Um sich intensiv mit der Thematik „Benachteiligte Jugendliche“ auseinander zu setzen und diese effektiv fördern und unterstützen zu können, muss sich zunächst die Frage gestellt werden, wer zur Gruppe der Benachteiligten gehört und wie der Begriff „Benachteiligung“ definiert werden kann.
Der Begriff „Benachteiligung“ ist heterogen anzusehen und reicht von
- Lernbeeinträchtigten, An- und Ungelernten, Geringqualifizierten, Randgruppen, Lernschwachen, Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf, Schulversagern, Schulabbrechern, Schulverweigerern,
- Jugendlichen mit abweichendem sozialem Verhalten,
- Jugendlichen mit Heimkarrieren,
- Migranten mit mangelnden Sprachkenntnissen,
- bis hin zu stattfindenden Bewegungen in der Arbeitswelt, sowie auftretenden Veränderungen beim Übergang an der Ersten Schwelle (vgl. Braun 2008, S. 11).
Stigmatisierung, Ausgrenzung und gesellschaftliche Problemlagen resultieren aus den oben angeführten Punkten (vgl. Molzberger/Dehnbostel 2009, S. 15). Aufgrund der Heterogenität der Zielgruppe stellt es sich als schwierig heraus, eine eindeutige Definition für den Benachteiligtenbegriff zu ziehen. Laut SGB III § 242 Abs. 1 sind Benachteiligte
„(...) lernbeeinträchtigte und sozial benachteiligte Auszubildende, die wegen der in ihrer Person liegenden Gründe ohne Förderung 1. eine Berufsausbildung nicht beginnen, fortsetzen, erfolgreich beenden oder 2. nach dem Abbruch einer Berufsausbildung eine weitere Ausbildung nicht beginnen oder 3. nach erfolgreicher Beendigung einer Ausbildung ein Ausbildungsverhältnis nicht begründen oder verfestigen (...) können. (Hinzu zu zählen) sind auch Auszubildende, bei denen ohne die Förderung mit ausbildungsbegleitenden Hilfen[6] ein Abbruch einer Ausbildung droht." (BA 2008, S. 42)
Arnold definiert den Begriff der benachteiligten Jugendlichen wie folgt:
„Benachteiligt ist jener Jugendlicher, der keinen Ausbildungsplatz findet, der die angefangene Berufsausbildung nicht vollenden oder der nach Abschluss einer Berufsausbildung kein Arbeitsverhältnis aufbauen kann.“ (Arnold 2008, S. 42)
Demzufolge bleibt festzuhalten, dass vor allem diejenigen Jugendlichen als benachteiligt gelten, bei denen Probleme beim Übergang an der Ersten Schwelle auftreten.
Je nach individueller Lebenslage können unterschiedliche Merkmale zur Benachteiligung junger Menschen führen. Beispiele hierfür sind Marktbenachteiligung, schulische Überforderung und Lebensprobleme, Sinn- und Identitätssuche, multiproblematische Herkunftsfamilien mit Gewalterfahrungen, protest- und autonomiebewusste Jugendliche, sowie Jugendliche mit Migrationshintergrund. Weitere Gründe für die Benachteiligung einer hohen Anzahl junger Menschen können gesundheitliche Beeinträchtigungen, Medikamenten-, Alkohol- oder sonstiger Drogenmissbrauch sein (vgl. Enggruber 2009, S. 15).
Zudem machen viele Jugendliche Erfahrungen mit Jugendhilfekarrieren, indem sie von der einen, zur nächsten Einrichtung versetzt werden (vgl. Bojanowski 2002, S. 43). Für jene Jugendliche stellt sich die Frage, wie sie sich selbst positiv erfahren und an Selbstwertgefühl gelangen, wenn dies selbst den Kindeseltern nicht gelingt und dieses Schema in Jugendhilfeeinrichtungen fortgesetzt wird, in denen der Erziehungsauftrag auch für pädagogisch ausgebildetes Fachpersonal eine große Herausforderung darstellt, welcher dieses nicht immer gewachsen ist. Werden diese Jugendlichen nicht spätestens in Jugendhilfeeinrichtungen aufgefangen, ist ihre Zukunft aufgrund der oben aufgeführten Merkmale bereits in jungen Jahren zu prognostizieren.
Die Lebensverhältnisse von Kindern und Jugendlichen sind folglich durch eine Vielzahl unterschiedlicher Einflüsse geprägt. Die wohl wichtigste und bedeutsamste Rolle spielt hierbei das Familiensystem eines Menschen. Einige Jugendliche sind durch frühe Kindheitserfahrungen Opfer von Gewalt und Missbrauch geworden.
Eine desolate Biografie hinsichtlich ihres sozialen Umfeldes kennzeichnet diese Jugendlichen bereits in jungen Jahren (vgl. ebd., S. 42). Des Weiteren sind der finanzielle Hintergrund und das Bildungsniveau der Herkunftsfamilie bei der Betrachtung der Entwicklung eines Heranwachsenden nicht als gering einzuschätzen (vgl. Enggruber 2009, S. 16). In Familien werden Menschen die Startchancen für ihr künftiges Leben gegeben. Gelingt dies nicht bereits früh in einem gut funktionierenden familiären und sozialen System, kann sich die weitere Lebensgestaltung, sowie der Bildungsweg, besonders für benachteiligte Jugendliche als äußerst problematisch erweisen. Nur selten gelingt den betroffenen jungen Erwachsenen der Weg in ein autonomes und durch Selbstverantwortlichkeit geprägtes Leben.
