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Die Schule

Ein Frevel an der Jugend

AutorWalther Borgius
Verlagtologo Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl264 Seiten
ISBN9783940596376
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis3,99 EUR
Dr. Walther Borgius' Buch gliedert sich in zwei Hauptteile. Im ersten Teil beschreibt er die Geschichte der Schule und macht darin ihre Funktion als Herrschaftsmittel des Staates deutlich. Im zweiten Teil geht er auf 'Grundsätzliches' der Schule ein. Dabei analysiert er verschiedene Schulfächer hinsichtlich ihres Nutzens für den Staat, beschreibt selbstbestimmtes Lernen, fordert die Beseitigung der Schule und zeigt neue Wege auf. Borgius Thesen und Aussagen sind erschreckend aktuell, bedenkt man, daß das Buch erstmals 1930 veröffentlich wurde. Seine Argumente für selbstbestimmtes Lernen und gegen die Schulpflicht sind auf jeden Fall eine Bereicherung für jeden, der sich diesen Diskussionen stellt. Seine Schulkritik jedenfalls hat nichts an Aktualität eingebüßt. 'Es gibt nun Leute, welche behaupten: Ohne Zwang würden die meisten Kinder aber gar nichts leisten, für nichts wirkliches Interesse zeigen, geschweige denn gar sich realen ernstlichen und anhaltenden Anstrengungen dafür unterziehen, sondern nur faulenzen und Unfug treiben. Diese Auffassung (die übrigens allen Beobachtungen widerspricht) kommt mir immer vor, als behaupte man, die Kinder müßten, da sie noch gar nicht beurteilen vermöchten, was der Körper brauche, fünfmal täglich zu bestimmten Terminen vorgeschriebene Mahlzeiten von bestimmtem Ausmaß und bestimmtem Gehalt eingeflößt erhalten, ohne Rücksicht auf Hunger oder Neigung. Sonst würden sie alle 'Suppenkaspars' werden und elendiglich verhungern.' Walther Borgius

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Leseprobe

II. Grundsätzliches.


Wir müssen das Problem der Schule doch nun auch noch etwas eingehender vom systematischen Standpunkt aus betrachten. Gegen unsere grundsätzlich ablehnende Haltung liegt der Einwand nahe (und wird sicherlich gemacht werden): Mag es schon richtig sein, daß der Staat die Schule in seinem eigenen politischen Interesse geschaffen hat und verwaltet, – Tatsache ist und bleibt, daß durch sie der gesamten Bevölkerung ein erhebliches Maß wertvoller Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt wird, die sie im praktischen Leben braucht und nicht entbehren könnte. Darum kann man über Nebeninteressen, die der Staat für sich dabei verfolgt, hinwegsehen, sie in Kauf nehmen.

Wohlmeinende Ideologen vertreten immer noch die Auffassung, daß die Schule durchaus nicht als Ganzes schlecht sei, sondern es eben nur einer gründlichen Aenderung des Lehrplans bedürfe.

Wir müssen daher prüfen, ob die in der Schule den Kindern aufoktroyierten Geistesschätze wirklich ein so wertvoller Gewinn sind, daß sie durch eine individuelle Methode geistiger Ausbildung nicht ersetzt werden könnten. Ich will darum einen Rundblick auf die Hauptgebiete des Schulunterrichts werfen, um darzutun, wie auch sie durchaus den politischen Interessen der Staatsgewalt unterstehen.

Die Weltgeschichte.


Ich nehme also als erstes Fach die Weltgeschichte. (Dabei verweise ich auf das sehr lesenswerte Buch des bekannten Hannoverschen Professor Dr. Th. Lessing mit dem (sprachlich allerdings nicht einwandfreien) Titel »Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen« (C. H. Beck, München, 1921), dem ich verschiedene Gesichtspunkte entnehme:

Die Weltgeschichte ist niemals um ihrer selbst willen, als ein an sich nützlicher und wertvoller Wissensstoff, in den Schulen gelehrt worden, sondern stets nur als Mittel zum Zweck; zur Bildung einer bestimmten Gesinnung, die man in den Schülern zu züchten bestrebt ist.

