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Das Restrukturierungsfondsgesetz: Deutsche Regulierungsbemühungen nach der Finanzkrise 2007

AutorVolker Kiesel
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl63 Seiten
ISBN9783656314912
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Jura - Zivilrecht / Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Kartellrecht, Wirtschaftsrecht, Note: 1,3, Hochschule Schmalkalden, ehem. Fachhochschule Schmalkalden, Sprache: Deutsch, Abstract: Als Reaktion auf die Finanzkrise beschloss die Bundesregierung am 25.08.2010 den Gesetzesentwurf des Bundesfinanzministeriums und des Bundesjustizministeriums zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfristen der aktienrechtlichen Organhaftung (Restrukturierungsgesetz), welcher am 01.10.2010 zur ersten Lesung im Deutschen Bundestag stand und an den Finanzausschuss überwiesen wurde. Intention des Gesetzgebers hierfür waren die negativen Erfahrungen aus der Finanzmarktkrise, die die Unzulänglichkeiten der geltenden insolvenzrechtlichen Regelungen transparent gemacht hätten. Denn zur Sanierung oder Abwicklung von Banken in wirtschaftlichen Notsituationen fehlt es an qualifizierten insolvenz- und bankenaufsichtsrechtlichen Instrumenten. Der Entwurf implementiert neben einem Sanierungs- und Reorganisationsverfahren für Kreditinstitute aufsichtsrechtliche Instrumente zum frühzeitigen Eingreifen und zur Krisenbewältigung. Außerdem werden die bestehenden Instrumente ausgeweitet, die Verjäh- rungsfristen der aktienrechtlichen Organhaftung verlängert und der Aufgabenbereich der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung erweitert. Supplementär dazu soll ein Restrukturierungsfonds als Sondervermögen des Bundes zur Finanzierung künftiger Restrukturierungs- und Abwicklungsmaßnahmen bei Banken errichtet werden. Im ersten Teil der Arbeit wird zunächst der Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute vorgestellt. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt in der Erörterung der Frage, ob es sich bei dem Restrukturierungsfondsgesetz um eine sinnige Gesetzesregelung für die Finanzbranche oder stattdessen um populistischen Aktionismus handelt. Zu diesem Zweck werden etwaige Unzulänglichkeiten bzw. Streitfragen des neuen Rechts geprüft. Abschließend wird ein Fazit aus den gewonnenen Erkenntnissen gezogen.

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Leseprobe

3. Unzulänglichkeiten und Streitfragen des Gesetzesentwurfs

 

Auch wenn der neueste Gesetzesentwurf außerhalb der Finanzbranche breite Resonanz er- fährt, muss dennoch kritisch hinterfragt werden, ob es sich bei dem Restrukturierungs- fondsgesetz um eine sinnvolle und notwendige Maßnahme für die Finanzbranche handelt oder ob es stattdessen reine Symbolpolitik darstellt. Bei näherer Betrachtung lassen sich zahlreiche Streitfragen bzw. Mängel erkennen, die eine genauere Prüfung erforderlich machen.  

 

3.1. Auswirkungen auf die Kreditvergabe

 

