Die erste Unterscheidung der Ratingarten findet dahingehend statt, ob ein einzelner Finanztitel oder die generelle Finanzkraft eines Schuldners geratet werden soll.
Im erstgenannten Fall handelt es sich um ein Emissionsrating, dass die derzeitige Meinung einer Agentur hinsichtlich der Bonität eines Schuldners in Bezug auf eine bestimmte Schuldverschreibung wiederspiegelt. Das Ergebnis des Emissionsratings hängt vor allem von der Kreditwürdigkeit des Emittenten beziehungsweise Schuldners ab. Zusätzlich wird das Resultat von der Bonität von Garantiegebern und Versicherern sowie der Währung der Emission beeinflusst. Dies führt dazu, dass Schuldverschreibungen eines Unternehmens unterschiedliche Ratingnoten besitzen können. Des Weiteren können Anleihen ein besseres Rating als das emittierende Unternehmen selbst aufweisen. Die Gründe hierfür können in einer unterschiedlichen Besicherung, der Erst- beziehungsweise Nachrangigkeit, den zusätzlichen Rechten und Bedingungen für Zins- und Tilgungszahlungen und in der Laufzeit liegen. Fundament des Emissionsratings bilden aktuelle Daten, die das emittierende Unternehmen der Agentur zur Verfügung stellt. Ferner kann in Abhängigkeit der Laufzeit der bewerteten Titel, in kurz- und langfristige Emissionsratings unterschieden werden.[81]
Im zweiten Fall handelt es sich um ein Emittentenrating. Hier wird die aktuelle Einschätzung einer Ratingagentur bezüglich der Finanzkraft und Bonität eines Schuldners wiedergegeben. Emittentenratings beurteilen die Bereitschaft und Fähigkeit eines Schuldners, seine Verbindlichkeiten zukünftig zu begleichen. Das Rating bezieht sich auf keine spezielle finanzielle Verpflichtung und berücksichtig weder Art noch Rangfolge im Falle einer Insolvenz oder Liquidation. Das Emittentenrating beurteilt die allgemeine Kreditwürdigkeit eines Schuldners hinsichtlich nicht nachrangiger ungesicherter Forderungen.[82]
Eine weitere Differenzierung von Ratings lässt sich in Bezug auf die Initiative der Kreditwürdigkeitsermittlung treffen. Erteilt ein Unternehmen einer Agentur den Auftrag es zu raten, spricht man von einem Solicited Rating.[83] Ein zur Art und Branche des Auftraggebers passendes Ratingkomitee aus Analysten verschiedener Abteilungen sammelt unter Zuhilfenahme unterschiedlicher Datenbanken das gesamte öffentlich verfügbare Material. Darüber hinaus kommt der Kooperation zwischen Agentur und Emittent eine elementare Bedeutung zu. Im Normalfall wirkt das zu ratende Unternehmen beim Ratingprozess mit und liefert der Agentur wichtige Daten.[84]
Bei einem Unsolicited Rating erfolgt die Bewertung ohne den ausdrücklichen Auftrag und ohne Mitwirkung des bewerteten Unternehmens.[85] Die Agentur muss dabei auf rein öffentlich zugängliche Informationen zurückgreifen, was zu einer geringeren Aussagekraft des Resultats führen kann.[86]
Die Unterscheidung der beiden Ratingarten liegt im Adressatenkreis. Beide basieren auf einer Analyse der grundlegenden Unternehmensstruktur. Da ein Debt Rating entscheidungsrelevante Daten für Fremdkapitalgeber liefern soll, steht die Ausfallwahrscheinlichkeit eines Kredites im Vordergrund. Das Equity Rating versucht einem Anleger eine Aussage über das Entwicklungspotenzial seiner Investition, sprich Ausmaß und Stabilität der Gewinne des Unternehmens, zu liefern.[87]
Ein Branchenrating berücksichtigt die Wachstumsstärke, die Ertragsstärke, die Wettbewerbsintensität sowie die Konjunktursensibilität einer ausgewählten Wirtschaftsbranche. Dieses Rating ist dem Umstand geschuldet, dass die Branchenkonjunktur einen wichtigen Einfluss auf die Bonität von Unternehmen ausübt. Branchenratings basieren auf Informationen aus Behörden, statistischen Ämtern oder Ministerien, Berufs- und Industrieverbänden, Wirtschaftsforschungsinstitutionen und internationalen Organisationen.[88]
Bei einem Länderrating (Sovereign Rating) wird die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes analysiert und prognostiziert. Im Fokus dieser Ratingart steht vor allem die Frage nach der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes und der daraus resultierenden Bedeutung für die Kapitalmärkte. Die Risiken für Gläubiger und potenzielle Kapitalgeber eines Landes werden anhand einer Bonitätseinschätzung beurteilt. Ferner werden die Chancen und Risiken für Realinvestitionen identifiziert. Unter anderem werden Wechselkursrisiken, die bei Investitionen in ein Land eine signifikante Rolle spielen können, über modellbasierte Prognosen ermittelt.[89] Im Gegensatz zu Emittentenratings basieren Länderratings überwiegend auf öffentlich zugänglichen Informationen und sind in der Regel nicht beantragt sowie unentgeltlich.[90] Zusätzliche Relevanz erhalten Länderratings durch ihre Funktion als Obergrenze für die Einstufung sämtlicher Emittenten mit Sitz in dem betreffenden Staat. Grund dafür ist das Devisentransferrisiko, dem alle inländischen Emittenten unterliegen. Das Konzept des „Sovereign Ceiling“ lässt nur in Einzelfällen Ausnahmen zu.[91]
Die Erstellung des erstmaligen Ratings kann generell in vier Schritte unterteilt werden: Vorphase, quantitative Analyse, qualitative Analyse sowie Ratingfestlegung und Überwachung.[92]
Die von den Ratingagenturen zu ihrer Urteilsbildung herangezogenen Kriterien sind weitestgehend einheitlich, da sämtliche zugänglichen bonitätsrelevanten Faktoren in das Urteil einfließen.[93] In Abbildung 4 wird der Prozessablauf eines Ratings skizziert.