Die Weltgeschichte ist das für den modernen Staat wichtigste gesinnungsbildende Schulfach. Eine jede Herrschaftsorganisation beruht nämlich in letzter Linie auf dem Glauben der Beherrschten; ihrem Glauben daran, daß eine Existenz ohne die sie bedrückende Machtorganisation gar nicht möglich ist. Im Prinzip ist auch die Kirche genau so eine Herrschaftsorganisation wie der Staat. Der Glaubenssatz, auf dem ihre Herrschaft beruht, ist: »Der Teufel geht um wie ein brüllender Leu und suchet, wen er verschlinge«. Sämtliche Menschen sind ausnahmslos Sünder und verfielen daher ohne die Kirche nach dem Tode der Hölle. Die Kirche allein hat die Kraft und Kompetenz, ihnen vermittels der Gnade Gottes die ewige Seligkeit zu verschaffen, wenn sie der Kirche unterwürfig sind und ihre Gebote erfüllen. – Auf diesem Glauben der Bevölkerung ruht die gesamte Macht der Kirche und darum ist auch für sie die Ketzerei die am ingrimmigsten verfolgte Sünde, ja der bloße Zweifel an den Heilswahrheiten schon Sünde.

Diesen Glauben im Volke zu erhalten – der sonst angesichts der offenbar friedlichen Gesinnung aller Menschen sich nicht halten würde, dient die obligatorische Lehreder Weltgeschichte (selbstverständlich so, wie sie sich vom Standpunkt des jeweiligen nationalen Staates darstellt). Und eben darum wird auch allenthalben darin die Geschichte der Kriege und der Dynastien in den Vordergrund gestellt. Schon beim Entstehen der ersten Häuptlingschaft können wir beobachten, wie das Angstmachen und in Angst erhalten vor den Rachezügen der Nachbarstämme und die Ueberzeugung von der deshalb notwendig erklärten Erhaltung einer unablässigen Kriegsbereitschaft den Häuptlingen als wesentliches Mittel zur Aufrechterhaltung ihrer Macht dient.

Im Mittelalter waren die Schulen, wie geschildert, Instrumente der Kirche. Deshalb wurde Geschichte ausschließlich als »Heilsgeschichte« gelehrt, um an ihr darzutun, wie sich Gottes Wille und Macht im Leben der Menschheit offenbart. Man teilte sie demgemäß auch ein in die Geschichte der vier Weltreiche oder auch die des Alten Testamentes und des Neuen Testamentes und berücksichtigt wurde in der Hauptsache Palästina und Deutschland (bzw. das jeweilige Vaterland).

Das ändert sich schroff mit dem Entstehen des modernen Staates: Etwa im 16. Jahrhundert lanciert er ein allgemeines Interesse für Weltgeschichte und eine dementsprechende neue Geschichtsschreibung, deren Träger bezeichnenderweise hauptsächlich die Humanisten sind, die Feinde der Papstkirche und Helfershelfer des neuen Staates. Da der Humanismus seine Wurzeln in Italien hatte, finden wir denn zuerst auch Studium und Pflege der italienischen Geschichte. Erst Wimphelius berücksichtigt auch schon Deutschland und ganz ausdrücklich nach ihm Franz Irenicus (»Exegesis historiae Germaniae«, 1518).

Christoph Cellarius brach denn auch, – zum schweren Aerger der Theologen – , mit dem überkommenen Schema der vier Weltreiche (des babylonischen, persischen, mazedonischen und römischen), wie sie noch das meist benutzte Lehrbuch des Joh. Sleidarius (»De quatuor summis imperiis«) festhielt, und brachte drei Geschichtswerke heraus: die »historia antiqua« (1685) bis zu Konstantin dem Großen, die »historia media« (1688) bis zur Renaissance, und die »historia nova« (1696); denn nunmehr befaßte man sich auch lebhaft mit der zeitgenössischen Geschichtsschreibung. (Pufendorf »Einleitung zur Historie der vornehmsten Reiche und Staaten« 1682.)

In all diesen neuen Geschichtswerken tritt denn auch stets eine lebhafte Polemik gegen das Papsttum und seine Machtansprüche zutage, namentlich gegen das Decretum Gratianum und die Konstantinische Schenkung; daneben selbstverständlich eine freudige indirekte Rechtfertigung des modernen Staatsgedankens und seiner Träger. Die Geschichte tritt als instrumentum potestatis jetzt aus dem Dienst der Kirche in den des Staates über.