Ein Punkt, der gegen den Gesetzesentwurf ins Feld geführt wird, sind die Konsequenzen für die Kreditvergabe.[18] Die Mittel, die die Kreditinstitute zukünftig in den Fonds abführen müssen, können nicht zur Eigenkapitalbildung verwendet werden,[19] was sich letztlich negativ auf den jährlichen Kreditvergabespielraum auswirken wird. Da jeder Kredit mit einer bestimmten Menge an Kapital unterlegt werden muss, entscheidet die Kapitalaus- stattung über die konkreten Kreditvergabekapazitäten einer Bank. Dies muss ebenfalls im Kontext mit den verschärften Eigenkapital- und Liquiditätsregeln gesehen werden. Das am 12.09.2010 beschlossene und vermutlich im November diesen Jahres von den G-20 Staaten verabschiedete Regelwerk des Basler Ausschusses an der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, in Fachkreisen „Basel III“ getauft, sieht signifikante Modifikationen für die Finanzbranche vor. Denn um das Finanzsystem krisenfester zu machen, wird u. a. eine höhere Eigenkapitalunterlegung von riskanten Positionen verlangt, um die Verlust- tragfähigkeit der Banken zu potenzieren. Die Kernkapitalquote, die das Verhältnis von Kernkapital (§ 10 IIa KWG) zu den Risikoaktiva (z. B. Kredite und risikobehaftete Wertpapiere) beschreibt, wird von bislang vier auf sechs bis elf Prozent (ohne Ergänzungs- kapital) ab dem Jahre 2019 angehoben.[20] Der dadurch erzeugte Kapitalmehrbedarf wurde vom BdB im April 2010 für die Kreditinstitute der BRD auf 98 Mrd. Euro geschätzt.[21] Auch wenn die Anforderungen an die Kernkapitalquote erstmalig im Jahr 2019 erreicht sein müssen und es wegen der Übergangsfristen nicht zu einem plötzlichen Abbau der Ver- schuldung durch Veräußerung von Wertpapieren und Rückführung von Schulden (Deleveraging) kommen wird, beginnen die Kreditinstitute bereits heute, ihr Kapital zu erhöhen. Als erstes Institut führte die Deutsche Bank in diesem Herbst eine Kapital- erhöhung in Höhe von ca. zehn Mrd. Euro durch.[22] Unter der Präsumtion einer gleich bleibenden Gesamtkapitalisierung, ergab eine Berechnung[23] den Bedarf einer Geschäfts- reduzierung, die ca. 100 Mrd. Euro Kapital im Kreditgeschäft entspricht.[24] Bei einer acht- prozentigen Kernkapitalunterlegung und einem mittleren Risikogewicht von 50 Prozent, ergibt sich aus den 100 Mrd. Euro ein Kreditvolumen von bis zu 2.500 Mrd. Euro.[25] Das prekäre Ergebnis eskaliert noch durch den Restrukturierungsfonds, der Abgaben von einer Mrd. Euro per anno anvisiert.[26] Bei der selbigen Kernkapitalunterlegung und einer Risiko- gewichtung von 50 Prozent, ergibt sich eine Summe von 6,25 Mrd. Euro, die nunmehr nicht als Kredite vergeben werden kann. Es kann daher zu Recht befürchtet werden, dass die Kapitalbeschaffungskosten der Kreditinstitute durch Basel III und der Bankenabgabe an die Kreditnehmer weitergegeben werden.[27] Die Anhebung der Kapitalunterlegung kann entweder durch eine Kapitalerhöhung geschehen, wodurch jedoch die Aktien der Anleger verwässert werden. Der zusätzliche Kapitalbedarf wird aber ebenso durch eine Geschäfts- reduzierung kompensiert werden, was zur Folge hat, dass im Zuge der Gewinnthesaurie- rungen die Dividenden gesenkt und die Renditen reduziert werden. Darüber hinaus wird die Kreditvergabe, die in den letzten Jahren zu günstigen Geschäftsbedingungen gewährt wurde, in allen Branchen sinken und die Konditionen hierfür steigen.[28] Höhere Kapital- kosten bewirken als Folge eine Einschränkung der Investitionen und eine Behinderung der Unternehmensfinanzierung, was sich letztlich kontraproduktiv auf eine wirtschaftliche Er- holung in Deutschland auswirken wird.[29] Auch Jürgen Fitschen, der für das Deutschland-Geschäft zuständige Vorstand der Deutschen Bank, sieht die Gefahr von Verengungen, sobald die Kreditnachfrage steigen und jene Regulierungen gelten werden.[30] Weil die Markttransparenz für den Endkunden auf dem Finanzmarkt gering ausfällt,[31] ist es ferner nicht auszuschließen, dass die Kosten durch höhere Gebühren im Privatkundengeschäft kompensiert werden.  

 

Um dem vorzubeugen, muss zunächst die Solvenz der Kreditinstitute in Deutschland ge- prüft werden, damit diese nicht übermäßig durch die Bankenabgabe und den strengeren Regulierungsvorschriften belastet werden. Denn es ist fraglich, ob insbesondere die Institute, die zurzeit von den Mitteln des SoFFin zehren, überhaupt fähig sind, diese Beiträge abzuführen, ohne die Sanierung zu gefährden.[32] Wahrscheinlicher als eine Schuldübernahme durch den Staat ist stattdessen die Gewährung einer temporären Befreiung oder Stundung für jene Banken.  

 

Damit der Restrukturierungsfonds bei Eintreten der nächsten Krise ausreichend Mittel aggregiert hat, um eine Systemgefährdung zu vereiteln, bedarf es selbstverständlich eines frühen Beginns der Beitragszahlungen. Allerdings darf die Krisenvorsorge nicht über die Erholung bzw. Stabilisierung der Bankenbranche und der Volkswirtschaft gehen.  

