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Ansätze zur Integration des betrieblichen Umweltschutzes in das Supply Chain Management

Eine empirische Untersuchung in der deutschen Automobilzulieferindustrie

AutorChristian Biewald
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl123 Seiten
ISBN9783640882427
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich BWL - Beschaffung, Produktion, Logistik, Note: 1,3, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät), Sprache: Deutsch, Abstract: Zwei bedeutende Megatrends dieses Jahrzehnts sollen als Ausgangspunkt für diese Arbeit herangezogen werden. Ersterer beschreibt in Folge des stetigen Wandels globaler Klimaver-hältnisse sowie der damit einhergehenden Umweltbeeinträchtigung ein wachsendes ökologisches Bewusstsein in der Gesellschaft. Einen zweiten Megatrend stellt die zuneh-mende Etablierung globaler Wertschöpfungsnetzwerke durch arbeitsteilige Herstellung von Konsumgütern dar. Beide Entwicklungen hatten für zahlreiche Unternehmen in den letzten Jahren tiefgreifende Veränderungen zur Folge. Das zunehmende Umweltbewusstsein vieler Verbraucher veranlasst Unternehmen ihre bisherigen Markt- und Umweltstrategien zu überdenken sowie nach Lösungen auf veränderte Kundenanforderungen zu suchen. Darüberhinaus bilden nationale wie internationale Umweltschutzgesetze eine rechtliche Grundlage für einen industriellen Wertewandel hin zu mehr Nachhaltigkeit und effizienterem Ressourceneinsatz. Eine frühzeitige, ökologieorientierte Ausrichtung der Unternehmensstra-tegie ermöglicht ein proaktives, antizipatives Marktverhalten, wodurch sich Wettbewerbsvor-teile generieren lassen. Global stark vernetzte Wertschöpfungsketten stellen vor diesem Hintergrund für Unterneh-men neue logistische Herausforderungen dar. Das für die Koordination dieser Netzwerke verantwortliche Supply Chain Management (SCM) sieht sich immer stärker mit ökologischen Anforderungen konfrontiert. Laut einer aktuellen Umfrage der Unternehmensberatung Accenture würden 70% der Deutschen beim Lebensmitteleinkauf die bei Herstellung, Logistik und Verpackung entstandenen CO2-Emissionen als wichtiges Kaufkriterium heranziehen. Einige Branchen, wie die Automobil- oder Bekleidungsindustrie, haben dieses Verbraucherinteresse ansatzweise erkannt und versuchen, ausgehend vom Original Equipment Manufacturer (OEM) unternehmensübergreifende umweltgerechtere Logistikkon-zepte zu realisieren. Häufig entstehen jedoch keine ganzheitlichen Lösungsansätze, sondern einzelbetriebliche Insellösungen, die Kosteneinspar- und Synergiepotentiale durch mangel-hafte Kooperation ungenutzt lassen. Auch seitens der Wissenschaft konnte bislang kein praxistaugliches Instrument zur konsequenten Implementierung ökologischer Fragestellungen in das SCM geschaffen werden. Im Rahmen dieser Arbeit sollen daher mögliche Ansätze und Maßnahmen zur Integration des betrieblichen Umweltschutzes in ein Supply Chain (SC)-Konzept dargestellt und diskutiert werden.

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Leseprobe

3 Integration betrieblicher Umweltschutzmaßnahmen in das Supply Chain Management Konzept


 

3.1 Grundlegende Charakterisierung des Supply Chain Management


 

Seit Mitte der 90er Jahre hält der SCM-Begriff Einzug in die deutsche Unternehmenspraxis. Frei übersetzt bedeutet Supply Chain Versorgungskette, wobei im Vergleich zu benachbarten Begriffen wie Wertkette oder Logistikkette das Augenmerk nicht nur auf den Logistikaktivitäten im engeren Sinn liegt, sondern auch Produktionsaktivitäten sowie Informations- und Finanzflüsse berücksichtigt werden.[84] Da der Großteil der Unternehmen mit mehreren Wertschöpfungspartnern zusammenarbeitet, stellt sich die SC in der Praxis gewöhnlich als Netzwerk, bestehend aus verschiedenen Organisationen dar, die ein Produkt erstellen und zum Endkunden transportieren (vgl. Abbildung 3‑1).[85]

 

