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Die Kündigung in Bagatellfällen. 'Emmely' und die Folgen

AutorCarl Udeze
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl56 Seiten
ISBN9783668595262
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Jura - Zivilrecht / Arbeitsrecht, Note: 1,7, Fachhochschule Trier - Hochschule für Wirtschaft, Technik und Gestaltung, Sprache: Deutsch, Abstract: Es wird sowohl auf die wichtigste BAG-Entscheidung zur Bagatellkündigung als auch auf die 'Emmely' Entscheidung eingegangen. Des Weiteren wird ausführlich die geänderte Rechtslage nach der 'Emmely'-Entscheidung dargelegt. Aufgezeigt wird die Erforderlichkeit der Abmahnung für die außerordentliche Kündigung. Es folgt eine Auseinandersetzung mit dem seitens des BAG vorgegebenen zweistufigen Prüfungsaufbau des § 626 Abs. 2 BGB. In diesem Zusammenhang werden der unbestimmte Rechtsbegriff 'wichtiger Grund' und die Abwägung der Arbeitgeberinteressen mit den Arbeitnehmerinteressen systematisch dargelegt und diskutiert. Im weiteren Verlauf werden die Entscheidungen der Instanzgerichte nach der 'Emmely'- Entscheidung erörtert. Darüber hinaus werden die Kritik an und die Konsequenzen aus der 'Emmely'- Entscheidung dargelegt. In diesem Zusammenhang werden unter anderem auch die Motive für die Kündigung bei Bagatelldelikten, das Vertrauenskapital, die Wertgrenze für Bagatelldelikte, die bisherige Abmahnung und der Abmahnungsentfernungsanspruch aus der Personalakte beleuchtet.

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Leseprobe

5. Nach der „Emmely“ – Entscheidung


 

5.1 Erforderlichkeit einer Abmahnung


 

Mit der Erteilung einer Abmahnung weist der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf seine Vertragspflichten und deren Verletzung hin (Rüge-/Hinweisfunktion).

 

Außerdem fordert er ihn auf, sich zukünftig vertragskonform zu verhalten, und für den Fall einer wiederholten Pflichtwidrigkeit droht er ihm Konsequenzen in Form einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses an (Warnfunktion). Die Abmahnung unterscheidet sich durch das Erfordernis der Warnfunktion von einer bloßen Ermahnung, bei der eine begangene Vertragsverletzung nur gerügt wird und ohne dass tatsächliche arbeitsrechtliche Konsequenzen für den Arbeitnehmer angedroht werden. Die Abmahnung muss nicht schriftlich, sondern kann auch mündlich erfolgen.[61] Eine schriftliche Abmahnung erleichtert nicht nur den Nachweis (Dokumentationsfunktion), sondern ist auch für einen späteren Kündigungsschutzprozess im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast vorteilhaft.[62]

 

Seit dem 01.01.2002 gilt im allgemeinen Schuldrecht gemäß § 314 Abs. 2 BGB, dass die Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund dann zulässig ist, wenn der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag besteht und eine Abmahnung erfolglos war. Dieses grundsätzliche Erfordernis einer Abmahnung vor einer außerordentlichen Kündigung wurde zuvor ausschließlich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgeleitet.

In § 626 BGB findet sich keine dem § 314 Abs. 2 BGB entsprechende Regelung. Gleichwohl fließt die allgemeine Regelung des § 314 Abs. 2 BGB in die Auslegung des § 626 BGB mit ein.[63]

 

Bevor ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer wegen einer Störung im Leistungsbereich fristlos kündigen kann, ist eine Abmahnung erforderlich. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Arbeitnehmer deutlich macht, dass er definitiv nicht bereit ist, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten gerecht zu werden. Deshalb ist die Frage zu stellen, ob eine erneuerte Pflichtwidrigkeit besteht oder ob sich das vergangene Fehlverhalten auch zukünftig belastend auswirkt. Durch die allgemeine Pflicht zur Abmahnung i.S.d. § 314 Abs. 2 S. BGB ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig.

 

Kommen weiterer Pflichtverletzungen dazu oder werden frühere Pflichtverletzungen dem Arbeitgeber erst bekannt, nachdem er die Abmahnung ausgesprochen hat, so kann er eine Kündigung aussprechen und hierbei die bereits abgemahnten Verstöße als Unterstützung zur Kündigung heranziehen.[64]

 

5.2 Zweistufenprinzip zur Beurteilung der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung


 

Das BAG prüft die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung anhand eines zweistufigen Verfahrens. Auf der ersten Stufe wird geprüft, ob ein wichtiger Grund an sich für die Kündigung gegeben ist. Auf der zweiten Stufe findet eine Interessenabwägung statt, bei der die Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers abgewogen werden.

 

5.2.1 Wichtiger Grund „an sich“


 

Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung kann nicht nur in einer erheblichen Verletzung der Hauptleistungspflichten vorliegen, sondern auch bei schuldhafter Verletzung von Nebenpflichten.[65] Es wird zunächst geprüft, ob ein bestimmter Sachverhalt vorliegt, der ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund abzugeben, also ein wichtiger Grund, der typischerweise geeignet ist. Danach wird untersucht, ob bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und nach Interessenabwägung die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist. Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz keine „absoluten“ Kündigungsgründe kennt. Vielmehr ist jeder Einzelfall speziell zu beurteilen. Entscheidend ist dabei ein objektiver Maßstab.

