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E-Book

Bildungsgerechtigkeit und Gymnasium

VerlagVerlag Julius Klinkhardt
Erscheinungsjahr2017
ReiheGymnasium – Bildung – Gesellschaft 
Seitenanzahl196 Seiten
ISBN9783781555945
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,90 EUR
„Bildungsgerechtigkeit – eine Illusion?“ So betitelt Helmut Fend die Nachbetrachtung seiner LifE-Studie im vorliegenden Band;
„Chancengerechtigkeit in der Bildung: Was ist wünschenswert? Was ist möglich?“ fragt der Österreicher Hans Pechar.
Und Axel Bernd Kunze pointiert „Bildungsgerechtigkeit als Beteiligungsgerechtigkeit“.
Neben diesen grundlegenden Positionsbestimmungen und empirischen Analysen wird im vorliegenden Band vor allem die Frage „Wie ,bildungsgerecht’ ist das Gymnasium?“ aus der Sicht der Philosophie, Erziehungswissenschaft, Hochschulforschung, pädagogischen Psychologie, Soziologie und Schulpraxis diskutiert.
Die Herausforderung ist und bleibt dringlich.

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Leseprobe
Jürgen Rekus
Der Beitrag des Gymnasiums zur Bildungsgerechtigkeit (S. 23-24)

1 Einleitung

Regelmäßig werden Autofahrerinnen und Autofahrer von der Reifenindustrie daran erinnert, witterungsgerechte Reifen an ihre Fahrzeuge zu montieren. Besonders im Herbst wird auf die gesetzliche Regelung aufmerksam gemacht, dass eine wintergerechte Bereifung Vorschrift sei. Gemeint ist, dass die Reifen, mit denen man herumfährt, den anstehenden Witterungsbedingungen „gerecht“ werden sollen. Anders formuliert: Die Reifen sollen den Anforderungen, die im Winter an sie gestellt werden, entsprechen. Es geht mit anderen Worten um eine Passung von Reifen und Witterung im Hinblick auf die Erreichung bestimmter Fahrziele. Die Passung lässt sich empirisch leicht feststellen. Durch verschiedene Prüfungen lässt sich ermitteln, ob die Reifen tatsächlich witterungsgerecht für das Fahrzeug sind. 2 Was ist Bildungsgerechtigkeit?

Der Leser dürfte bereits ahnen, dass mit dieser Einleitung eine Analogie zur Schule angebahnt wird. In der Tat ist es so, dass die jeweils besuchte Schulform den Bildungsanforderungen der Schülerinnen und Schüler gerecht werden soll. Auch hier geht es um eine Passung von Bildungsangebot und Bildungsmöglichkeit im Hinblick auf die Erreichung von Bildungszielen. Auch diese Passung ist empirisch leicht feststellbar. Durch Prüfungen lässt sich ziemlich gut ermitteln, ob die Schulform tatsächlich bildungsgerecht für das Schulkind ist.

Den Ausdruck „Witterungsgerechtigkeit“ hat zwar noch niemand mit größerer Wirkmächtigkeit geprägt, aber grammatisch wäre er eine richtige Wortbildung. Aus dem Verb „gerecht werden“ im Sinne von „entsprechen“ lässt sich das Substantiv „Gerechtigkeit“ im Sinne von „Entsprechung“ bilden. Man kann dieses Wortspiel mit vielen Nomen unternehmen und erhält viele lustige Wortschöpfungen: Geschmacksgerechtigkeit von Kaffee, Klimagerechtigkeit von Outdoorjacken, Transportgerechtigkeit der Deutschen Bahn, um nur einige Beispiele zu nennen. Bei all diesen Gerechtigkeiten kommt freilich kein vernünftiger Mensch auf die Idee, den Begriff „Gerechtigkeit“ als ethische Kategorie aufzufassen. Bei dem Ausdruck „Bildungsgerechtigkeit“ liegen die Verhältnisse streng genommen genauso, aber hier ist dann Schluss mit lustig. Ob eine Schulform den Bildungsmöglichkeiten und -ansprüchen von Schülerinnen und Schülern gerecht wird, d.h. ihnen entsprechen kann, hat zwar auch wenig mit dem rechtsphilosophischen Begriff der Gerechtigkeit zu tun. Aber der bildungspolitische Diskurs läuft erstaunlicherweise mit großer Erregung anders.

Unter Berufung auf die Menschenrechtserklärungen der Vereinten Nationen werden im Zeichen der Bildungsgerechtigkeit die gegenwärtigen Schulreformen durchgeführt. Dabei wird die eigentlich naheliegende Differenzierung nach Leistung als „Selektion“ bezeichnet und als höchste Form schulischer Ungerechtigkeit gebrandmarkt. Schülerinnen und Schüler sollen unter dem Diktat der Bildungsgerechtigkeit stattdessen länger gemeinsam lernen. Offenbar haben US-amerikanische High-School-Konzepte, aber auch die ehemalige Polytechnische Oberschule der DDR Modellcharakter für neue deutsche Gemeinschaftsschulkonzepte. Dabei soll das Gymnasium nicht mehr wie bisher eine parallele Schulform ab Klasse 5 sein, sondern sich allenfalls als Ergänzung nach Klasse 10 verstehen, die allen offensteht.

