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Die Konstruktion der Unendlichkeit

Eine empirische Untersuchung zur figurativen Intelligenz in der Realschule am Beispiel von Parketten

AutorRuth Schweda
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl124 Seiten
ISBN9783656572107
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis36,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Didaktik - Mathematik, Note: 1,0, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg (Mathematik und Informatik), Sprache: Deutsch, Abstract: Die Arbeit , da sie sich mit der Schönheit der mathematischen Muster in Parkettierungen beschäftigt, ist eine Art Liebeserklärung an die Mathematik. Sie behandelt im fachlichen Teil zunächst die Frage, was eigentlich Mathematik ist - kein schlichtes Jonglieren mit Zahlen, sondern eine musterhafte Wissenschaft im wahrsten Sinne des Wortes. Anschließend geht sie auf die räumlichen Fähigkeiten ein, die eine wichtige Rolle für das Bewältigen von Mathematik spielen und ganz besonders in der Geometrie zu tragen kommen. Diese ist in der Welt der Symmetrie schier unerschöpflich, was die vielen verschiedenen Symmetriegruppen eindrucksvoll am Beispiel von L-Parketten zeigen. Der didaktische Teil der Arbeit wertet eine Untersuchung aus, die in einer sechsten Klasse einer Realschule durchgeführt wurde. Die Schüler sollten selbst L-Parkette entwerfen und Parkette fortsetzen. Außerdem sollten sie angeben, was für sie Mathematik ist und wie schwer oder leicht ihnen das Arbeiten mit Parketten fiel. Die Schülerleistungen werden in Diagrammen übersichtlich ausgewertet und didaktisch kommentiert. Die Arbeit zeigt, was sie in ihrem Schlusssatz sagt: 'Wer die Mathematik erfolgreich anwenden will, muss Phantasie besitzen und träumen können.'

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Leseprobe

2.2.2 Die räumlichen Fähigkeiten


Räumliches Vorstellungsvermögen ist ein sehr komplexer Begriff, der ganz allgemein die Fähigkeit zum visuellen Operieren mit konkreten, sichtbaren oder vorgestellten Objekten beschreibt. Oft versucht man die Raumvorstellung von der Raumwahrnehmung abzugrenzen. Die visuelle Wahrnehmung ist dabei ein konstruierendes Element von Vorstellungen und beinhaltet außer dem Sehen auch das Verarbeiten und Behalten wahrgenommener Objekte und damit das visuelle Gedächtnis. Die Raumvorstellung umfasst außerdem die Fähigkeit, mit diesen Bildern zu operieren, sie mental zu bewegen, umzuordnen oder neue entstehen zu lassen. Oftmals kann man beide Bereiche jedoch nicht eindeutig voneinander abgrenzen, da nicht immer nachvollziehbar ist, ob das Lösen räumlicher Probleme mithilfe der visuellen Wahrnehmung geschieht, oder ob jemand auf das räumliche Vorstellungsvermögen zurückgreifen muss. Das hängt nicht nur von der Aufgabenstellung ab, sondern auch von den individuellen Strategien, die jemand anwendet - auch in der einschlägigen Literatur kommt es gemäß Franke zu Überschneidungen. 30

Ruth Schweda Die Konstruktion der Unendlichkeit

Ich werde die Einzelaspekte nachfolgend näher betrachten und Frankes Ausführungen folgend zunächst auf die visuelle Wahrnehmung eingehen, die als Voraussetzung für die Raumvorstellung angesehen werden kann und in sechs verschiedene Bereiche zerfällt. 31 Die Figur-Grund-Unterscheidung gehört zu den grundlegenden Fähigkeiten unseres Wahrnehmungssystems, denn wir können von Geburt an Figur und Grund unterscheiden, ansonsten könnten wir keine Gegenstände erkennen und uns nicht im Raum orientieren. Die Unterscheidung von Figur und Grund wird geprägt von Konturen, die Grenzen zwischen Flächen darstellen. Geschlossene Konturen werden als Form wahrgenommen, wobei auch die Form wiederum aus einer Vielzahl einzelner Elemente bestehen kann, wie beispielsweise der Würfel. Wir erkennen Formen auch als gleichartig an, wenn sie nicht völlig identisch sind, da das Wahrnehmen nicht nur das Sehen, sondern zugleich das Interpretieren von Wahrgenommenem ist - dies trifft auch auf das Phänomen verschiedener Handschriften zu. Besonders faszinierend ist in diesem Zusammenhang, dass wir lesen können, obwohl unser Gehirn nicht dahingehend getrimmt wurde. „Der Grund, warum wir es doch lernen konnten", so der New Yorker Neurologe und Autor Oliver Sacks im Gespräch mit dem Spiegel „liegt in der uns innewohnenden Fähigkeit, Formen zu erkennen.“ 32

Während bei Parketten beispielsweise Figur und Grund gleichwertig sind - sie bedingen einander - ist bei einzelnen Figuren eine Umkehrung von Figur und Grund möglich. Diese sogenannten Kippfiguren können unterschiedlich interpretiert werden. Außerdem gibt es Scheinfiguren, auch amodale Figuren genannt, die den Grund wie eine überlagernde Figur aussehen lassen.


