Sie sind hier
E-Book

Das KZ Sachsenhausen als außerschulischer Lernort

AutorJuliane Felsch
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl79 Seiten
ISBN9783640735617
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Didaktik - Geschichte, Note: 1,0, Technische Universität Dresden (Institut für Geschichte ), Sprache: Deutsch, Abstract: Das Anliegen der folgenden Arbeit ist es, die Bedeutung von historischen Orten - wie dem des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenhausen bei Berlin - als außerschulische Lernorte darzustellen. Darüber hinaus soll der Wert eines Gedenkstättenbesuches als wichtiges Element historisch-politischer Bildung herausgearbeitet werden. Der erste Teil der Arbeit versucht demnach eine ausführliche theoretische Abhandlung über außerschulisches Lernen, historisches Lernen sowie über Gedenkstätten und deren Pädagogik zu bieten. Es gilt zum einen Begriffe wie außerschulische Lernorte, historische Lernorte und den der Gedenkstätten zu definieren sowie zu klären und zum anderen auf das methodische Vorgehen und Besonderheiten im Umgang mit diesen einzugehen. Auf diese Weise soll es gelingen die Notwendigkeit des außerschulischen Lernens zu verdeutlichen und im besten Fall dazu zu motivieren einen außerschulischen Lernort wie die Gedenkstätte Sachsenhausen aufzusuchen. Im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit soll die Gedenkstätte Sachsenhausen in Oranienburg näher betrachtet werden. Vorausgehen wird eine Darstellung zur Geschichte des Konzentrationslagers. Im Folgenden soll ein umfassender Überblick über die pädagogische Arbeit in der Gedenkstätte Sachsenhausen gegeben werden, wobei vor allem auf die derzeitigen Arbeitsmittel und Angebote eingegangen werden soll. Gerade weil es gegenwärtig keine aktuelle Übersicht über die Angebote für Schulen gibt, sollen die zusammengetragenen Informationen als Hilfestellung bzw. Orientierung für interessierte Lehrer dienen. Darüber hinaus versucht die Arbeit eine Fülle von Hinweisen, Anregungen und Tipps für die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung eines Gedenkstättenbesuches in Sachsenhausen zur Verfügung zu stellen. Das Aufzeichnen von durchgeführten Projekten der Gedenkstätte Sachsenhausen soll die Arbeit abrunden. [...]

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

4. Gedenkstätten als außerschulische Lernorte


 

4.1 Definition Gedenkstätten


 

Grundsätzlich ist zu sagen, dass Gedenkstätten an zeithistorische Ereignisse, Persönlichkeiten der Zeitgeschichte und an Opfer politischer Verbrechen erinnern. „Gedenkstätten zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich an einem Ort befinden, der in besonderer, unmittelbarer Weise mit den Personen oder Ereignissen, derer gedacht werden soll, verbunden ist."[73] Charakteristika dieser sind die Materialität und die Authentizität. Ausgehend davon, wird die Vergangenheit durch historische Überreste erfahrbar, denn Echtheit, Originalität, sowie Ursprünglichkeit sind als Belege für Vorgänge der Vergangenheit zu verstehen. In diesem Zusammenhang gilt jedoch Vorsicht. Von authentischen Orten zu sprechen stellt sich nämlich in so weit problematisch dar, da durch Umnutzung, Abbruch, Teilkonstruktionen o.ä. Veränderungen an dem einstigen Erscheinungsbild vorgenommen worden sein können bzw. in aller Regel vorgenommen worden sind.[74]

 

Wie bereits erwähnt wollen Gedenkstätten auch an Opfer politischer Verbrechen erinnern. Eben Gedenkstätten zur Erinnerung an Opfer politischer Gewaltherrschaft, beinhalten einige Besonderheiten. Im Zentrum stehen hier Personen, welche aus weltanschaulichen Gründen ihrer Rechte beraubt, unmenschlich behandelt, gefangen gehalten oder ermordet wurden. „Diese Gedenkstätten erinnern an von Deutschen geplante, begangene oder geduldete Verbrechen, deren Opfer mehrheitlich nicht dem eigenen Kollektiv angehörten."[75]

 

Unter Gedenkstätten, die wiederum den Nationalsozialismus zum Gegenstand haben - als Beispiel sei hier die Gedenkstätte Sachsenhausen genannt - werden diejenigen Orte verstanden, „die an die Verfolgung durch den Naziterror erinnern sowie dem Gedenken an die Opfer und dem Widerstand gegen die Gewaltherrschaft gewidmet sind."[76] Dabei handelt es sich um ehemalige Konzentrationslager in Deutschland und in anderen europäischen Ländern, um ehemalige Vernichtungslager, um Stätten des Mordes an Kranken und Behinderten, um ehemalige Kriegsgefangenenlager, um Synagogen, Friedhöfe und zerstörte Ortschaften, um Stätten des Widerstandes, aber auch um Gefängnisse und Folterstätten nationalsozialistischer Gewaltorgane sowie um historische Orte, an denen die Ideologie der Täter und die Mitwirkung zahlreicher Institutionen des Staates und der Gesellschaft an den nationalsozialistische Verbrechen deutlich werden.[77]

