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Differenzen und Macht

Zur Anatomie von Rassismus und Sexismus

AutorIna Kerner
VerlagCampus Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl413 Seiten
ISBN9783593405117
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis36,99 EUR
Wie können die Funktionsmechanismen und das Verhältnis von Rassismus und Sexismus angemessen beschrieben werden? Um diese Frage zu beantworten, führt Ina Kerner zentrale Positionen der Rassismustheorie, der Geschlechtertheorie und der aktuellen Debatte über Verschränkungen verschiedener Formen von Macht und Ungleichheit zusammen. Sie plädiert für eine integrative Sichtweise, die Rassismus und Sexismus als mehrdimensionale Machtrelationen fasst und dabei Ähnlichkeiten, Unterschiede, Kopplungen und Intersektionen zwischen ihnen berücksichtigt.

Ina Kerner ist Juniorprofessorin für 'Diversity Politics' am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin. Zuvor war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung der TU Berlin und am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin.

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Leseprobe
Einleitung Dieses Buch handelt von Differenzen und von Macht. Genauer gesagt handelt es von Rassismus und Sexismus und damit von Machtverhältnissen, die unter Rückgriff auf kategoriale Differenzpostulate funktionieren, die Untergruppen der Menschheit betreffen. Diese Postulate beziehen sich zumeist auf körperliche Merkmale - weshalb rassistische und sexistische Differenzierungen und Differenzzuschreibungen in der Regel naturalisierte Differenzierungen und Differenzzuschreibungen sind, die überzeitliche oder zumindest sehr langfristige Gültigkeit beanspruchen. Unabhängig davon, ob es sich um Behauptungen 'rassentypischer' Charaktereigenschaften handelt, um die These, ethnische Konflikte seien unvermeidliche Folge ethnischer Kontakte, oder um spezifische Vorstellungen der Ausgestaltung 'normaler' Geschlechtsidentitäten und einer 'normalen' Sexualität: Im Falle von rassistischen und sexistischen Differenzierungen und Zuschreibungen dominiert die Auffassung, sie gründeten in der menschlichen Natur oder zumindest - wie bei Ressentiments, die sich gegen die Angehörigen einer bestimmten Nation oder Glaubensgemeinschaft richten - in naturgegebenen Eigenschaften einer spezifischen Gruppe. Als körperliche Differenzkennzeichen können dabei Aspekte wie die Pigmentierung der Haut dienen, jedoch auch unterschiedliche Weisen, sich zu kleiden, sich zu frisieren oder den Kopf zu bedecken. In ihrer Eigenschaft als Machtverhältnisse sind Rassismus und Sexismus mit dem Hinweis auf derartige Zuschreibungen jedoch noch nicht vollständig beschrieben. Die kategorialen Differenzpostulate, die in ihrem Zusammenhang zum Einsatz kommen, schlagen sich zudem in institutionalisierten Formen nieder. Außerdem beeinflussen sie Prozesse der Subjektformation beziehungsweise Identitätsbildung und bilden den Rahmen für Handlungen und Interaktionen. Die Begriffe Rassismus und Sexismus werden hier also bewusst weit gefasst - sie verweisen auf komplexe, empirisch vielfach miteinander verwobene Machtverhältnisse, die ihre Wirkungen im Zusammenhang kategorialer Differenzierungen zwischen Gruppen von Menschen entfalten. In den folgenden Kapiteln soll ein systematisierender Blick auf diese komplexen und theoretisch nur schwer greifbaren Zusammenhänge gewagt werden. Im Zentrum stehen dabei zwei Fragen. Die erste Frage betrifft die Anatomie von Rassismus und Sexismus, bezieht sich also auf deren Funktionsmechanismen. Hier interessiert in erster Linie, was passiert, wenn Formen von Rassismus und Sexismus am Werk sind, und außerdem, wie beziehungsweise auf welche Weise es passiert; weniger geht es um die Frage nach den Ursachen, weniger also um die Frage nach dem Warum. Die zweite Frage bezieht sich auf das Verhältnis verschiedener Formen von Rassismus und Sexismus. Hier geht es darum zu klären, auf welche Weise und in welchen Hinsichten Verhältnisse zwischen Rassismus