Das SCM kann grundsätzlich als Konzept zur Planung, Steuerung und Kontrolle dieser Flüsse verstanden werden, wobei in der Literatur keine einheitliche Definition des Begriffes zu finden ist. Unter der Vielzahl von SCM-Definitionen beinhaltet die von SCHOLZ-REITER/JAKOBZA die elementaren Bestandteile, die in nahezu jeder weiteren Definition enthalten sind:

 

Supply Chain Management, auch Lieferantenmanagement, ist die unternehmensübergreifende Koordination der Material- und Informationsflüsse über den gesamten Wertschöpfungsprozess von der Rohstoffgewinnung über die einzelnen Veredelungsstufen bis hin zum Endkunden mit dem Ziel, den Gesamtprozess sowohl zeit- als auch kostenoptimal zu gestalten.[86]

 

Häufig wird die genannte Definition noch um den Geldfluss oder weitere Dienstleistungsflüsse erweitert. Autoren, die sich hiermit auseinandergesetzt haben sind Hahn, Frohlich oder Wildemann.[87]

 

Abbildung 3-1: Schematische Darstellung eines Supply Networks

 

 

Quelle: Albert (Unternehmensübergreifendes SCM 2009), S. 28.

 

Die grundlegende Funktionsweise von SCM mit seinen Material-, Informations- und Finanzflüssen kann sehr anschaulich mit dem Order-to-Payment S von Klaus dargestellt werden.[88] Ausgelöst wird der Prozess von einem Kundenauftrag, wodurch die Material- und Produktionsplanung im Unternehmen angestoßen wird. Nach Zugang der benötigten Materialien beginnt die Auftragserfüllung an dessen Ende die Belieferung des Kunden mit dem gewünschten Produkt steht. Nach Eintreffen der Lieferung beim Kunden wird schließlich der Geldfluss initiiert, der ausgehend vom Endkunden die gesamte Wertschöpfungskette bis zum Rohstoffproduzenten durchläuft. Die Verkettung mehrerer Order-to-Payment Prozesse führt zur Bildung einer SC (siehe Abbildung 3‑2).

 

Hauptziel des SCM ist es, ohne Berücksichtigung von Unternehmensgrenzen, die Wertschöpfungskette derart zu gestalten, dass die Waren den Kunden schnell und kostengünstig erreichen und dabei langfristig für die gesamte SC ein möglichst hoher Gewinn erzielt wird. Die Maßnahmen, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen, sind höhere Kundenorientierung, bedarfsgerechtere Produktion und die Reduktion der Bestände entlang der Versorgungskette.[89] Voraussetzung für deren Umsetzung sind die Schaffung von mehr Transparenz zwischen den SC-Partnern, der Abbau von Informationsasymmetrien, die Verbesserung der Flusskontinuität, sowie die Reduktion der Komplexität in den einzelnen Unternehmen.[90] Strategien zur Komplexitätsbeherrschung sind bspw. die Verlagerung des Variantenbestimmungszeitpunktes (Postponement), kundenindividuelle Massenfertigung (Mass customiza-tion), Anpassung des Produktionsvolumens an die Kundenbedürfnisse und der Einsatz von IuK-Technologien.[91] Entlang des Wertschöpfunsnetzes gilt, dass jeder SC-Partner seine individuellen Ziele den Zielen des Gesamtnetzwerkes unterordnet, wodurch ein Gesamtoptimum erreicht werden soll, das den größtmöglichen Nutzen für den Kunden erzielt.

 

Abbildung 3-2: Supply Chain aus verknüpften Order-to-Payment Prozessen

 

 

Quelle: Albert (Unternehmensübergreifendes SCM 2009), S. 46.

 

Neben den erreichbaren Einsparpotentialen und Effizienzsteigerungen treten bei der praktischen Umsetzung des SC-Gedankens auch Probleme auf, die unabhängig von Branche und Unternehmensgröße laut SOMMER zu den folgenden vier Problembereichen zusammengefasst werden können:[92]

 

Kooperationsprobleme: Fehlendes Vertrauen und Offenheit, interorganisationale Zielkonflikte, sowie die Angst vor zunehmender Abhängigkeit von Dritten können Auslöser für opportunistisches Verhalten sein. Ebenso erwähnenswert sind die Befürchtung von Wettbewerbsnachteilen (z. B. eingeschränkte Flexibilität, Innovationsfähigkeit) oder die fehlende Vereinbarung von Bonus- und Risk-Sharing-Modellen.

