2
2.1
Zuständig für Entzündungen:
Zwei Fettsäuren namens Omega
Wenn die einen Phytostoffe eine Verletzungen orten, starten sie automatisch eine Entzündung. Ist die Gefahr gebannt, drücken die anderen als deren Gegenspieler auf Aus. Sofern genügend von ihnen vorhanden sind.
Wie wird eine Wunde vor Bakterien geschützt oder, bei Befall, von ihnen befreit? Für diese Bedrohung verfügt unser Organismus über die Fähigkeit, gezielt eine Entzündung zu starten. Dabei ist keine einzige Gehirnzelle, kein Millimeter Nervenbahn, keines unserer Sinnesorgane involviert. Diese Aufgabe erfüllen einzig und allein bestimmte Moleküle pflanzlicher Herkunft in unserem Blut. Sie pulsieren permanent als Aufpasser durch die Gefäße – vorausgesetzt, sie wurden in ausreichender Menge verzehrt. Diese Phytostoffe entdecken selbstständig jeden Schaden, meist eine Verletzung, und reagieren automatisch: Sie initiieren eine Entzündung und töten so krank machende Keime. Sobald die Gefahr gebannt ist, zeigt die Genialität des Systems eine zweite, ebenso wichtige Eigenschaft: Schwester-Moleküle der gleichen Gattung erkennen die vollbrachte Heilung. Sie finden den optimalen Zeitpunkt und stoppen die Entzündung.
Die moderne Wissenschaft bezeichnet diese beiden Molekülarten mit dem letzten Buchstaben des griechischen Alphabets, Omega, und den Zahlen Sechs und Drei. Wir nennen sie, ein wenig irreführend, Fettsäuren, weil sie ursprünglich als Bestandteile von Fett entdeckt wurden. Beide Säuregruppen – jene, die Entzündungen starten, und ihre Gegenspieler, die jede Entzündung stoppen können – waren in Urzeiten ausbalanciert in der Nahrung unserer Vorfahren enthalten.
Von den Algen über die Fische zu uns
Die verbreitetesten Lieferanten der anti-inflammatorischen Moleküle, der beiden wichtigsten unter den zahlreichen Omega-3-Fettsäuren, spielen in unserer Ernährung nur noch eine untergeordnete Rolle. Es sind fettreiche Fische wie der Wildlachs, der Atlantikhering, die Makrele, die Sardelle und die Sardine. Sie produzieren die Fettsäuren nicht etwa selbst, sondern beziehen sie aus Pflanzen, nämlich Algen. Auch die Butter aus der Milch von Kühen, die noch weiden dürfen, sowie Walnüsse, Soja, Raps und Leinsamen enthalten dieses farblose Öl in reichlicher Menge.
Viel mehr Starter als Stopper
Damit sind wir mitten in einem der Gesundheitsprobleme unserer Zeit. Die westliche Kost füllt unser Blut mit weit mehr Substanzen der Fettsäure Omega-6, die Entzündungen starten. Und sie versorgt uns kaum noch mit den einzigen Helfern, die diesen aggressiven Heilprozess rechtzeitig wieder stoppen können, enthalten in den Fettsäuren Omega-3. Wir haben heute bis zu zwanzig Mal so viel von der einen wie von der anderen Kategorie in unseren Adern.
Die Substanzen der Fettsäuregruppe Omega-6 sind ebenso wertvoll wie jene der Fettsäuregruppe Omega-3. Es ist nur die Überzahl der Ersteren, die sie Verheerendes im Körper anrichten lässt.
2.2
Angriff ohne Vorwarnung:
Silent Inflammations
Silent Inflammations, die stillen Entzündungen, sind lautlose Angreifer. Ihre Auftraggeber sind die Fettsäuren Omega-6. Als ihre Komplizen agieren die Hormone Insulin und Cortisol.
Sie sind verhängnisvoll anders als die gesunde Form mit zeitgerecht ausgelöster Heilwirkung: Stille Entzündungen entwickeln keine abgeschlossene Reaktion vom ersten Alarm bis zur Bildung neuer Zellen. Sie werden gestartet, aber nicht gestoppt.
Ungleichgewicht der Botenstoffe
Ein grobes Missverhältnis von Botenstoffen für und gegen Inflammation verursacht in unseren Zellen eine ununterbrochene Entzündung, niederschwellig und unterhalb der Schmerzgrenze. Diese Dauerentzündung greift viele Organe gleichzeitig an, auch die Strukturen der Gefäße – am meisten Probleme bereitet die Beschädigung der großen Adern, denn sie bringen die Nährstoffe zum Herzen und zum Gehirn. Pro-entzündliche Moleküle fördern die Verklumpung von Blutinhaltsstoffen, vor allem bei geschwächten Abwehrkräften.
