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Die Vereinbarkeit von neoklassischer Kapitalmarkttheorie und Behavioral Finance

AutorJessica Plöger
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl97 Seiten
ISBN9783638625463
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich BWL - Investition und Finanzierung, Note: 2,3, Universität Bremen (Lehrstuhl Allgemeine BWL, insb. Finanzwirtschaft), 111 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Innerhalb der Wirtschaftswissenschaften gilt die neoklassische Kapitalmarkttheorie als Ausgangspunkt für ein einfaches und sinnvolles Modell zur Bestimmung von Aktienpreisentwicklungen. Das bekannteste Modell ist dabei das CAPM. Es hat einen hohen Stellenwert, da es besonders einfach in der Handhabung und sehr verständlich ist. Aber gerade aufgrund der Einfachheit, die sich in erster Linie aus der begrenzten Anzahl von zugrunde gelegten Parametern ergibt, stellen sich auch erhebliche Probleme dar, die beonders dann zu Tage treten, wenn die Ergebnisse des CAPM mit der Realität verglichen werden. Als besonderes Problem zeigt sich die Annahme innerhalb des Modells von dem rationalen Anlegers, der am realen Markt nicht zu finden ist. Deshalb hat sich eine Gegenbewegung zur neoklassischen Kapitalmarkttheorie entwickelt, die sich Behavioral Finance nennt und insbesondere mit den tatsächlichen Verhaltensweisen von Anlegern an den Märkten beschäftigt. Aus den Forschungen der Behavioral Finance ergaben sich in den letzen Jahren vorallem die sogennanten Anomalien, die ganz klar zeigen, dass Investoren in keiner Weise rational Handeln. Die Verhaltensweisen versucht die Behavioral Finance in Modelle zu integrieren, um realere Aktienentwicklungen voraus zu sehen. Der Vorteil dieser Modelle, wie zum Beispiel der Noise Trading Ansatz, ist somit die größere Realitätsnähe, der Nachteil liegt aber in der wesentlich höheren Komplexität, aufgrund der Zunahme von zu berücksitigenden Parametern. Es stellt sich somit die Frage, ob es sich lohnt, die erhöhte Komplexität zugunsten der erhöhten Relitätnähe zu akzeptieren. Und ob sich beide Wissenschaftszweige ausschließen, oder ob sie nebeneinander bestehen und sich vielleicht sogar ergänzen können.

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Leseprobe

1. Einleitung


1.1 Zielsetzung der Arbeit und Relevanz


An den Finanzmärkten kommt es immer wieder zu ungewöhnlichen und unvorhergesehenen Marktbewegungen, wie die Kursblase am Neuen Markt Ende der 1990er, die sich durch rapide und besonders starke Aktienkursanstiege auszeichnete, die wenige Jahre darauf allerdings platzte und den ebenso schnellen und starken Abfall der Kurse mit sich brachte. Die herrschende finanzwirtschaftliche Theorie, in Form der neoklassischen Kapitalmarkttheorie, erklärt ein solches Phänomen mit einer „(…) abrupten, besonders signifikanten und im Voraus nicht antizipierbaren Verschlechterung der fundamentalen Rahmenbedingungen (…)“.[1] Der zunächst starke Anstieg der Kurse kann rational begründet werden mit der korrekten Einschätzung der Verteilung der möglichen Umweltzustände. Die Kursabfälle werden dann auf den sich einstellenden, besonders ungünstigen Umweltzustand, aus der Menge aller möglichen Umweltzustände, zurückgeführt. Doch sind diese Begründungen in der Realität haltbar? So waren die Kursanstiege im Neuen Markt absurd hoch und hätten selbst mit den optimistischsten Prognosen kaum vorhergesagt werden können.[2]

