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E-Book

Ballzauber in Tansania

Mein Fußballabenteuer in der Vodacom Premier League

AutorTim Jost
VerlagMeyer & Meyer
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl304 Seiten
ISBN9783840337000
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Im Sommer 2016 hat Tim Jost das Abenteuer gewagt und ist nach Tansania ausgewandert. Fußballtrainer in einer fremden Welt! Nicht ein einziges Spiel hat er vor der Abreise gesehen, keine Bilder, keine Eindrücke. Es ist ein Blind Date! Dabei spielt Toto African SC in der ersten Liga, der Vodacom Premier League. In der Saison 2016/17 schickt kein Verein eine jüngere und unerfahrenere Truppe ins Rennen. Keinem geht es finanziell schlechter. Jost arbeitet zunächst als Co-Trainer, aber nach einem miserablen Saisonstart verscheuchen die Fans den Cheftrainer und der Vereinspräsident drückt ihm das Zepter in die Hand. Es ist eine Herkulesaufgabe: Mit nur 23 Jahren soll Tim Jost den kriselnden Verein aus dem Schlamassel ziehen. Der Trainer streitet mit korrupten Vereinsbossen und machtbesessenen Fans um Spielertransfers, Trainingsinhalte und Mannschaftsaufstellungen. Jost lässt sich von einem Magier in die Kunst obskurer Schadenszauber einweihen und sieht, wie der Medizinmann die Spieler mit 'Wunderwasser' stärkt.

Tim Jost ist in Löningen geboren und von Kindesbeinen an verrückt nach Fußball. Als Spieler schafft er es in die Oberliga, als Trainer auf UEFA-BNiveau. Nach seinem Bachelorabschluss an der Deutschen Sporthochschule Köln zieht es ihn nach Mwanza, an den Viktoriasee in Tansania. Dort lässt er sich als Trainer der Toto Africans von der Magie des afrikanischen Fußballs berauschen. Aktuell reist Jost mit zwei Freunden auf dem Fahrrad von Deutschland nach Kasachstan.

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DIE KRAFT VON KNOBLAUCH


Die Straßen in Daressalam sind chronisch überlastet. Nur zentimeterweise kriechen die Lastwagen und Kleinbusse auf den verstopften Pisten der Wirtschaftsmetropole Tansanias. Ganz gleich, wie häufig die Fahrer hupen oder wie energisch sie die Faust aus dem Fenster strecken, an den Knotenpunkten gibt es für sie und die zahlreichen Taxen kein Durchkommen. Ständig schwirren Händler um die Autos und schwatzen dem wartenden Mann ihre Waren auf. Gewürze, Erdnüsse, Zeitungen und Zigaretten, die häufig einzeln angepriesen werden, sind laufend im Angebot. Einzig die Motorräder schlängeln sich zwischen den quengelnden Metallbüchsen hindurch. Auf Ampeln nehmen die meist jungen Fahrer so viel Rücksicht wie auf Fußgänger – nämlich gar keine. Verkehrsregeln taugen höchstens als Vorschlag. Es herrscht das Recht des Schnelleren.

Neben kleinen, unebenen Wegen aus Sand und Gestein verbinden Schweißer abgenutzte Fahrzeugteile miteinander. Geschäftsleute begutachten Gebrauchtwagen, die sie an Mittelsmänner verramschen können. Andere flicken Schuhwerk und die Nächsten kauern stundenlang vor ihren Nähmaschinen. Zwei Arbeiter, von denen der Schweiß in Bächen niederrinnt, lenken eine Handkarre voller Holzkohle über den von Schlaglöchern übersäten Asphalt. Körperliche Schwerstarbeit bei sengender Hitze! Das Atmen fällt schwer. Sportlich aktiv erwarte ich nur die Quecksilbersäule, die mit Leichtigkeit die 35°C-Markierung erklimmt.

