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E-Book

Die Magnolienfrau

Eine wahre Geschichte übers Freisein und die große Liebe

AutorSabrina De Stefani
VerlagUllstein
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl300 Seiten
ISBN9783843717403
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Schon als kleines Kind wird Sabrina auf eine harte Probe gestellt. Jahrelang ans Gipsbett gefesselt, findet sie unter dem blühenden Magnolienbaum im Garten ihrer Großmutter Hoffnung und Trost. Die erwachsene Sabrina schließlich sucht auf abenteuerlichen Reisen ihren Weg zu innerer Freiheit. Vor allem die Exotik Indiens und die Einkehr in Ashrams faszinieren sie. In Gestalt des geheimnisvollen Shankar begegnet ihr die große Liebe. Doch ihr Glück ist nur von kurzer Dauer. Unschuldig landet Sabrina in einem der berüchtigtsten Gefängnisse Asiens. Wieder stößt sie an Grenzen, wieder wird sie in ihrer Freiheit beschnitten. Zudem ist sie schwanger, und ihre Gedanken kreisen einzig darum, wie sie entkommen kann. Doch der Blick auf die blühende Magnolie im Gefängnishof gibt ihr in dieser ausweglosen Situation Zuversicht. Wird ihr die Flucht gelingen? In schillernden Farben und berührenden Szenen erzählt uns die Autorin die Geschichte ihres Lebens. Sie lässt uns auf packende Weise daran teilhaben, wie sie sich inneren und äußeren Herausforderungen immer wieder mutig stellt.

Sabrina De Stefani (geb. 1964) ist ein Mensch mit vielen Wurzeln. Auf ihrer Suche nach sich selbst hat sie zahlreiche Länder bereist. Sie lebt heute in der Schweiz und arbeitet als Personalberaterin im Amt für Wirtschaft, wo sie sich auf die Integration schwieriger Fälle spezialisiert hat und wo ihr psychologisches Geschick und ihr unterstützendes Talent gefragt sind. Nach Ausbildungen in alternativen Heilmethoden eröffnete sie ihre Praxis für Spirituelle Partnerschafts- und Lebensberatung, in der sie Menschen in Krisensituationen zu neuen Perspektiven verhilft.

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Leseprobe

2
Findelkind

Nach drei Jahren wurde ich vom Gipsbett erlöst. Die Röntgenbilder bewiesen es: Meine Wirbelsäule hatte sich gestreckt, der Rücken war gerade geworden.

»Sie dürfen die Kleine jetzt rausnehmen. Aber immer nur stundenweise.« Diesmal war Doktor Werner zufrieden.

Auf dem Heimweg malte meine Großmutter mir aus, wie schön nun alles würde. »Laufen kannst du, Sabrina. So wie die Oma! Das Gipsding, das pfeffern wir in die Ecke. Was wohl die Uroma dazu sagt? Und deine Mutter erst!« Dann lachte sie ihr dunkles, kräftiges Lachen. Das Lachen meiner Großmutter kam immer von ganz tief unten, man konnte es durch drei geschlossene Türen hören.

Und meine Mutter? Sie wohnte in Köln und kam nur manchmal an den Wochenenden zu uns. Ich vermisste sie nicht, ich war ja bei Oma zu Hause. Wir gehörten zusammen, meine Großmutter und ich. Wir schliefen sogar nebeneinander in den Ehebetten, denn mein Großvater war im Krieg gestorben, wie mein Urgroßvater auch.

Ich liege ohne das Gipsbett auf dem Wohnzimmerteppich, auf einer Wolldecke. Oma kniet neben mir, sie hat eine Schürze über ihr gutes Kleid gebunden und streicht über meinen Bauch, über Schultern und Hüften. Zögernd lasse ich es geschehen, spüre ihre Hand auf meinem Pulli, meiner Strumpfhose. Mein Körper kennt kaum andere als die zweckmäßigen Berührungen beim Waschen, denn selten duldete ich mehr. Wie nackt und bloß bin ich jetzt, wie verletzlich ohne die harte Schale. Alles ist so unmittelbar – der Druck des Fußbodens durch den Teppich und die Wolldecke hindurch, Omas schmale Hände und meine eigenen, die sie nun auf meinen Bauch legt. Das bin ich? Es ist, als ob zwei Fremde sich begegnen.