 

Unmittelbar mit Gedenkstätten ist das Gedenken an sich verbunden, denn Gedenkstätten wollen Menschen dazu anhalten an Vergangenes zurück zu denken. Gedenken ist öffentlich, kulturell sowie organisiert und weist bestimmte Merkmale auf. So trägt Gedenken einen appellativen Charakter, ist zugleich organisierte Erinnerungsarbeit und hat eine deutende Erinnerung zum Gegenstand.[78] Anspruch des Gedenkens ist „zu einer besseren Orientierung in der Gegenwart [zu] führen und als Richtungsbestimmungen zukünftigen Handelns [zu] dienen."[79]Zusammenfassend kann man daher festhalten, dass Gedenkstätten „öffentliche Einrichtungen an Orten [sind], die auf besondere, unmittelbare Weise mit bedeutsamen historischen Persönlichkeiten bzw. ihren Taten, mit Personengruppen oder mit historischen Ereignissen verbunden sind"[80] und darüber hinaus als „Orte der Trauer und des Gedenkens, als tatsächliche oder symbolische Friedhöfe, als Orte der Dokumentation, Information und Aufklärung über ein historisches Geschehen und seine Ursachen sowie als Orte des Nachdenkens über historische, politische, kulturelle und ethnische Fragen und als Orte der Auseinandersetzung mit ihnen"[81] zu verstehen sind.

 

4.2 Gedenkstätten als Lernorte


 

Neben der Signifikanz von Gedenkstätten als Erinnerungs- und Gedenkorte, kommt diesen noch eine weitere zentrale Bedeutung zu. Gedenkstätten verstehen sich als Lernorte, „an denen mittels authentischer Überreste die Geschichte der Orte vermittelt werden kann."[82] Anzumerken ist, dass auch wenn der Begriff „Lernort" schon seit mehr als 35 Jahren in der pädagogischen Diskussion verwendet wird, er erst seit etwa 25 Jahren auch auf Gedenkstätten bezogen wird.[83] In der heutigen Zeit stellen lokale Gedenkstätten oft einen wichtigen Partner für Schulen dar. Vor allem die großen nationalen und internationalen Gedenkstätten verfügen über ein differenziertes pädagogisches Angebot. In diesem Zusammenhang verweist Ahlheim darauf, dass Gedenkstättenfahrten und -besuche aus dem Programm und Profil historisch-politischer Jugend- und Erwachsenenbildung kaum noch weg zu denken sind. Er macht zudem darauf aufmerksam, dass der außerschulische Lernort Gedenkstätte auch für den schulischen Unterricht immer mehr an Bedeutung gewinnt. „Gedenkstättenbesuche sind längst ein wichtiges Element historischpolitischer Bildung, und das umso mehr, als die Zeitzeugen kaum noch erinnern, berichten, informieren können. Gedenkstätten sind gewissermaßen die Zeugen nach den Zeugen [...]".[84]Festzuhalten ist, dass sich Gedenkstättenlernen vom schulischen Lernen unterscheidet. Besuche in einer Gedenkstätte ermöglichen den Wechsel des Lernortes. Dieser Lernortwechsel ist gerade bei einem so komplexen Thema wie dem Nationalsozialismus wichtig und kann dahingehend produktiv genutzt werden, dass Ereignisse vor Ort beschrieben und Einzelschicksale dargestellt werden. Eine Begegnung, die bewusst am historischen Ort stattfindet, ermöglicht die Arbeit mit der Geschichte zu intensivieren. Vor allem bei längeren Aufenthalten in der Gedenkstätte, daher zum Beispiel im Rahmen einer Projektwoche, können inhaltliche Bereiche eindringlicher behandelt werden.[85] Die vom schulischen Lernen differente Lernsituation in den Gedenkstätten zeigt sich auch darin, dass die Schüler nicht wie in der Schule mit Abbildungen o.ä., sondern mit den Gegenständen selbst, den „steinernen Zeugen", die durch ihre Authentizität überzeugen sollen, konfrontiert werden. Dies soll dazu beitragen, dass Schüler über die bloße Anschauung hinaus Begriffe, Strukturen und Zusammenhänge möglichst selbstständig ermitteln. So bietet der Lernort Gedenkstätte, die Möglichkeit Geschichte durch Veranschaulichung zu vergegenwärtigen.[86] Im Zusammenhang mit der Bedeutung von Gedenkstätten als Lernorte, verweist Pampel auf den besonderen Erlebnischarakter von Gedenkstätten und der daraus resultierenden Anregung zur nachträglichen Beschäftigung mit dem Besuch und dessen Inhalten. Solche Besuche wecken die Aufmerksamkeit und regen das Nachdenken an. Laut Pampel ist Gedenkstättenlernen, Lernen im Sinne des Erwerbs von Grund- und Detailkenntnissen über den historischen Ort oder einzelne Objekte. Es ist Anschlusslernen, da neues Wissen in bekannte Strukturen integriert wird. Durch die Materialität, Räumlichkeit und Plastizität der Gedenkstätten vollzieht sich Lernen mit allen Sinnen und wird besonders vorteilhaft abgespeichert. Zudem betont Pampel, dass das Wissen anschaulich repräsentiert wird, weil es sich um Lernen am konkreten Beispiel handelt.[87]