An abgelegenen Stellen verbrennen Menschen Abfälle. Eine sanfte Brise trägt den Duftcocktail zu den maroden Brüstungen der Wohnhütten, die über quer verlaufende Stromkabel mit Elektrizität versorgt werden. Auf dem Bürgersteig lungert ein Mann in torfbraunem Pullunder und beobachtet das geschäftige Treiben. Er sieht, wie Mädchen in gepflegter Schuluniform sich die Haare flechten und Zehennägel lackieren, wie handgereinigte Wäsche auf gespannten Kunststoffleinen der Äquatorsonne trotzt und wie Verkäufer unter den Sonnenschirmen der führenden Mobilfunkanbieter verlotterte T-Shirts verhökern. Während der Mann den Blick hebt, durchsucht ein abgekauter Zahnstocher sein Mundwerk nach Essensresten. Die Schneidezähne fehlen, aber das hindert ihn nicht am Lachen. Und er lacht immer, wenn er mich sieht.

Massoud ist hierher gezogen. Der strukturschwachen Heimat entflohen, sucht er die Befreiung von Armut in der pulsierenden Großstadt. Damit ist er nicht alleine. Daressalam kratzt bereits jetzt an der Fünf-Millionen-Einwohner-Grenze und zählt zu den boomenden Städten auf dem Erdball. Viele Neuankömmlinge finden keine geregelte Arbeit oder eine anständige Bleibe und schlagen sich auf der Straße durch. Wie Massoud es macht, verheimlicht er. Rolle ich allerdings das Thema Fußball auf, droht seine Stimme vor Freude Purzelbäume zu schlagen. Marktwerte, Transfergerüchte und Abschlusstabellen – er hat alles in petto! Die Premier League läuft in Dauerschleife.

Wir verständigen uns über Gesten und Grimassen, da ich zu diesem Zeitpunkt noch Schwierigkeiten habe, die Landessprache Swahili von den Lauten eines Dieselmotors zu unterscheiden. Massoud schert sich keinen Deut darum. Er schäumt vor Lust, mit einem Mzungu, einem weißen Mann, über die schönste Nebensache der Welt zu fachsimpeln. Überschwänglich zeigt er mir die „Hacke, Spitze, eins, zwei, drei“-Philosophie. Seine langen Stelzen wirbeln über das staubige, öde Parkett, und ehe ich mich versehe, setzt er zu extravaganten Jubelposen an. Die Kinder am Obststand kichern. Ich lache aus vollem Halse über seinen filigranen Auftritt. Im Scherz biete ich ihm die Position des Stoßstürmers in unserem Team von Toto African an. Das Trikot mit der Nummer 9 ist frei und Schuhe lassen sich schnell auftreiben. Als Trainer des Erstligisten kann ich einen treffsicheren Schützen stets gebrauchen.

Akuter Nachholbedarf besteht nur konditionell, denn Massoud kopiert die Belastungsatmung eines Hundes. Bereits nach wenigen Aktionen reguliert er seine Körpertemperatur über die Zunge. „Ist das die Wiedergeburt von Cottbus-Legende Marko Topic?“, geistert es mir durch den Kopf. Vertrag oder Sauerstoffzelt? Der schnaubende Kicker wählt Antwort B und schiebt dem Gang auf die große Fußballbühne damit selbst einen Riegel vor. Unterstützen wird Massoud uns heute als Fan vor dem Fernseher. Im Saisonfinale der Hinrunde bittet der aktuelle Tabellenführer Simba zum heißen Tanz. Salsa gegen Foxtrott! Die Buchmacher in den Wettbüros beziffern unsere Siegchancen um den Gefrierpunkt herum, also knapp über null. Niemand setzt einen Schilling auf uns.

Der Vereinsbus steht abfahrbereit im Innenhof unseres Quartiers. Wir warten auf Abwehrchef Mlipili, der gemütlich in Flipflops über die Schotterpiste zum Kiosk bummelt. Die knallfarbenen Fußballtreter hat er über die Schnürsenkel miteinander verknotet und auf dem Nacken platziert. Sie baumeln zu beiden Seiten des gelb-grünen Vereinswappens am Aufwärmtrikot. Handtuch und Kernseife verwaisen derweil im Zimmer der Unterkunft. Im Stadion gibt es keine Duschen, wo die Spieler sich waschen könnten.