Selbstverständlich würdigt der Staat nun auch schnell den Wert der Geschichte für die Schulen. Comenius empfiehlt schon die Geschichte als Lehrgegenstand für die Volksschulen und ihre Verteilung über alle Klassen (namentlich im Gymnasium) zwecks andauernder Beeinflussung der Jugend. Tatsächlich wurde im Laufe des 17. Jahrhunderts Geschichte in den Gymnasien allmählich überall Lehrfach, so sehr sich seine Leiter vielfach in altphilologischem Dünkel dagegen sträubten. In der berühmten Anstalt Schulpforta z. B. war noch bis 1808 Geschichte gar nicht gelehrt worden und wer von der Schülerschaft sich darauf warf, »galt für einen Flachkopf, für welchen bloßer Gedächtniskram oder amüsante Lektüre ohne Geistesarbeit Interesse habe«. Als aber dann durch den Wiener Kongreß Schulpforta an Preußen gekommen war, wurde der Lehrplan schleunigst »modernisiert«. Paulsen (»Geschichte als Lehrgegenstand der höheren Schulen; Leipzig, Veit & Co., 1896, S. 413) berichtet hierüber:

»Als Döderlein im Jahre 1822 den Ort seiner Jugendbildung wiederum besuchte, rühmte der Rektor Ilgen mit halb ironischer, halb sarkastischer Begeisterung: »Ja, Freund, bei uns sieht‘s jetzt anders aus: Fragen Sie unsere Tertianer von oben bis unten, in welchem Jahre Attila geboren und gestorben ist, wieviel Weiber und wieviel Kinder er gehabt hat, auch der unterste bleibt ihnen die Antwort nicht schuldig. Freilich anderes muß jetzt ruhen, was zu Ihrer Zeit gedieh und galt«.

Als Aufgabe des Geschichtsunterrichts wird damals schon mit verständnisinniger Phraseologie angesehen: »die Moral mit Beispielen zu illustrieren, der sittlichen Bildung zu dienen und vaterländische Gesinnung zu heben« (a. a. O. 150). Mit faßt gleichen Worten erklärt dann auch später die von der Direktorenversammlung in den Provinzen des Königsreichs Preußen XIII 1882 gefaßte Resolution: »Der Geschichtsunterricht soll zugleich einen Verstand und Gemüt bildenden Einfluß ausüben, indem er das sittliche Wollen des Schülers kräftigt, Begeisterung für alles Gute, Wahre und Schöne in ihm erweckt und insbesondere seine Liebe zum Vaterlande belebt« (zitiert bei Julian Hirsch »Die Genesis des Ruhms«, J. A. Barth, Leipzig, 1914, S. 132).

Die neuen Lehrpläne vom gleichen Jahre und weiter von 1890 (im Anschluß an die schon erwähnten kaiserlichen Erlasse) brachten dann eine Umgestaltung des Geschichtsunterrichts im Sinne einer noch ausgesprocheneren Gesinnungszüchtung: Die alte Geschichte (welche ursprünglich gerade in den Gymnasien im Anschluß an die Sprachen und Literaturen der Antike besonders gepflegt wurde), mußte einen erheblichen Teil der auf sie verwendeten Zeit an die neuere und neueste Geschichte abtreten, wobei die brandenburgisch-preußische zum Mittelpunkt der deutschen und überhaupt europäischen gemacht wurde, und den Lehrern wurde besonders eingeschärft, »im Anschluß an die vaterländische Geschichte und die Lebensbilder der betreffenden Herrscher vergleichende Berücksichtigung unserer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung bis 1888 unter Hervorhebung der Verdienste der Hohenzo11ern insbesondere um die Hebung des Bauern-, Bürger- und Arbeiter-Standes« zu lehren. Dabei sollte »der stetige Fortschritt zum Besseren und die Verderblichkeit aller gewaltsamen Versuche der Aenderung sozialer Ordnungen aufgezeigt« werden, um »den gesunden Sinn unserer Jugend … . . zu einem Urteil über das Verhängnisvolle gewisser sozialer Bestrebungen der Gegenwart zu befähigen«.

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