von unerwünschten Wirkungen136
Zukunftsperspektiven137
Literatur137
Aktuelle Aspekte der Langzeittherapie ei Schizophrenie*139
Einleitung139
Substanzwahl140
Dosis141
Applikationsform141
Indizierte Dauer der Erhaltungstherapie und alternative142
Langzeitbehandlungsstrategien142
Erste Ergebnisse der „Ersterkrankten-Langzeitstudie“144
im Kompetenznetz Schizophrenie144
Zusammenfassung und Ausblick147
Literatur149

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