 

3.2 Mittelvolumen des Fonds

 

In der Kontroverse über die Einführung einer Bankenabgabe wird häufig das zu erzielende Fondsvolumen kritisiert, welches gemessen an den Kosten der jüngsten Finanzmarktkrise zu niedrig bemessen sei.[33] In einem Interview mit der FAZ nannte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ein jährliches Fondsvolumen von einer Mrd. Euro als denkbare Ziel- größe.[34] Kritiker mögen einwenden, dass diese Plansumme aufgrund der Belastungen in den Bilanzen in den nächsten Jahren nicht erreicht werden kann und es außerdem Jahr- zehnte benötigen würde, um das Finanzpolster des Fonds soweit aufzubauen, um die Kosten der jetzigen Finanzmarktkrise tragen zu können.[35]  

 

Dem kann entgegengehalten werden, dass die Abgabe nicht erhoben wird, um die ent- standenen Expensen der öffentlichen Hand zu decken.[36] Das RStruktFG ist auf die Bewäl- tigung von kommenden Krisen ausgerichtet, indem der Fonds präventiv als Finanzpuffer fungiert bzw. eine Geldreserve aufbaut, um in bedrohlichen Situationen unverzüglich damit beginnen zu können, notwendige Aktionen einzuleiten; nicht jedoch um die Gesamt- kosten einer zukünftigen Krise zu tragen. Die durch den Fonds finanzierten Maßnahmen nach §§ 5-8 RStruktFG dienen ebenso wenig der Rettung eines Instituts. Neben der legisla- torischen Programmatik ist es außerdem nicht möglich, die Höhe der Schäden zum heutigen Zeitpunkt verlässlich zu beziffern. Beispielsweise sind die Finanzmittel, die der SoFFin verwaltet und einsetzt, nicht endgültig verloren. Nahezu 84 Prozent (150,87 Mrd. Euro) der abgerufenen Mittel des SoFFin sind Garantien für die der Fonds nur im schlimmsten Fall haftet und für deren Übernahme gem. § 6 I 3 FMStFG außerdem ein adäquates Entgelt in Höhe von mindestens zwei Prozent p.a. zu erheben sei.[37] Des Weiteren ist für eine Rekapitalisierung gem. § 3 II Nr. 1 FMStFV eine marktgerechte Ver- gütung und für eine Risikoübernahme gem. § 4 II Nr. 1 FMStFV eine mindestens die Refinanzierungskosten des Fonds deckende Verzinsung festzulegen. Auch ist Speyer bei- zupflichten,[38] dass diese Finanzmittel nicht ausschließlich dem Bankensystem Nutzen brachten, sondern stabilisierend auf die gesamte Volkswirtschaft wirkten und mithin katastrophale Auswirkungen verhindert werden konnten. Auch wenn die Gesamtbelastung für den Steuerzahler in absehbarer Zeit nicht beziffert werden kann, kristallisiert sich bereits heute heraus, dass die tatsächlichen Kosten, ähnlich wie in den USA, deutlich geringer ausfallen werden, als die pessimistischen Prognosen ergaben. Beim Blick über den Teich werden die Unterschiede zwischen den Befürchtungen der Bürger und den tatsächlichen Kosten deutlich. So wurde anfangs angenommen, dass das Volumen des Bankenrettungsprogramm TARP in Höhe von 700 Mrd. USD vollständig abgeschrieben werden müsste. Mittlerweile erwartet US-Finanzminister Timothy Geithner einen Verlust von weniger als 50 Mrd. USD oder gar einen Überschuss.[39]  

 

Speyer beziffert – gemessen an den gewährten Kapitalhilfen im Verlauf der Krise – den notwendigen Umfang der Eingriffsreserve in Deutschland auf 40 bis 60 Mrd. Euro und auf EU-Ebene auf 120 bis 150 Mrd. Euro.[40] Die finanziellen Konsequenzen aus der gegen- wärtigen Krise eignen sich allerdings nur bedingt als Maßstab für eine Bankenabgabe. Denn durch die regulatorischen Verschärfungen im Wege von Basel III wird eine höhere Stabilität im Finanzsektor erzielt und in Folge dessen ein geringeres Fondsvolumen notwendig.[41]  

 

Nichtsdestoweniger muss im Krisenfall ein ausreichender Mittelbestand...

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