Das deutsche Handelsgesetzbuch definiert die Rückversicherung als „die Versicherung der von dem Versicherer übernommenen Gefahr“.[46] Dies bedeutet, dass die Rückversicherung die Versicherung des Versicherers ist.
Der Nachfrager der Rückversicherung wird als Zedent, der Anbieter als Zessionar bezeichnet. Der gesamte Prozess der Rückversicherung wird unter dem Begriff der Zession geführt. Auch ein Rückversicherungsunternehmen kann sich erneut versichern und somit als Zedent agieren. In diesem Falle würde man von einer Retrozession sprechen. „Durch Rückversicherung verschafft sich der Erstversicherer für seine vertraglich übernommene Leistungspflicht beim Rückversicherer nach Maßgabe der getroffenen Vereinbarung Deckung (Versicherungsschutz)“[47]. Generell ist die Rückversicherung somit als Transfer von versicherungstechnischen Risiken auf ein anderes Versicherungsunternehmen zu sehen.[48] Die Gefahr, dass die tatsächlichen Schadenzahlungen die erwarteten übersteigen, wird reduziert. Besonders durch das Auftreten von Naturkatastrophenereignissen unterliegt der Schadenverlauf einer bestimmten Versicherungssparte oder eines Versicherungskollektivs einer starken Zufälligkeit.[49] Durch eine angepasste Rückversicherungsnahme kann sich ein Versicherungsunternehmen gegen die extremen Schwankungen im Schadenverlauf durch Katastrophenereignisse absichern. Die Reduktion und Teilung des versicherungstechnischen Risikos ist also als Hauptfunktion der Rückversicherung zu nennen. Darüber hinaus existieren weitere Funktionen. Hierzu gehört auch die effizientere Nutzung der Eigenkapitalmittel.[50] So sind Versicherungsunternehmen gemäß der Solvabilitätsvorschrift §53 c (1) VAG verpflichtet, die dauernde Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge zu gewährleisten. Es müssen Eigenmittel vorgehalten werden, die sich nach Umfang des Geschäftsfelds bemessen und als Solvabilitätsspanne bezeichnet werden.[51] Bei der Berechnung dieser wird eine entsprechende Rückversicherungsnahme berücksichtigt und kürzt den Betrag des Kapitalbedarfs.[52] Dieses Verfahren ist im Rahmen der „Solvency I“-Richtlinie geregelt. Ab 2014 wird es eine neue Solvabilitätsvorschrift geben. Solvency II wird ein neues Berechnungsverfahren zur Ermittlung der Höhe der Eigenmittel vorschreiben. Der Einsatz von Rückversicherung wird jedoch weiterhin die Eigenmittel schonen, da die eingegangenen Risiken netto, d.h. nach Rückversicherung bewertet werden.[53]
Eine weitere Funktion der Rückversicherung ist die Serviceleistung für den Erstversicherer.[54] Der Rückversicherer kann beispielsweise Informationen zur Beitragskalkulation bereitstellen und spezielle Risiken prüfen.[55] Dementsprechend kann das Knowhow und die Datenvielfalt eines Rückversicherers unterstützend genutzt werden. Darüber hinaus hat die Rückversicherung auch Auswirkungen auf den finanziellen Gewinn eines Unternehmens. Einerseits führt die Rückversicherungsnahme zwar durch die Prämienzahlung zu Belastungen, andererseits kommt es zu Entlastungen und Zahlungseingängen im Versicherungsfall und besonders im Fall von periodischen Überschäden. Versicherungsunternehmen erhöhen über den Einsatz von Rückversicherungsinstrumenten ihre Zeichnungskapazität. Unter Verwendung entsprechender Instrumente kann das Erstversicherungsunternehmen größere und exponierte Risiken zeichnen, welche seine eigene Kapitalkapazität übersteigen würden. [56] Die Erhöhung der Zeichnungskapazität ist als eine der Hauptfunktionen der Rückversicherung zu nennen.[57]
Zusammenfassend lassen sich dementsprechend mehrere Motive der Rückversicherungsnahme festhalten.
