Vor Beginn des empirischen Teils möchte die Verfasserin - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - an dieser Stelle einige literaturgestützte Bedingungen aufzeigen, die Führungslaufbahnen von weiblichen Führungskräften aus Arbeitgeber- wie Arbeitnehmersicht positiv beeinflussen und somit Bausteine für Laufbahnmodelle darstellen könnten.
Entsprechend den im vorhergehenden Kapitel vorgestellten Laufbahnmodellen geht die Verfasserin dieser Arbeit davon aus, dass es eine Laufbahnplanung braucht, die möglichst individuell und von Arbeitnehmer gemeinsam mit Arbeitgeber flexibel gestaltbar ist. Regnet (2012, 76) führt dazu aus: „… das heißt, jedem Beschäftigten die Karriereoption anzubieten, die für ihn/sie die richtige ist. Und mehr Auswahl bedeutet mehr Möglichkeit und die Chance, die subjektive Karrierezufriedenheit zu erhöhen. Darin liegt für das Unternehmen die Chance, Talente an das Unternehmen zu binden und flexibler am Markt agieren zu können. Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Beschäftigten sind gleich wichtig, nur dann lässt sich eine ´Win-win-Situation´ für das Unternehmensinteresse und den Mitarbeiter erzielen.“
So scheint es nachvollziehbar, dass für weibliche Führungskräfte das Spannungsfeld Beruf und Familie vor allem dann leichter zu meistern ist, wenn die nötige Flexibilität für die Laufbahnentwicklung beim Arbeitgeber vorhanden ist. Individuelle Karriereentwicklung heißt auch, dass das Unternehmen sogenannte „Wellenkarrieren“ (Regnet 2012, 77) zulässt, sprich: die Anpassung an die jeweiligen Lebensumstände möglich ist, ohne in eine völlig andere Tätigkeit ausgegliedert zu werden. Dies würde einmal mehr und einmal weniger Unterstützung (z.B. in Form von Assistenzen, Arbeitszeitflexibilisierung uvm.) bedeuten, birgt aber viele Chancen, um hochqualifizierte Mitarbeiter, die viel Verantwortung tragen, zu halten und weiterzuentwickeln. Unternehmen, die offen für eine individuelle Entwicklung und Gestaltung der jeweiligen Laufbahn sind, helfen weiblichen Führungskräften nicht nur bei der Bewältigung der Herausforderung Familie und Beruf, sondern erhöhen damit sogar aktiv deren Engagement und Loyalität für den Arbeitgeber. Individuelle Laufbahnplanung fördert also Führungskarrieren von Müttern und kann die Bindung zum Arbeitgeber steigern.
Quimby und DeSantis (2011) führten eine Studie mit 368 Frauen durch, um zu eruieren, ob die Identifikation mit Vorbildern entscheidend bei der Berufswahl und für die berufliche Laufbahn ist. Tatsächlich zeigte sich, dass offenbar insbesondere Frauen, die später im beruflichen Weg sehr erfolgreich wurden, sprich: Führungspositionen bekleideten – was immer noch als nichttraditioneller Werdegang gesehen wird – zumeist eine Art Vorbild im gleichen Geschlecht für sich gefunden hatten. Gleichzeitig führen die Autoren aus, dass nicht vorhandene Vorbilder eine Defizit für den Eintritt in eine Führungslaufbahn, aber auch für männerdominierte Professionen wie z.B. technische Berufe, waren. Die Studie zeigt jedoch nicht, ob dies ein direkter oder indirekter Einfluss ist, wobei zweiteres naheliegender wäre. Zum selben Ergebnis kommen auch Almquist and Angrist (1971) in einer bereits in die Jahre gekommenen Studie, die jedoch nichts an Aktualität verloren hat. Hierbei unterscheiden die Autoren zwischen Frauen, die Karriere mit Familie verbinden wollen, und Frauen, für die die berufliche Karriere eine nachrangige Funktion hat. Der Unterschied, der herausgefunden werden konnte, liegt klar darin, dass die in der Studie als „career deviant“ bezeichnete Eigenschaft von Frauen das Ergebnis breiterer Definitionen von Geschlechterrollen sind, die bereits in der Kindheit von Vorbildern geprägt sind. Beispielsweise von Müttern, die trotz Kindern einen eigenständigen Beruf hatten etc.
Beide Ergebnisse zeigen in jedem Fall eindeutig, dass beispielsweise Mentoring-Programme oder Netzwerke Karriereaufstiege von Frauen aktiv beeinflussen können, dies möchte die Verfasserin dieser Arbeit auch auf Frauen mit Kindern umlegen und nimmt daher an, dass weibliche Führungskräfte, die Kind und Karriere meistern, als Vorbilder für weitere Frauen dienen können, dieser Herausforderung ebenfalls gewachsen zu sein und so deren Strategie für deren erfolgreiche Bewältigung wiederum auf ihre eigene Laufbahn umlegen zu können.