 

Systembezogene Probleme: Fehlende Akzeptanz zur Kooperation und Teilhabe an der gesamten SC, Widerstand gegenüber Veränderungen, hohe Komplexität der SC, Inkompatibilität mit vorhandenen Organisationsstrukturen, unzureichendes Bewusst-sein einer guten Planung, sowie hoher Aufwand für die SCM-Implementierung sind hier zu nennen.

 

Mängel bzgl. der erforderlichen Informationsbasis: Mangelnde Datenverfügbarkeit und –qualität, ungleiche Datenformate, unterschiedlicher Aktualisierungsgrad, Erhebungs- und Pflegeaufwand bei den Partnern, Dateninkonsistenzen und unterschiedliche IT-Niveaus der Partner, sowie unzureichender Informationsaustausch und die Angst vor Datenmissbrauch stellen IT-bezogene Problemstellungen dar.

 

Sonstige Gründe: Geografische Entfernung oder starke Konkurrenz mit anderen SC.

 

Für eine strategische Umsetzung des SC-Gedankens existieren mehrere Managementkonzepte, auf deren Darstellung hier jedoch bewusst verzichtet werden soll. Weiterführende Literatur zu Konzepten wie das Efficient Consumer Response (ECR) oder das Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment (CPFR) finden sich unter anderem bei Busch, Eisenbarth oder Seifert.[93] Auch die in der Praxis anzutreffenden Instrumente zur Steuerung und Koordination der SC-Flüsse sollen hier nicht näher erläutert werden. Die bekanntesten, wie das Pull-Prinzip, Just-in-Time (JiT) oder Kanban wurden bereits von einer Vielzahl von Autoren eingehend beschrieben. Näheres hierzu kann Wildemann, Geiger oder Dickmann entnommen werden.[94]

 

Vielmehr soll nach dieser kurzen Einführung in die SC-Thematik auf die bereits in Kap. 2.6 angesprochene Integrationsmöglichkeit des betrieblichen Umweltschutzes in das SCM eingegangen werden. Hierzu sollen im folgenden Abschnitt Beweggründe identifiziert werden, die Unternehmen zu einer Berücksichtigung ökologischer Aspekte im Rahmen seiner SCM-Aktivitäten veranlassen kann. Im Mittelpunkt stehen dabei markt- und kostenbezogene Erfolgspotentiale, die mittels erfolgreicher Verknüpfung umweltbezogener und wirtschaftlicher Zielstellungen realisierbar sind.

 

3.2 Erfolgspotentiale integrativer ökologieorientierter SCM-Konzepte


 

3.2.1 Marktbezogene Erfolgspotentiale


 

Laut einer aktuellen Umfrage des Bundesverbandes für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) unter 170 Unternehmen geben nahezu 70% davon an, dass das Thema „Green Logistics“ heute bzw. in den kommenden drei Jahren eine hohe Bedeutung für sie hat. Als Hauptgrund für ihr Umweltengagement im Bereich SCM nennen 85% der Befragten ein verbessertes Unternehmensimage. Drei Viertel geben an, das zunehmende Umweltbewusstsein der Kunden als Ursache zu sehen. Darüberhinaus befürchten mehr als die Hälfte der Teilnehmer, dass CO2-Emissionen künftig einen erheblichen Kostenfaktor für das Unternehmen darstellen (siehe Abbildung 3‑3).[95] Vergleichbar zu den Betroffenheitsdimensionen im betrieblichen Umweltschutz kann auch hier eine Pull- und Push-Betroffenheit bezüglich ökologiegerechter Logistikleistungen erkannt werden.

 

Zum einen bewegt das steigende Kundeninteresse Unternehmen zu einem ökologiebewussteren und energieeffizienteren Handeln. Dabei treten mehr und mehr neben dem eigentlichen Produktionsprozess unterstützende Prozesse in den Vordergrund. Zwar wird das umweltbewusste Konsumentenverhalten weiterhin stark von der Primärleistung, also dem eigentlichen Produkt getragen, jedoch können Sekundärleistungen wie die Logistik vor allem in gesättigten Märkten als Zusatznutzen verstanden werden. Eine umweltfreundliche Gestaltung von Logistikprozessen bietet Unternehmen vor allem in Branchen wie der Nahrungs- und Genussmittelindustrie sowie in der Bekleidung ein zunehmendes Differenzierungspotential.[96] Unternehmen, denen es gelingt, ihre Anstrengungen im Bereich Green Logistics erfolgreich zu kommunizieren, können Wettbewerbsvorteile am Markt generieren.

 

Zum anderen sieht sich eine steigende Zahl von Unternehmen mit staatlichen Umweltauflagen oder...

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