»Guck, Sabrina«, sagt Oma und hebt ein wenig meine rechte Schulter, mein rechtes Becken vom Boden. »Du kannst dich drehen, kannst dich auf die Seite rollen.« Doch ich brauche Zeit, bis ich die Bewegungen begreife, zu denen sie mich locken will. Nur langsam wird mir klar: Ich bin nicht mehr eingezwängt. Ich kann mich jetzt nach allen Seiten ausstrecken und drehen. Ich kann tief atmen, ohne dass mein Brustkorb an den harten Deckel stößt. Wie ein Vogel im Käfig es zunächst nicht merkt, wenn das Türchen offen ist: Er flattert auch nicht gleich davon. Man muss ihn erst dazu bringen, muss ihm zeigen, dass er frei ist.

Im Kinderwagen durfte ich jetzt sitzen. Die neue Perspektive gefiel mir gut. Was da so alles an uns vorbeizog! Menschen auf Rädern, mit Kindern und Hunden. Enten, Schwäne, Bäume, Häuser, Autos … Um mich zu stützen, polsterte meine Großmutter den Wagen rechts und links mit Kissen aus, auf denen meine Ärmchen ruhten. So gingen wir nach Hilden einkaufen, immer zuerst zum Metzger. Während sie drinnen ihre Besorgungen erledigte, blieben draußen vor dem Laden oft Passanten bei mir stehen: »Guck mal, wie niedlich!«, »Diese Löckchen und die dunklen Kirschaugen! Das wird mal eine Schönheit.« Ich muss wohl allerliebst ausgesehen haben mit meinem weißen Angoramützchen und dem hellblauen Jäckchen, beides von Oma selbstgestrickt. Aber die Menschen waren mir unangenehm. Ich mochte nicht angeschaut werden und fühlte mich bedrängt. So machte ich es wie unter der Magnolie: Mein Blick suchte einen Punkt, an dem er sich festhalten konnte, einen Punkt jenseits dieser Leute, und ich beamte mich weg. Bis meine Großmutter endlich wieder herauskam und mir eine Wurstscheibe in die Hand drückte. »Wie eine Puppe aus Wachs hast du ausge­sehen, Kind«, würde sie mir Jahre später erzählen. »Hast geradeaus geguckt und gar nichts mehr wahrgenommen.«

Geduldig übte sie jeden Tag weiter mit mir. Meine Atmung wurde langsam tiefer und der Schleier zwischen mir und der Außenwelt dünner. Viel klarer sah ich nun die Farben und Gesichter. Ich traute mich, Dinge anzufassen. Die meisten berührte ich zum ersten Mal. Wie unterschiedlich sich alles anfühlte: der Samt meines Nickipullovers oder die unregelmäßige Oberfläche des gewebten Teppichs. Wenn ich bäuchlings auf ihm lag, konnte ich die Blumen sehen, die kunstvoll in alle vier Himmelsrichtungen wuchsen. Sie fühlten sich fest an und ein wenig rau. Vielleicht konnte ich sie mit etwas Abstand noch besser erkennen? Ich begann mich hochzustemmen.

Irgendwann ein Schrei: »Oh Gott, sie steht!« Ich hatte mich am Sofa hinaufgezogen, um mehr vom blauen Himmel draußen vorm Fenster zu sehen, und stand kippelig auf meinen eigenen Beinen. Meine Großmutter ging vor mir in die Knie, sie lachte mich an, streichelte mir immer wieder über den Kopf. »Mutter«, rief sie über die Schulter, »Mutter, das Kind kann stehen!«

»Pass auf, Johanna, dass nichts passiert«, klang Elfriedes Stimme aus der Küche. Meine Uroma kam nicht herein, warum auch. Sie konnte uns ja doch nicht sehen, war inzwischen blind und ängstigte sich mehr denn je. Am meisten fürchtete sie sich vor Astor, dem großen schwarzen Hund, der in seinem Zwinger auf dem Hof lebte, und vor den bösen Männern, die durch ihre Träume geisterten.

Oma ist mit Kochen beschäftigt, und ich steige vorsichtig die Treppe hinunter, ein Händchen immer schön am Geländer. Barfuß wackele ich hinaus in den Garten. Wieder ist Frühling. Dort in der Mitte steht mein geliebter Magnolienbaum, er ist über und über mit lila Blüten bedeckt. Plötzlich berührt etwas meine Hand: Ein rotes Käferchen mit schwarzen Punkten krabbelt mir über die Finger und weiter über den Hand­rücken, es schickt sich an, meinen Arm hinaufzulaufen. Ich halte den Arm in die Luft und sehe den Marienkäfer krabbeln. Wie das kitzelt! In dem Moment geschieht es: Ausgehend von diesem Kitzeln breitet sich etwas Helles in mir aus, leicht und weich fließt es durch den Körper bis in die Fingerspitzen und die Zehen, es füllt mich ganz aus und lässt mich Luft holen. Ich atme ein, so tief wie nie zuvor. Welch eine Entdeckung! Auf einmal ist da ein Körper, ein warmer, lebendiger Körper, der kann einen kleinen Käfer über sich laufen lassen und fühlen, wie es kitzelt. Der kann einatmen und ausatmen, ohne Enge, ohne Schmerz. Und dieser Körper gehört zu mir!