Weltweit bieten 200 Unternehmen Rückversicherungsschutz an. Unter diesen sind nur wenige globale Rückversicherungsunternehmen.[58] Gemessen an der Vermögensmasse der zehn größten Unternehmen, ist der Rückversicherungssektor mit rund 1 Bio. USD im Vergleich zum Sektor der Erstversicherung mit circa 6,5 Bio. USD von geringer Größe. Die Vermögensmasse des Bankensegments übersteigt mit mehr als 23 Bio. USD beide.[59] Zudem ist im Rückversicherungs-markt eine zunehmende Konzentration zu beobachten. Die zehn größten globalen Rückversicherer halten in 2010 einen Marktanteil von über 60 Prozent.[60] De facto ist das gesamte Volumen des Rückversicherungsmarktes jedoch nicht bekannt. Es müssen Schätzungen herangezogen werden. Eine geeignete Kennzahl zur Einschätzung des Marktvolumens sind die Prämieneinnahmen.[61] Abbildung 4 zeigt das Prämienvolumen des globalen Rückversicherungsmarkts im Jahr 2009.[62]
Abbildung 4: Bruttoprämieneinnahmen im Rückversicherungssektor 2009
Quelle: Eigene Darstellung
67 Prozent der Prämieneinnahmen beziehen sich auf Nicht-Lebensversicherungen. Allerdings bildet Abbildung 4 die Bruttoprämien-einnahmen im Rückversicherungsbereich ab. Da Rückversicherungsunternehmen in der Regel selbst Risiken weiterversichern, scheint eine Nettobetrachtung geeigneter, um das Marktvolumen zu erfassen. In 2009 betrugen die Nettoprämieneinnahmen der Rückversicherungsunternehmen im Bereich der Lebensversicherung 30,8 Mrd. USD und in der Nicht-Lebensversicherung 63,9 Mrd. USD.[63] Das Verhältnis zwischen beiden Sparten ändert sich im Vergleich zur Bruttobetrachtung dementsprechend nicht. Eine Größenordnung des Volumens der rückversicherten Naturkatastrophenrisiken ist nicht bekannt.
In diesem Abschnitt werden Rückversicherungsmodelle vorgestellt, welche eine sinnvolle Absicherung von Naturgefahren gewährleisten. Nach der Ausführung klassischer Rückversicherungsverfahren, werden auch moderne Formen in die Betrachtung einbezogen.
Eine Disposition der klassischen Rückversicherungsmodelle ist aus verschiedenen Perspektiven möglich. So kann man eine „Einteilung in
- fakultative und obligatorische Rückversicherung
- kollektive und individuelle Rückversicherung
- proportionale und nichtproportionale Rückversicherung“[64]
wählen.
Im Rahmen der zugrundeliegenden Ausarbeitung soll die Unterscheidung der klassischen Rückversicherungsmodelle anhand proportionaler und nichtproportionaler Gesichtspunkte genügen. In diesem Fall stehen die Strukturen der Rückversicherungsnahme im Vordergrund. Proportionale Rückversicherung, auch Summenrückversicherung genannt, umfasst die Teilung der Haftung und dementsprechend der Prämien und Schäden zwischen Zedent und Zessionar in einem zuvor festgelegten Verhältnis.[65] Weder die Quotenrückversicherung, noch die Summenexzedenten-Rückversicherung oder Kombinationen aus beiden, bieten geeignete Möglichkeiten zur Absicherung von Naturkatastrophenrisiken.[66] Durch die proportionale Aufteilung der Schadensummen in der Quotenrückversicherung können Katastrophenrisiken nur bedingt ausgeglichen werden, da der Zedent mit einer konstanten Quote an der Schadenbelastung beteiligt ist. Auch im Modell der Summenexzedenten-Rückversicherung ist man an Überschäden quotal beteiligt. Größtenteils wird die proportionale Rückversicherung in Sparten angewandt, in denen der Mittel- und Kleinschadenbereich prävaliert (z.B. Haftpflichtversicherung)[67]. Ein wirksamer Schutz wird somit auch bei Kumulschäden innerhalb der Sturm- und Hagelversicherung geboten, da hier Kleinst- und Mittelschäden dominieren.[68]
Zur Rückversicherung von Naturkatastrophenrisiken werden überwiegend die Verfahren der nichtproportionalen Rückversicherung gewählt, da diese eine adäquate Absicherung gewährleisten.[69] Nichtproportionale Rückversicherungs-modelle lassen sich nicht durch eine proportionale Aufteilung der Prämien- und Schadenzahlungen charakterisieren. Die Leistung des Rückversicherers wird somit ausschließlich durch die Höhe eines vorher definierten Schadens oder Schadenkumuls festgelegt. Der Rückversicherer hat die Pflicht zu leisten, wenn der Schaden eine bestimmte Höhe (Priorität) übersteigt. Auch die Haftstrecke des Rückversicherers ist auf ein Maximum (Layer) begrenzt.[70] Übersteigt ein Schaden diesen Layer, muss der Erstversicherer den übersteigenden Betrag übernehmen oder weitere Rückversicherungsverträge mit höheren Layern abschließen. Zum geeigneten Ausgleich von Naturkatastrophenschäden eignen sich in der Kategorie der nichtproportionalen Rückversicherung besonders die Kumulschadenexzedenten-Rückversicherung (Cat XL) und die Jahresüberschaden-Rückversicherung (Stop Loss).[71]...