Ich bin nervös, meine Hände schwitzen. Haben wir eine Chance gegen den Ligaprimus? Wenige Minuten nach der vereinbarten Startzeitfahren wir los – pünktlich im tansanischen Sinne. Die Menschen bewegen sich aus dem kühlen Schatten, um uns von der Straße aus zuzuwinken. Wie aufputschend! Dabei halten sie uns für die Falschen. Totos Gefährt ist gemietet und mit dem unübersehbar großen Vereinsemblem eines Ligakonkurrenten verziert. Wir reisen unter falscher Flagge und bluffen den Gegner. Yanga statt Toto. Das ist so, als ob der SC Freiburg im schwarzgelben Bus der Dortmunder in die Münchner Allianz Arena einfährt. Ein Kuriosum par excellence. Aber wer knapp bei Kasse ist, wählt eben die billigste Variante.

Neben dem Busfahrer hockt ein rundlicher Mann, der in seinem bis zum Bauchnabel gespannten Trikot einen ulkigen Eindruck auf mich macht. Sein kahler Kopf sitzt auf einem fleischigen Hals. Seine Stimme röhrt wie die eines Hirsches. Mayilizu ist Vollblutfan und bei jeder Auswärtsfahrt mit an Bord. Toto regiert sein Leben, für den Verein opfert er alles. Leert sich das Konto, treibt er Geld auf. Gibt es Reibereien im Vorstand, besänftigt er die Gemüter. Stockt der Verkehr, schwingt er seine Gliedmaßen auf die Straße und schafft eine Gasse zur Durchfahrt. Polizeieskorte im Autodschungel? Mayilizu kann sich das Schmunzeln nicht verkneifen. Ein blasierter Lebemann ist er, ständig hektisch, ständig am Schwafeln. Ein Mensch, der die Rubrik Hobby in seinem Facebook®-Profil mit Bier, Fleisch und Frauen ausschmückt.

Auf der ausgefransten Sitzschale neben mir schlummert Torwarttrainer Juma. Hat er ein Mentalitätsproblem? Der ehemalige Ballfänger der tansanischen Nationalmannschaft döst vor sich hin, während lauter Hip-Hop meinen Hirnschmalz betört. Die Vorfreude auf den Höhepunkt der Hinrunde elektrisiert mich wie ein Stromnetzwerk. Emotionswellen durchfluten mich beim Anblick der zahlreichen Fans. Wir müssen das Mirakel vollbringen. Wir müssen am Wunder kratzen und wenigstens einen Punkt gegen Simba ergattern. Mayilizu streckt die Faust in die Luft und schwenkt eine Fahne von Toto aus dem Fenster. Die gegnerische Anhängerschaft keift.

In einiger Ferne zeichnet sich die Silhouette des Benjamin-Mkapa-Nationalstadions ab. Die 2007 fertiggestellte Arena ist mit ihrer modernen Außenfassade ein echter Hingucker und gehört mit einem Fassungsvermögen von 60.000 Zuschauern zu den größten Stadien Afrikas. Leider fehlt es Toto am nötigen Prestige, um das Prunkstück zu füllen. Der nationale Fußballverband TFF hat somit das direkt angrenzende Uhuru-Stadion als Spielstätte auserkoren: einen halbmondförmigen Tempel mit Kunstrasen und überdachter Haupttribüne. 25.000 Zuschauer finden Platz. „Ausgezeichnet“, scheint mir das über beide Ohren grinsende Gesicht unseres Kapitäns Omega sagen zu wollen. Endlich mal keine Buckelpiste, wo der Ball wie ein Flummi hin- und herspringt.

Immer wieder spiele ich das bevorstehende Aufeinandertreffen in meinen Gedanken durch. Ich sehe uns mit Mann und Maus am eigenen Strafraum verteidigen, blitzartig kontern, überfallartig schießen. Wir wollen Nadelstiche setzen, haben uns vollen Einsatz geschworen. Gegen Simba fliegen die Fetzen! Plötzlich werde ich herausgerissen aus meiner mentalen Vorbereitung, Sitznachbar Juma hämmert sich mit der nackten Faust an seine Stirn. Bestraft er sich für das kurze Nickerchen? Ich stelle mir ihn als die Vaterfigur von Dobby vor, Harry Potters dürrem Hauself. Das Verhalten ist deckungsgleich. Schön, dass Juma jetzt wach ist.

Als der Bus am Stadiontor eintrifft, werden wir von einer Menschentraube aus lautstarken Simba-Anhängern umrundet. Einige trommeln an die Busverkleidung, andere blasen enthusiastisch in ihre bunten Plastiktröten. Der private Sportsender AzamTV schwenkt die Kameras auf...

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