Ganz still bin ich und spüre, wie meine Seele jede Faser meines Körpers durchdringt. Die Sonne strahlt, die Magnolie leuchtet, und auch in mir leuchtet es. Ein großer Friede breitet sich aus: Ich bin in mich eingekehrt. Körper und Seele sind eins.

Ich wurde ein bewegungshungriges Kind. Als müsste ich alles nachholen, hüpfte ich schon bald die Treppen hinauf und ­hinunter und rannte im Garten umher. Wenn ich hinfiel, lief ich weinend ins Haus, bekam Jod aufs Knie und einen Bonbon zwischen die Lippen. »Ist nicht so schlimm, Kind. Da, kriegst ein Klümpchen.«

Samstagmorgens begleitete ich meine Großmutter zu Fuß nach Hilden, zwei Kilometer hin und zwei zurück. Ich war stets wie aus dem Ei gepellt: weiße Bluse, karierter Rock, weiße Strümpfe und schwarze Lackschuhe. Die langen schwarzen Haare ausgiebig gebürstet, zu Zöpfen geflochten oder als Knoten auf dem Kopf festgezwirbelt: »Kind, halt doch mal still.« Wie ich diese Prozedur hasste!

Auch Oma machte sich fürs Einkaufen fein, sie war gelernte Schneiderin und eine Dame. Im Sommer ging sie nie ohne Sonnenschirm aus dem Haus. Wenn ich auf dem Rückweg müde wurde, bestellte sie ein Taxi.

Samstagnachmittags kamen die Kränzchenschwestern. Es gab Kaffee und Kuchen, später Fleischbrötchen mit Sekt, danach wieder Kaffee. Und Schnaps, bis alle johlten. Unterdessen saß ich artig am Tisch, baumelte mit den Beinen und langweilte mich zu Tode.

Manchmal wandten sich die Tanten mir zu: »Wie hübsch du bist!« Und zu Oma: »Das haste gut hingekriegt.«

Ich aber hasste es, so angestarrt zu werden. Ich wollte nur weg von den Kaffeetanten und ihrem Gequassel, weg von ihren hohen Stimmen, die mir in den Ohren gellten. Wieder suchte mein Blick einen Punkt, und ich träumte mich fort.

Das Gipsbett hatte seine Spuren hinterlassen. Noch immer konnte ich in Bewegungslosigkeit verfallen und stundenlang ins Leere schauen. Innerlich war ich dann weit weg, in anderen, bunteren Welten, von denen ich hinterher nichts hätte erzählen können. Häufig stand ich neben Elfriede und hielt ihre Hand. Dicke, kräftige Hände hatte sie, richtige Arbeiterhände. Aber die Haut war ganz dünn. »Uroma, du hast eine Haut wie Papier.« Ich hielt Elfriedes Hand und streichelte sie. Lange, lange. Bis es mir zu viel wurde. Dann drückte ich ihr meine Puppe in den Arm und lief hinaus, spielen. Jeden Morgen rührte ich für Elfriede ein Eigelb mit Zucker in den heißen Kaffee. Aber wie sie ihr Frühstück schlürfte, das ertrug ich nur schwer, und ich konnte oft nicht anders, als ihre Pantoffeln zu verstecken oder sie zu erschrecken: »Uroma, der Astor steht neben deinem Bett.« Gleich kreischte sie auf, weinte und war nicht zu beruhigen, so wie in vielen Näch­ten auch. »Geh nach nebenan, Sabrina!« Dann klang Omas Stimme streng, und ich verzog mich mit einem komischen Gefühl. Was war es, das mich so reizbar machte, so empfindlich gegenüber anderen Menschen und allem, was mir nahe kam? Ich bemühte mich sehr, artig zu sein. Aber an manchen Tagen hielt ich gar nichts aus, da war ich die pure Rebellion und wäre am liebsten weit weg gewesen.

»Darf ich mitspielen?« Es ist Sonntagnachmittag, oben sitzen Mutter und Oma beim Kaffee, und ich stehe hier am Zaun....

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