Wird unser Verteidigungssystem auf niedrigem Niveau dermaßen anhaltend beansprucht, so bricht es nach einiger Zeit zusammen. Jetzt können unterschiedliche Reparaturschritte einander behindern. Körpergewebe kann die Fähigkeit verlieren, zu erkennen, dass es sich um eigene Zellen handelt; dann werden sie für feindliche Krankheitserreger gehalten und attackiert – das reine Chaos im Abwehrsystem.
Ein Abschwächen des inflammatorischen Stresses ist die erste Voraussetzung eines erfolgreichen Alters-Managements.
Eine Zusammenfassung entzündlicher Effekte auf typische Altersleiden stimmt zumindest nachdenklich: Herzprobleme, Arteriosklerose, Schlaganfall, Alzheimer, Depression, Krebs, Fibromyalgie, Arthrose, Diabetes, Metabolisches Syndrom, erektile Dysfunktion, Orgasmusstörung, Faltenbildung und Cellulite.
Nicht als Entwarnung, aber zur Beruhigung sei gesagt: Eine Reihe von pflanzlichen Inhaltsstoffen aus der Natur besitzt beeindruckende vorbeugende Wirkungen gegen diese Entzündungsprozesse.
Südkorea isst mehr Fisch
Omega-Fettsäuren werden, im Gegensatz zu richtigen Fetten, vom menschlichen Organismus nicht selbst erzeugt; entscheidend ist deshalb ihr Anteil in unserer Nahrung. Vor etwa achtzig Jahren aßen unsere Vorfahren erheblich mehr Fisch, schluckten Lebertran und verzehrten vermutlich halb so viel wie wir heute von der entzündungsfördernden Omega-6-Fettsäure.
Vom damaligen Verhältnis können wir nur träumen. Der Omega-3-Index beziffert seit 2002 den prozentualen Anteil der günstigsten Fettsäuren im Blut innerhalb einer ganzen Gruppe: Während wir auf einen durchschnittlichen Wert von 5,6 und die USA nur auf 4,9 kommen, erreichen Japan 8 und Südkorea 11. Die dramatischen Auswirkungen belegt der so genannte „Sudden Cardiac Death Index“. Er verzeichnet für Deutschland auf 100.000 Personenjahre 148 Opfer von plötzlichem Herztod oder Sekundentod, für Japan dagegen weniger als 8.3
Insulin intelligent vernetzt
Der Mechanismus ist längst bekannt. Eine Ernährung voller problematischer Kohlenhydrate wie weißes Mehl, geschälter Reis, Obstsäfte – alles im chemischen Sinn Zuckermoleküle – lässt die Produktion des Bauchspeicheldrüsenhormons Insulin hochschnellen. Ist es im Überfluss vorhanden, so können von diesem Hormon viele negative Wirkungen ausgehen. Zum einen macht es uns dicker. Zum anderen führt eine Überversorgung zur Entstehung von schleichenden Entzündungen – denn das Insulin fördert genau jene Fettsäuren, die Entzündungen auslösen.
Insulin hat die problematische Wirkung, die entzündungsfördernden Substanzen von Omega-6-Fettsäuren verstärkt in die Zellen einzuschleusen. Das ist nicht allein ein Effekt der Ernährung mit Kohlenhydraten, sondern auch eine Frage der Lebensjahre. Während wir altern, reagieren unsere Zellen immer weniger auf die
Botschaften des Insulins. Diese Insulin-Resistenz treibt die Produktion des Hormons in die Höhe. Eine Faustregel sagt auch: Je mehr überschüssiges Körperfett wir haben, desto mehr Widerstand gegen Insulin liegt vor.
Die Systeme des Hormons Insulin und der Fettsäuremoleküle sind intelligent miteinander vernetzt. Sobald sie überhand nehmen, starten schleichende Entzündungen; beide Substanzen im Normbereich dämmen sie ein. Die meisten Betroffenen haben von beidem zu viel – sowohl vom Bauchspeicheldrüsenhormon als auch von den falschen Fettsäuren.
Überflutung mit Cortisol
Ein weiteres Hormon mischt bei entzündlichen Prozessen mit: das Cortisol. Chronische entzündliche Prozesse führen zu einem ständig hohen, das Herz-Kreislauf-System aufpeitschenden Cortisolspiegel. Auch diese Überflutung bewirkt eine Reihe von Begleitschäden, die mit Silent Inflammations einhergehen. Ein Überschuss an Cortisol hat durch Verstärkung einer Insulin-Resistenz zur Folge, dass Nervenzellen absterben und die Betroffenen dicker werden; das Abwehrsystem baut ab, das Risiko von Erkrankungen steigt. Auch andere Faktoren – emotionaler Stress, Umweltgifte, Schädigungen durch freie Radikale, Übergewicht, Strahlenbelastung und Zigarettenrauch – begünstigen Silent Inflammations im Körper.
Die Ursache hält sich im Hintergrund
Schleichende Entzündungen werden in der Medizin oft unterschätzt. Doch ein derartiger Prozess zieht meist einen weiteren nach sich....