Im Anschluss werden einzelne Faktoren aufgezeigt, die zur Benachteiligung von Menschen führen können.
Der erst genannte Faktor von Benachteiligung ist der soziale Faktor. In diesem Zusammenhang sind die soziale Schichtzugehörigkeit, die Nationalität eines Menschen, die regionale Herkunft, sowie das Geschlecht erwähnenswert. Weitere Faktoren sind die individuellen Faktoren, wozu physische und psychische Beeinträchtigungen, Verhaltensauffälligkeiten, sowie Lern- und Leistungsschwierigkeiten zählen. Ein zusätzlicher relevanter Faktor ist jener der Marktbenachteiligung. Hierzu zählen die Konjunktur, das Wirtschaftswachstum, die Branchenstruktur, die Stärke des Nachfragejahrgangs, Qualitätsanforderungen und die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe (vgl. BMBF 2008, S. 41).
Bereits der Faktor der Marktbenachteiligung und die unter Umständen damit verbundene berufliche Ausgrenzung ist ausreichend um von Benachteiligung auszugehen, da es aus berufspädagogischer Sicht das Ziel des Umgangs mit Benachteiligung ist, einen Zusammenhang zum Arbeitsmarkt herzustellen und damit gesellschaftliche Teilnahme zu sichern (vgl. Bohlinger o. J., S. 3). Durch die berufliche Ausgrenzung kann ein Mensch sein Leben nicht in jener Form gestalten, wie er es möglicherweise anstrebt, weder in materieller Hinsicht, noch aufgrund des
Gefühls bezüglich seiner beruflichen Karriere versagt zu haben. Soziale Benachteiligung beginnt jedoch nicht erst mit dem Beginn von Erwerbslosigkeit, sondern bereits in der frühen Kindheit durch die verringerten Partizipationschancen der Herkunftsfamilie und in den allgemeinbildenden Schulen (vgl. Brusten/Hurrelmann 2003, S. 24). Es kann festgehalten werden, dass ein einzelner Faktor von Benachteiligung nicht zwangsläufig zur Benachteiligung führt, sondern dass meist eine Kumulation verschiedener Faktoren zu Problemlagen von Menschen führt.
Welche Auswirkungen Benachteiligung letztendlich auf die Lebenswelten und die (beruflichen) Chancen junger Menschen hat, wird im nachstehenden Teil dargestellt.
Die schulische Perspektivlosigkeit einer Vielzahl Jugendlicher hat großen Stellenwert hinsichtlich deren künftiger Lebensgestaltung. Als Auswirkungen von Benachteiligung im schulischen Bereich können beispielsweise fehlende Zukunftsperspektiven, geringes Selbstwertgefühl und individuelle Isolierung anzusehen sein. Aufgrund der bereits angehäuften negativen Erfahrungen im Schulalltag entsteht bei vielen Jugendlichen eine geringe Motivationsbereitschaft, eine geringe Frustrationstoleranz, sowie ein reduziertes Durchhaltevermögen hinsichtlich ihres schulischen Bildungsprozesses (vgl. Mathern 2003, S. 31). Die Konsequenzen sind dort am extremsten, wo der erreichte Schulabschluss zum Ausschließungskriterium wird, da die Chancen für Hauptschulabsolventen inzwischen immer mehr abnehmen (vgl. Beck 2003, S. 32). Die Ziele der Hauptschulen werden somit fragwürdig. Die hier betroffenen Jugendlichen erleben trotz der individuell hoch empfundenen Anstrengungen keinerlei Erfolge durch den erreichten Schulabschluss, da ihre Chancen auf dem Ausbildungsstellenmarkt sich mit einem absolvierten Hauptschulabschluss kaum verbessern. Aufgrund der selten gemachten Erfolgserfahrungen im Laufe ihrer Schulzeit, benötigen benachteiligte Jugendliche in anderen Lebensbereichen Erfolge und positive Verstärkung. Neben der durch Benachteiligung begünstigten schulischen Perspektivlosigkeit wird eine Vielzahl benachteiligter Jugendlicher anhand sozialer Auffälligkeiten identifiziert. Wenn Jugendliche sozial auffällig werden, ist von einem längeren Prozess
abweichenden Verhaltens auszugehen, wie etwa verbale Aggressionsbereitschaft dem sozialen Umfeld gegenüber (vgl. Mathern 2003, S. 37), bevor es letztendlich zu Gewalthandlungen kommt (vgl. ebd., S. 34). Meist gelten diejenigen Jugendlichen als sozial auffällig, die sozialen Randgruppen angehören. Soziale Schwierigkeiten werden meist durch körperliche Ausdrucksformen sichtbar, wie beispielsweise psychosomatische Erkrankungen, Suchtgefahr, Aufbau eines falschen subjektiven...