 

Das Motiv des kündigenden Arbeitgebers ist hierbei unerheblich. Der Beurteilungszeitpunkt der Rechtsmäßigkeit einer Kündigung ist auch bei der außerordentlichen Kündigung der Zugang der Kündigungserklärung.[66]

 

Bei einer verhaltensbedingten außerordentlichen Kündigung muss das Verhalten des Arbeitnehmers so gravierend auf das Arbeitsverhältnis einwirken, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber auch bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist unzumutbar ist. Ob ein Verhalten „an sich“, typischerweise, überhaupt oder grundsätzlich geeignet ist, einen wichtigen Grund zur Kündigung darzustellen, kann strittig sein.

 

Strafbare Handlungen, die sich gegen den Arbeitgeber richten, stellen nach allgemeiner Ansicht „an sich“ ein Recht zur außerordentlichen Kündigung dar. Dies gilt insbesondere für Eigentumsdelikte. Dieser Grundsatz dürfte auch auf Straftaten gegenüber anderen Arbeitnehmern anwendbar sein. Bei Diebstahl geht die Rechtsprechung allerdings gelegentlich davon aus, dass unter gewöhnlichen Umständen bzw. im Normalfall kein Grund zur außerordentlichen Kündigung besteht. Beispielsweise: Wenn ein Arbeitnehmer 3-5 Zigaretten aus einer für Besucher und leitendes Personal bestimmten Zigarettendose entnimmt, stellt dies unter gewöhnlichen Umständen keinen Grund zur fristlosen Kündigung dar. Es stellt sich die Frage also, ob es gewöhnliche Umstände gibt, unter denen der Arbeitnehmer den Arbeitgeber bestehlen darf. Für den Fall der Unterschlagung oder des Diebstahls gegen Arbeitgeber oder Kollegen ist es „an sich“ eine Straftat, die ein schwerer Eingriff in das Arbeitsverhältnis darstellt und zugleich ein Missbrauch des in ihn gesetzten Vertrauens und wird es auch bleiben, solange keine strafrechtlichen Rechtfertigungsgründe vorliegen.[67]

 

Das BAG bejaht im Fall einer Pflichtverletzung, die das Eigentum oder das Vermögen des Arbeitgebers betrifft, einen Kündigungsgrund wegen schwerwiegender Vertrauensstörung und lehnt es generell ab, die fristlose Kündigung bei geringwertigen Sachen auszuschließen. Entscheidend ist also nicht der Wert der Sache, die entwendet wird, sondern vielmehr das Vertrauensverhältnis, das dabei zerstört wird.[68]

 

Im Fall „Emmely“ verletzte die Mitarbeiterin durch die Einlösung der Pfandbons weder das Eigentum des Arbeitgebers Kaiser´s Tengelmann noch das Eigentum eines Kunden. Sie hatte weder gestohlen noch unterschlagen. Sie täuschte nicht die Kassiererin, bei der sie zwei Pfandbons einlöste. Das LAG hatte Emmely einer Straftat beschuldigt, ohne dies genau zu prüfen. Sie richtete auch keinen wirtschaftlichen Schaden für den Arbeitgeber an. Ungeachtet dessen sah das BAG trotzdem eine schwere Pflichtverletzung in der Einlösung dieser zwei Bons und damit einen wichtigen Grund.[69]

 

5.2.1.1 Unbestimmter Rechtsbegriff

 

Der Begriff „wichtiger Grund“ bedarf der Auslegung, da er in § 626 Abs. 1 BGB als unbestimmter Rechtsbegriff verwendet wird. Nach der ständigen Rechtsprechung kann seine Anwendung durch die Tatsachengerichte im Revisionsverfahren nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, widerspruchsfrei beachtet wurden.[70]

 

Die Gewährleistung einer rechtssicheren Auslegung des Begriffs „wichtiger Grund“ bedarf einer Bildung von Fallgruppen, die seitens der Rechtsprechung durch eine abgestufte Prüfung in zwei systematisch selbständigen Abschnitten des Begriffs vorgenommen werden.[71] Da ein vollständig klarer begrifflicher Rahmen bei der Auslegung des „wichtigen Grundes“ fehlt, kommt es dazu, dass bestimmte Verhaltensweisen von einzelnen Arbeitsgerichten unterschiedlich beurteilt werden. Die Gerichte können hierzu unter anderem Betrachtungsweisen und Standpunkte werten und entsprechend normschöpfend tätig werden,[72] wodurch ohne Gesetzesänderungen ständig neue sozialethische Leitgedanken in das geltende Recht einfließen können.[73] Somit ist die Auslegung der Norm dem Wandel unterworfen.

 

5.2.1.2 Vermögensdelikte als wichtiger Grund

 

Wenn ein Arbeitnehmer eine rechtswidrige und vorsätzliche, gegebenenfalls strafbare Handlung (wie Diebstahl) unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers begeht, so verletzt er gleichzeitig in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme und strapaziert das Vertrauen. Auch wenn die rechtswidrige Handlung, Sachen von nur geringem Wert betrifft oder wahrscheinlich zu gar keinen Schaden geführt hat. Ein solches Verhalten eines Arbeitnehmers ist auch an sich geeignet, einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs.1 BGB zu...

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