Angesichts der bestehenden geschlechtsspezifisch traditionellen Aufgabenteilung zwischen den Elternteilen ist es wenig überraschend, dass sich Mütter im Gegensatz zu Vätern häufiger durch Familienarbeit belastet und gestresst fühlen, so der 5. Österreichische Familienbericht des Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend (2010, 38). Für weibliche Führungskräfte stellt sich der Spagat zwischen Kind und Karriere nicht selten besonders schwierig dar. Vor allem dann, wenn zuhause die klassische Rollenverteilung herrscht oder die Frau sogar alleinverantwortlich für Kind(er) ist. Doch woran kann das liegen? Eine Vermutung der Verfasserin dieser Arbeit ist, dass viele Väter gerne mehr Anteil an Kind oder Kindern nehmen wollen, der Beruf es aber nur sehr schwer zulässt. Grund hierfür könnte die Abhängigkeit von einem höheren Einkommen sein; wie bereits analysiert (vid. 2), ist die Einkommensschere zwischen Mann und Frau ja immer noch vorhanden. Des Weiteren signalisiert nicht selten die Unternehmenskultur oder auch die Gesellschaft an sich, dass männliche Arbeitnehmer in erster Linie Arbeitnehmer und nicht Väter sein sollen.
Nichtsdestotrotz, das klassische Male-Breadwinner-Modell (vgl. Crompton 1999 und Pfau-Effinger 2004) mit dem Mann als Ernährer und Allein- oder Hauptverdiener verändert sich nicht nur, sondern verschwindet mehr und mehr durch die Rollen, die Frauen auf dem Arbeitsmarkt einnehmen. Das wiederum verändert auch die Wahrnehmung von arbeitenden Vätern. Dies zeigt auch der aktuelle Väterbarometer des deutschen Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2016, 2f.). Hierfür wurden tausend männliche Arbeitnehmer und 300 Arbeitgeber befragt. Die Ergebnisse stellen sich entgegen manchen Erwartungen sehr positiv und fortschrittlich dar.
Väterfreundliche Personalpolitik sei ein wichtiger Teil der neuen Vereinbarkeit von Familie und Beruf und als solcher in der Arbeitswelt angekommen. Viele Unternehmen hätten mittlerweile erkannt, dass klassische Vereinbarkeitsangebote Väter nicht angemessen ansprechen, und böten vermehrt flexible Maßnahmen an. Von den zunehmenden Anstrengungen der Arbeitgeber würden insbesondere junge Väter profitieren, die ihre Arbeitgeber auch deutlich positiver als der Durchschnitt aller Väter betrachten würden. Demnach sei die Unternehmenskultur der Schlüssel für Väterfreundlichkeit. Männliche Arbeitnehmer mit Familie fühlen sich besser akzeptiert und haben auch ein höheres Selbstbewusstsein in Bezug auf ihre Rolle. Zentral sind hierbei eine glaubwürdige Ermutigung und passgenaue Angebote. Auch die Reduktion der Arbeitszeit auf vollzeitähnlich (im Schnitt 32 Wochenstunden) sowie eine unterstützte Inanspruchnahme von Väterkarenz würde gleichsam von Unternehmen und arbeitenden Vätern wesentlich positiver als noch vor einigen Jahren bewertet.
Mehr und mehr Väter haben also den Wunsch nach Beteiligung und Engagement im Leben ihrer Kinder und möchten sich engagiert am Alltagsleben beteiligen, verlässliche Ansprechpartner für ihre Kinder sein. (Jurczyk et. al. 2009, 22). Wenn Arbeitgeber diesem Wunsch nachgeben, wird dadurch langfristig eine partnerschaftliche Verteilung der Aufgaben zwischen Vater und Mutter in der Familie möglich, die nicht mehr klar trennt zwischen Erziehung und Geldverdienen. Beide könnten beides machen, diese partnerschaftliche Teilung der Familienarbeit, bei der die Väter die gleiche Verantwortung wie die Mütter tragen, ermöglicht, so die Ansicht der Autorin, eine Entlastung von weiblichen Führungskräften mit Kindern.
Potenzialförderung, in vielen Unternehmen auch Talent-Management genannt, vereint zum einen die Maßnahmen, die in einem Unternehmen eingesetzt werden, um Schlüsselfunktionen und wichtige Positionen langfristig sicherstellen zu können, zum anderen werden Mitarbeiter, die durch ihre gute Arbeit, ihr Auftreten und Engagement für das Unternehmen besonders positiv auffallen, werden verstärkt gefördert und entwickelt, um dann für neue Herausforderungen und offene Stellen eingesetzt zu werden. Oder wie es Ritz und Sinelli (2018, 14) ausdrücken: „Talent-Management gründet im Konzept, durch das die Arbeitgeber ihre Bedürfnisse an zukünftiges und gegenwärtiges Humankapital für besondere Schlüsselpositionen formulieren und Umsetzungsmaßnahmen festlegen.“ Jedenfalls würden die Entscheidungen, die im Talent Management gefällt werden, die Organisationskompetenzen formen und den Erfolg der Organisation beeinflussen. In jedem Fall determinieren diese Entscheidungen die Laufbahn und Entwicklung der...