Ist es das, was die Vereinten Nationen anmahnen? Wird so die vermeintliche Forderung nach Bildungsgerechtigkeit eingelöst? Werden reduktionistische Schulreformen mit Zielvorgaben eingefordert, die jeder erreichen kann? Werden tatsächlich eine Nivellierung der Ansprüche und konsequente Zusammenfassung der verschiedenen Schularten und -formen zu einer Schule für alle propagiert? Gilt die Parole: Länger gemeinsam zum kleinsten gemeinsamen Nenner?
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Susanne Lin-KlitzingDavid Di FucciaThomas Gaube(Hrsg.)Bildungsgerechtigkeitund Gymnasium1
Titelei2
Impressum5
Inhaltsverzeichnis6
Susanne Lin-Klitzing, David Di Fuccia, Thomas Gaube: Vorwort der Herausgeberin und der Herausgeber8
Einführung10
Susanne Lin-Klitzing: Bildungsgerechtigkeit als Herausforderung. Eine Einführung12
Bildungsgerechtigkeit und Gymnasium12
Bildungsgerechtigkeit – was ist das?13
Bildungsgerechtigkeit – eine Illusion?16
Bildungsgerechtigkeit und Migration18
Fazit20
Bildungsgerechtigkeit und Gymnasium22
Jürgen Rekus: Der Beitrag des Gymnasiums zur Bildungsgerechtigkeit24
1 Einleitung24
2 Was ist Bildungsgerechtigkeit?24
3 Bildungsgerechtigkeit als „Right to Education“ und „Educational Equity“25
4 Rolle und Funktion des Gymnasiums27
5 Fazit29
Literatur30
Werner Wiater: Schülerinnen und Schüler auf die Wissensgesellschaft vorbereiten: Bildungsgerechtigkeit in der Schule 4.031
1 Einführung31
2 Wissensgesellschaft, nicht Wissenschaftsgesellschaft31
3 Globalisierung als Kennzeichen der Wissensgesellschaft33
4 Digitalisierung als Kennzeichen der Wissensgesellschaft34
5 Erwartungen an die Kompetenzen der Arbeitskräfte in der Wissensgesellschaft34
6 Bildungsgerechtigkeit in Zeiten der Wissensgesellschaft36
Literatur39
Internetquellen40
Bildungsgerechtigkeit – was ist das?42
Stefan Gosepath: Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit aus philosophischer Sicht44
1 Einleitung44
2 Erziehung oder Sozialisation der Jugend als eine Sphäre der Gerechtigkeit45
3 Drei Ebenen der Erziehung47
4 Welche Art von Chancengleichheit?52
5 Fazit58
Literatur58
Axel Bernd Kunze: Bildungsgerechtigkeit als Beteiligungsgerechtigkeit59
1 Einleitung59
2 Inwiefern ist Bildung ein sozialethisches Thema?60
3 Wie kann Bildungsgerechtigkeit als Beteiligungsgerechtigkeit verstanden werden?61
4 Was umfasst ein Menschenrecht auf Bildung?63
5 An welchen Konfliktpunkten trennen sich bildungsethische Entwürfe?66
6 Inwiefern verfehlt eine überschießende Interpretation der Menschenrechte ihr Ziel?70
7 Ausblick76
Literatur77
Hans Pechar: Chancengerechtigkeit in der Bildung79
1 Einleitung79
2 Chancengerechtigkeit – zur Problematisierung meritokratischer Verteilungsgerechtigkeit82
3 Kritische Diskussion des Matthäus-Effekts84
4 Drei Strategien zur Reduktion von Ungleichheit87
5 Fazit90
Literatur90
Bildungsgerechtigkeit – eine Illusion?92
Helmut Fend: Bildungsgerechtigkeit – eine Illusion? Eine Nachbetrachtung zur LifE-Studie94
1 Einleitung94
2 Befunde der LifE-Studie zur Bildungsgerechtigkeit95
3 Nachbetrachtungen107
Steffen Schindler und Pia König: Mehr Abiturienten – weniger Bildungsungleichheit?113
1 Einleitung113
2 Ungleichheit beim Erreichen des Abiturs oder der Studienberechtigung114
3 Soziale Ungleichheit unter den Abiturientinnen und Abiturienten122
4 Fazit125
Literatur128
Datenquelle128
Bildungsgerechtigkeit und Migration130
Janna Teltemann: Migration und Bildungsgerechtigkeit – Konsequenzen für die Gesellschaft132
1 Einleitung132
2 Determinanten des Bildungserfolgs von Migrantinnen und Migranten134
3 Bisherige Befunde zum Zusammenhang von Bildungssystemen und Ungleichheit140
4 Quasi-längsschnittliche Analysen mit Querschnittsdaten141
5 Daten und Modellierung144
6 Ergebnisse147
7 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen151
Literatur152
Anhang156
Hartmut Esser: Der Beitrag der Schule zur Integration von Migrantenkindern: Schwierigkeiten, Chancen und die Bedeutung der Gymnasien164
1 Einleitung164
2 Ethnische Differenzen165
3 Effekte der Differenzierung170
4 Der Übergang auf das Gymnasium173
5 Fazit180
Literatur181
Fazit184
Heinz-Peter Meidinger: Bildungsgerechtigkeit – Anmerkungen zu einem „fuzzy concept“186
1 Einleitung186
2 Was ist Bildungsungerechtigkeit?186
3 Folgerungen für die Eingriffstiefe von Politik187
4 Der „Schwarze Peter“ wurde von der Bildungspolitik bereitwillig aufgenommen188
5 Mit mehr Kitaplätzen zu mehr Bildungsgerechtigkeit?189
6 Grundsätzliche Besonderheiten von Gerechtigkeitsvorstellungen im Bildungsbereich191
7 Abitur für alle als Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit?192
8 Einfluss genetischer Faktoren als bildungspolitisches Tabuthema193
9 Mit mehr individueller Förderung zu mehr Bildungsgerechtigkeit?194
10 Ungleiche Bildungschancen und Schulstrukturen194
Literatur195
Autorenspiegel196
Rückumschlag198

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