 

Die vorangegangenen Ausführungen haben verdeutlicht, dass Gedenkstätten besondere Lernorte sind, die durch ihre spezifische Aura wirken. Aber im Umgang mit diesen authentischen Orten ist zu beachten, dass sie nicht selbtsevident sind, sondern erst zum Sprechen gebracht werden müssen. So ergeben sich gewünschte Lernprozesse nicht von selbst, sondern sie bedürfen der Vermittlung von Informationen und Zusammenhängen.[88]

 

Ausgehend von den vorangestellten Betrachtungen kann man nun abschließend zu den bereits gegebenen Definitionen von Gedenkstätten ergänzen, dass Gedenkstätten zu pädagogischen Lernorten für historisch-politische Bildung werden, wenn sie zum einen sachliche Aufklärung durch Dokumente und originale historische Objekte, wie beispielsweise Gebäude und Relikte leisten, zudem entdeckendes Lernen ermöglichen, welches Selbstständigkeit und Eigeninitiative der Lernenden erfordert, wie zum Beispiel Zeitzeugenbefragung und Archivarbeit, und wenn sie zum anderen aktuelle Bezüge zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft herstellen sowie Aspekte emotionalen und kognitiven Lernens integrieren.[89] Der Lernort Gedenkstätte präsentiert sich als Lernort voller Chancen, den es meiner Meinung nach zu nutzen gilt. Dennoch sollte man die Bedeutung dieses Lernortes nicht überschätzen oder überfordern, denn auch die Gedenkstättenpädagogik hat ihre Grenzen. Darauf soll im Punkt 4.8 näher eingegangen werden.

 

4.3 Der Umgang mit dem Nationalsozialismus seit 1945 und die Entstehung von Gedenkstätten


 

Nach der Beendigung des Zweiten Weltkrieges wollte sich die deutsche Bevölkerung auf den Wiederaufbau des Landes konzentrieren. Unter die schrecklichen Geschehnisse sollte ein Schlussstrich gezogen werden. Zwar kritisierte die Bevölkerung das NS-Regime, aber eine Distanzierung erfolgte nur in Bezug auf die Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den Konzentrationslagern. Eine Distanzierung vom Dritten Reich und den damit verbundenen Grundideen erfolgte nicht. Doch wie sah es mit dem Gedenken, Erinnern und Mahnen in dieser Zeit aus? Wurde derartiges überhaupt verfolgt? Festzuhalten ist, dass bereits nach Ende des Krieges durch Überlebende Mahnmale und Gedenktafeln errichtet wurden. Diese gerieten jedoch bereits in den folgenden Jahren in Vergessenheit und wurden vor dem Verfall nicht bewahrt. Auch die Überlebenden...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Pädagogik - Erziehungswissenschaft

Weitere Zeitschriften

Augenblick mal

Augenblick mal

Die Zeitschrift mit den guten Nachrichten "Augenblick mal" ist eine Zeitschrift, die in aktuellen Berichten, Interviews und Reportagen die biblische Botschaft und den christlichen Glauben ...

Card-Forum

Card-Forum

Card-Forum ist das marktführende Magazin im Themenbereich der kartengestützten Systeme für Zahlung und Identifikation, Telekommunikation und Kundenbindung sowie der damit verwandten und ...

care konkret

care konkret

care konkret ist die Wochenzeitung für Entscheider in der Pflege. Ambulant wie stationär. Sie fasst topaktuelle Informationen und Hintergründe aus der Pflegebranche kompakt und kompetent für Sie ...

DER PRAKTIKER

DER PRAKTIKER

Technische Fachzeitschrift aus der Praxis für die Praxis in allen Bereichen des Handwerks und der Industrie. “der praktiker“ ist die Fachzeitschrift für alle Bereiche der fügetechnischen ...

die horen

die horen

Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik."...weil sie mit großer Aufmerksamkeit die internationale Literatur beobachtet und vorstellt; weil sie in der deutschen Literatur nicht nur das Neueste ...

filmdienst#de

filmdienst#de

filmdienst.de führt die Tradition der 1947 gegründeten Zeitschrift FILMDIENST im digitalen Zeitalter fort. Wir begleiten seit 1947 Filme in allen ihren Ausprägungen und Erscheinungsformen.  ...