33 Abb. 1 Kippfigur »Vase oder Gesichter« (links) und Scheinfigur »Phantomwürfel« (rechts)

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34 Abb. 2 Visuomotorische Koordination beim Nachfahren einer Kontur


Abb. 3 Täuschungen bezüglich der Größe des inneren Quadrates (links) und des Kreises 35 (rechts)


36 Abb. 4 Formenkonstanz bezüglich des Sechseckes

34 Franke 2009, S. 38

35 Franke 2009, S. 40

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Auch in diesem Fall kann es zu Wahrnehmungstäuschungen kommen, bei zweideutigen Figuren, auch reversible Bilder genannt, in denen man beispielsweise entweder Rauten oder Würfel sieht.


37 Abb. 5 Zweideutige Figur »Würfelbauwerke oder Rautenparkett«


38 Abb. 6 Wahrnehmung der Raumlage des schwarzen Dreieckes nach Drehung der Figur


38 Abb. 7 Wahrnehmung der räumlichen Beziehung zwischen Quader und Kegel

36 Vgl. Frostig et al., zitiert nach Franke 2009, S. 41

37 Franke 2009, S. 43

38 Eigener Entwurf, vgl. Franke 2009, S.47

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39 Abb. 8 Das visuelle Gedächtnis merkt sich die Plätze der einzelnen Objekte


40 Abb. 9 Visuelle Unterscheidung durch Entdecken der Unterschiede

durchaus eine scharfe visuelle Wahrnehmung haben und trotzdem Schwierigkeiten haben, nicht präsente Dinge zu zeichnen, sich vorzustellen oder zu verändern. Jean Piaget unterscheidet zwischen figurativem Wissen, das die Gestalt eines Objektes in Form eines mentalen Bildes speichert und operativem Wissen, bei dem die Betonung auf der Transformierung eines solchen Bildes liegt - er trennt also zwischen eher statischen und eher aktiven Formen des räumlichen Wissens, die sich ebenfalls in die Rubrik der räumlichen Intelligenz einordnen lassen. 42 Ich gehe auf drei Subkomponenten der räumlichen Fähigkeiten näher ein und folge der Einteilung Thurstones, der den Faktor »räumliches Vorstellungsvermögen« wie folgt in drei Subfaktoren aufgliedert. 43

39 Franke 2009, S. 50

40 Franke 2009, S. 51

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1. Räumliche Beziehungen - Spatial relations S 1 - „An ability to recognize the identity of an object when it is seen from different angles or an ability to visualize a rigid configuration when it is moved into different position.“ 44

Dieser Faktor beinhaltet vorwiegend das richtige Erfassen räumlicher Gruppierungen von Objekten und deren Beziehungen untereinander. Dazu müssen die Objekte häufig auf der Vorstellungebene, also mental, gedreht oder gespiegelt werden. Dieser Subfaktor beinhaltet demnach die Fähigkeit sich Transformationen von Objekten vorzustellen, ohne dass diese als Ganzes verändert werden. Es gibt zahlreiche Aufgabenstellungen im zwei- oder dreidimensionalen Bereich, bei denen zu entscheiden ist, ob verschiedene Ansichten zu einem gleichen Objekt gehören oder nicht, wie die folgende Beispiele zeigen.


45 Abb. 10 Räumliche Beziehungen erkennen durch mentales Rotieren von Polykuben


46 Abb. 11 Räumliche Beziehungen erkennen durch mentales Rotieren von Würfeln

2. Veranschaulichung - Visualization S 2 - „An ability to visualize a configuration in which there is movement or displacement among the internal parts of configuration.“ 47 Die Veranschaulichung umfasst die gedankliche Vorstellung von räumlichen Bewegungen wie Drehungen, Verschiebungen und Faltungen von Objekten, die Teilen sowie gedankliches Zerlegen und Zusammensetzen von Objekten mit einschließt - ohne Verwendung anschaulicher Hilfen. Der Begriff »Veranschaulichung« ist etwas missverständlich, da es stets um Veränderungen eines Objektes oder Teilen davon geht. Franke schlägt vor, stattdessen von der »Vorstellung von Veränderung einer Figur« zu sprechen. Bei der folgenden Aufgabenstellung geht es beispielsweise darum, die jeweils

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rechte Figur mit den schwarzen Teilen auszulegen, was mit Linien gekennzeichnet werden soll, wie im ersten Beispiel gezeigt.


48 Abb. 12 Veranschaulichung durch mentales Teilen und Auslegen


49 Abb. 13 Veranschaulichung durch mentales Teilen, Drehen und Zusammenfügen

3. Räumliche Orientierung - Spatial orientation S 3 - „An ability to think about those spatial relations in which the body orientation of the observer is an essential part of the problem.“ 50

Bei der räumlichen Orientierung geht es um die Einordnung der eigenen Person in eine räumliche Situation. Im Unterschied zu räumlichen Beziehungen liegt der Standort der Person innerhalb der Aufgabenstellung, die sich ganz auf die Situation einlassen muss und nicht von einer neutralen Position aus handeln...

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