Untersuchungen die zum Börsencrash am Aktienmarkt der USA im Jahr 1987 gemacht wurden, zeigten, dass drei Viertel der Befragten fundamentale Bewertungsmodelle für diesen Crash für ungeeignet hielten und statt dessen psychologische Erklärungsmodelle vorziehen würden. Aber nicht nur solche gravierenden Marktbewegungen weisen auf den Einfluss von Faktoren hin, die neben den fundamentalen Informationen Einfluss auf die Aktienpreisbildung haben.[3] Auch kleine Phänomene, wie der Januar-Effekt, der die Beobachtung beschreibt, dass große Teile der Überrenditen, die von kleineren Unternehmen mit niedriger Marktkapitalisierung erreicht werden, innerhalb der ersten zwei Wochen im Januar entstehen, deuten dieses an.[4] Diese und andere beobachtete Phänomene gaben einigen Wirtschaftswissenschaftlern und Psychologen den Anlass, psychologische Einflüsse auf die Preisbildung an Finanzmärkten zu untersuchen und verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse in die Modellbildung einzubeziehen. Aus diesen Bemühungen heraus entstand die Behavioral Finance. Daraus ist bis heute ein eigenständiger Forschungszweig geworden, der sich allerdings fortwährend mit der Kapitalmarkttheorie misst, da er die eigenen Erkenntnisse denen der Kapitalmarkttheorie gegenüberstellt, um die herrschende Theorie damit zu widerlegen. Die Behavioral Finance versucht damit mehr Realitätsnähe in die Preisbildungsmodelle einzubringen, indem die sehr restriktiven Annahmen bezüglich der Rationalität des Investors und der Effizienz der Märkte der Kapitalmarkttheorie widerlegt und durch realistischere Annahmen ersetzt werden.

Innerhalb dieser Arbeit soll untersucht werden, welche Gründe es für das Entstehen und die Entwicklung der Behavioral Finance gibt und ob die Zweifel, die sie an der Kapitalmarkttheorie aufkommen lässt, begründet sind. Zudem soll geprüft werden, ob es durch die Entstehung der Behavioral Finance zu Entwicklungen innerhalb der neoklassischen Theorie kommt, oder ob deren Erkenntnisse durch die Vertreter der Kapitalmarktheorie vollständig angelehnt werden. Zielsetzung der Arbeit ist es, den Stand der jeweiligen Forschung zu untersuchen und die Haltung der jeweiligen Vertreter gegenüber dem alternativen Wissenschaftszweig zu ergründen. Insgesamt soll geprüft werden, ob die Behavioral Finance zum heutigen Zeitpunkt bereits eine adäquate Alternative zur Kapitalmarkttheorie darstellt und ob sich beide Ansätze miteinander vereinbaren lassen.

Das Thema ist relevant aufgrund der begrenzten Möglichkeiten der Kapitalmarkttheorie, ungewöhnliche Finanzmarktbewegungen zu prognostizieren. Zudem führt die wachsende Akzeptanz von psychologischen Begründungen für unvorhergesehene Ereignisse zu einem fortwährenden Anstieg der Bedeutung der Behavioral Finance.[5]

1.2 Aufbau der Arbeit


Aufgrund der Zielsetzung der Arbeit, die neoklassische Kapitalmarkttheorie und die Behavioral Finance gegenüberzustellen, und zu prüfen, ob diese Wissenschaftszweige vereinbar sind, sollen zu Beginn der Arbeit beide Zweige dargestellt und besonders die Behavioral Finance näher betrachtet werden.

Im zweiten Abschnitt wird deshalb zuerst die ursprüngliche Form der Kapitalmarkttheorie aufgezeigt. Das der Theorie zugrundeliegende Menschenbild ist das des rationalen Investors, der rational denkt und handelt. Da die Behavioral Finance die Rationalität der Investoren an den Finanzmärkten angreift und in Frage stellt, soll zuerst darauf eingegangen werden, warum die Kapitalmarkttheorie dieses Menschenbild benutzt, wie es definiert ist und warum sie daran festhält. Dazu wird aufgezeigt, was Rationalität bedeutet und welche Voraussetzungen ein Investor erfüllen muss, um als rational zu gelten. Eine wichtige Rolle nehmen dabei die Präferenzen des Investors ein, die aus Sicht der Neoklassik den von Neumann und Morgenstern Axiomen folgen. Weiterhin soll das Bayes-Theorem aufgezeigt werden, da es ebenfalls eine wichtige Grundannahme rationalen Verhaltens darstellt. Im Anschluss daran wird gezeigt, welche Arten von Nutzenfunktionen es gibt, um die Präferenzen eines Anlegers abzubilden und welche Eigenschaften die Nutzenfunktion des rationalen Investors aufweist. Bevor dann die Kapitalmarktheorie dargestellt wird, sollen zuerst die Anforderungen an den Markt aufgezeigt werden. Ein entscheidendes Kriterium ist die Effizienz der Finanzmärkte. Hierbei nimmt vor allem die Informationseffizienz, die in unterschiedlich starker Weise auftritt, eine wichtige Rolle ein, da die Modelle der Kapitalmarkttheorie nur bei ihrer Existenz sinnvoll einzusetzen sind. Nachdem die Bedeutung effizienter Märkte aufgezeigt wurde, soll dann dargestellt werden, wie die Aktienbewertung im Marktgleichgewicht aussieht. Da die Kapitalmarkttheorie auf der Theorie der Portfolio-Selektion von Markowitz und dem Indexmodell von Sharpe aufbaut, werden diese Ansätze zuerst erläutert, bevor dann die Kapitalmarkttheorie dargestellt wird. Das Capital Asset Pricing Model (CAPM) ist das bedeutenste Preisbildungsmodell der Kapitalmarkttheorie, weshalb auf dieses näher eingegangen, seine Annahmen und der Preisfindungsprozess aufgezeigt werden sollen.