Abbildung 4: Prozessablauf eines Ratings
Quelle: Büschgen (2007), S. 396.
Ein externes Rating, welches üblicherweise vom Emittenten initiiert wird, nimmt in der Regel zehn Wochen in Anspruch. Zu Beginn findet ein informelles und unverbindliches Vorgespräch zwischen Ratingagentur und Emittent statt. Hier wird der Ablauf der Ratinganalyse erläutert. Sollte sich der Emittent für die Durchführung des Ratingverfahrens entscheiden, muss er einen formellen Antrag bei der Agentur stellen. Daraufhin stellt ein auf die Branche des Emittenten spezialisierter Analyst der Agentur, in Absprache mit dem Unternehmen, einen Ablaufplan zusammen.[94] Das Unternehmen wird üblicherweise darum gebeten, die für die Bonitätsanalyse wichtigen und notwendigen Informationen in einer Unternehmensdokumentation zusammenzustellen, aufzubereiten und sie dem Analystenteam zur Verfügung zu stellen. Zeitgleich sind die Analysten der Agentur mit der Beschaffung und Voranalyse von Markt- und Brancheninformationen, der Definition von Vergleichsgruppen und der Auswertung unternehmensspezifischer Daten beschäftigt.[95]
Quantitative Kriterien enthalten Kennzahlen oder Charakteristika, welche sich kardinal messen lassen. Darunter fallen sowohl unternehmensspezifische Finanzkennzahlen als auch makroökonomische Variablen. Die Ausprägungen sind in aller Regel objektiv beobachtbar und hängen nicht von der subjektiven Einschätzung des Analysten ab. Sie ermöglichen einen Vergleich der Variablenausprägungen mit anderen Unternehmen einer Branche. Quantitative Faktoren sind objektiv vergleichbar und können nicht, von dem am Ratingprozess beteiligten Personen, manipuliert werden. Ferner müssen sie nicht transformiert werden und gehen direkt mit ihrer Gewichtung in das Gesamtrating ein.[96]
Quantitative Kriterien lassen sich als traditionelle betriebswirtschaftliche Kennzahlen definieren, die mit Hilfe der Jahresabschlüsse aus den Vorjahren ermittelt werden. Dabei können Kennzahlen zur Vermögen-, Ertrags- und Finanzlage differenziert werden. Eine Unterscheidung innerhalb des Ratingsystems in verschiedene Rechnungslegungsstandards ist obligatorisch und hat einen großen Einfluss auf die Zuordnung der Inputdaten bei der Ermittlung der Kennzahlen. Die Eigenkapitalquote, als Quotient aus Eigenkapital und Bilanzsumme, ist die wichtigste Kennzahl. Gefolgt wird sie von den Cashflow-Kennzahlen. In Kombination lassen sich Aussagen zur Profitabilität und zur Sicherstellung der langfristigen Existenz des Unternehmens ableiten. Zusätzlich können in Ratingsystemen folgende Kennziffern Verwendung finden:[97]
Kapitalstruktur
Liquidität
Eigenkapitalrendite
Umsatzrendite
Abschreibungsquote
Wachstum des Bruttosozialproduktes
Gemeinhin können alle Unternehmenskennzahlen sowie beliebige makroökonomischer Variablen in die Bonitätsbeurteilung einfließen. Mit Hilfe statistischer Verfahren lässt sich nachweisen, welche Kriterien in der ex- post-Betrachtung als Determinanten der Ausfallwahrscheinlichkeit einen bedeutsamen...