Trotz der großen Bedeutung des CAPM in der Wissenschaft wird dieses häufig aufgrund seiner realitätsfernen Annahmen kritisiert und durch widersprechende empirische Untersuchungen die Aussagekraft für die Praxis in Frage gestellt. Im dritten Abschnitt soll aufgezeigt werden, welche Kritikpunkte besonders wichtig erscheinen, dazu gehören zum Beispiel die Abwesenheit von Steuern und Transaktionskosten innerhalb des CAPM oder auch das in der Praxis nicht anzutreffende, aber im Modell verwendete Marktportfolio. Ebenfalls sollen Phänomene aufgezeigt werden, die zwar an den Finanzmärkten auftreten, die von dem Modell aber nicht berücksichtigt werden. Zu diesen sogenannten CAPM-Anomalien gehören zum Beispiel die Excess Volatility oder der Januar-Effekt. Da die Wissenschaftler der Kapitalmarktheorie diese Anomalien erkennen, jedoch weiter an der Gültigkeit des CAPM festhalten, gibt es Versuche, einzelne Annahmen des Grundmodells zu relativieren und das CAPM durch Lockerung jeweils einzelner Annahmen so zu erweitern, dass damit die Anomalien berücksichtigt werden. Die wichtigsten Erweiterungen sollen im Anschluss an die Darstellung der Relativierung der Annahmen aufgezeigt werden. Die bekannteste und wichtigste Erweiterung des CAPM ist die Arbitrage Pricing Theory (APT), obwohl sie eher als Alternative zu verstehen ist, da der Grundgedanke den gleichen Ausgangspunkt besitzt, jedoch einige der Annahmen aufgeweicht werden. So werden zum Beispiel weniger restriktive Annahmen bezüglich des Investorenverhaltens getroffen. Am Ende von Abschnitt drei werden die Vor- und Nachteile der Entwicklungen aufgezeigt.

Trotz der Weiterentwicklungen des CAPM bestehen weiter große Zweifel bei einigen Wissenschaftlern, ob das CAPM ein geeignetes Werkzeug für die Preisbestimmung ist. Begründet werden diese Zweifel mit immer wieder auftretenden Auswüchsen an den Finanzmärkten und den entdeckten Verhaltensanomalien, die darauf schließen lassen, dass die von Neumann und Morgenstern Axiome nicht zutreffen und Anleger an den Finanzmärkten keineswegs rational handeln. In Abschnitt vier soll aufgezeigt werden, dass Entscheidungen der Menschen weniger nach den besagten Axiomen getroffen werden, sondern vielmehr von Heuristiken und Biases beeinflusst werden. Nachdem die Besonderheiten im menschlichen Denken aufgezeigt wurden, sollen im Anschluss einige der wichtigsten Verhaltensanomalien dargestellt werden. Diese Anomalien stehen in starkem Widerspruch zur Kapitalmarkttheorie, und insbesondere die Rationalität des Investors wird in Frage gestellt. Deshalb wird sie durch eine Quasi-Rationalität ersetzt, die insbesondere von Simon definiert und von ihm als bounded rationality bezeichnet wird. Das veränderte Menschenbild weist nicht nur beschränkte mentale Fähigkeiten auf, sondern verfügt auch über abweichende Präferenzen, die sich durch referenzabhängige Bewertung, Zeitinkonsistenz und Fairness äußern. Aufgrund dieser Erkenntnisse entwickeln Kahnemann und Tversky die Prospect Theory, indem sie die Nutzenfunktion des quasi-rationalen Investors bestimmen. Die zugehörige wissenschaftliche Studie gilt bis heute als einer der wichtigsten Artikel der sich entwickelnden Forschungsrichtung Behavioral Finance. Auf die Prospect Theory soll näher eingegangen werden, bevor dann Preisbildungsmodelle, die die Behavioral Finance Erkenntnisse einbeziehen, aufgezeigt werden. Dazu gehört...

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