und Sexismus konstatiert werden können und welches Set von Verhältnisbestimmungen plausibel und weiterführend erscheint. Während die erste dieser beiden Fragen auf Aspekte zielt, die im Rahmen wissenschaftlicher Auseinandersetzungen mit Rassismus und Sexismus von Anbeginn umkämpft gewesen sind, kann die zweite Frage, obwohl auch sie grundsätzlich gestellt ist und auf grundsätzliche Antworten abzielt, insofern als aktuell bezeichnet werden, als ihr seit einigen Jahren in der Geschlechterforschung größte Aufmerksamkeit zuteilwird und sie zudem in weiteren Bereichen von Differenz- und Diversitätsstudien sowie im Zusammenhang von Antidiskriminierungspolitik zum Thema geworden ist. Verhandelt werden die Sachverhalte, auf welche die zweite Frage abzielt, dort zunehmend unter den Labels 'Intersektionalität' beziehungsweise - und dies gilt vor allem für anwendungsnahe Kontexte - 'Diversity'; wobei die Bezeichnung 'Diversity' bislang vor allem dafür steht, den analytischen und politischen Blick auf verschiedene Formen menschlicher Vielfalt zugleich zu richten, ohne dass über deren Verhältnis schon viel gesagt wäre, während der Begriff 'Intersektionalität' wesentlich stärker auf die Annahme einer Verzahnung verschiedener Formen von Differenz und Ungleichheit verweist. Hinsichtlich der Frage, wie man sich derartige Verzahnungen im Detail vorstellen soll, wie 'Intersektionalität' also zu konzeptualisieren ist, herrscht bislang allerdings kein Konsens.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Einleitung10
1. Facetten der Macht, Dimensionen vonRassismus und Sexismus21
1.1 Die Machtanalytik von Michel Foucault21
1.2 Dimensionen von Rassismus und Sexismus38
1.3 Formen von Rassismus und Sexismus43
2. Rassismus45
2.1 Grundlagen, Definitionen, Begriffe: Rassismus und »Rassen«45
Tatsächliche oder fiktive Unterschiede – Albert Memmi46
Ideologische Bedeutungsbildung – Robert Miles51
Vier Kennzeichen der Differenzierung – Colette Guillaumin55
2.2 Ursprünge und Anfänge60
2.3 Die Klassifizierung von Menschen: Moderne Rassentheorien65
Die Naturalisierung von Charakterdifferenzen – Immanuel Kant und seineZeitgenossen66
»Rassische« Reinheit und Hierarchisierungen – Josef Arthur de Gobineau73
Antisemitismus und die Verschmelzung von »Rasse« und Nation –Houston Stewart Chamberlain77
2.4 Rassentheorie- und Rassismuskritik im frühen 20. Jahrhundert82
Zwischen Rassentheorie und ihrer Kritik – Eric Voegelin85
Rassismuskritik – Magnus Hirschfelds »Racism«98
2.5 Die Entlegitimierung des Rassendenkens nach dem Nationalsozialismus106
2.6 Zum Gebrauch des Begriffs »Rasse«114
2.7 Rassismus und kulturelle Differenzen128
Zur Verschiedenheit der Kulturen – Claude Lévi-Strauss129
Zum Rassismus ohne »Rassen« – Etienne Balibar und Pierre-André Taguieff134
2.8 Einschränkungs- und Abgrenzungsprobleme: Neo-Rassismus, »Gegenrassismus«, Ethnozentrismus142
Einschränkung: Rassismus und Dominanz143
Abgrenzung: Rassismus und Ethnozentrismus151
2.9 Fazit: Zur Wandlungsfähigkeit des Rassismus164
3. Sexismus169
3.1 Die Naturalisierung von Geschlechterdifferenzen: Aktuelle Beispiele175
Die Geschlechtertheorie des Vatikans177
Der Populärbiologismus von Pease und Pease187
3.2 »Man kommt nicht als Frau zur Welt« – Simone de Beauvoirs Großtheorie des Sexismus192
3.3 Feministische Gleichheitsansätze214
Die liberale Position – Der Postfeminismus von Weingarten und Wellershoff218
Die radikale Position – Catharine MacKinnon225
Die sozialistische Position – Frigga Haug235
3.4 Feministische Differenzpositionen244
Der Ansatz der Geschlechterparität – Sylviane Agacinski247
3.5 Feminismus jenseits von »Frauen«-Politik259
Die Pluralisierung der Kategorie Geschlecht – Patricia Hill Collins263
Die Kritik der Zweigeschlechtlichkeit und die Entnaturalisierung von »Sex« – Judith Butler273
Feminismus der dritten Welle286
3.6 Fazit: Geschlechterdifferenzen und Macht293
4. Zum Verhältnis von Rassismus und Sexismus311
4.1 Ähnlichkeiten316
4.2 Unterschiede329
4.3 Kopplungen342
4.4 Intersektionen346
4.5 Tückische Strategien: Feminismus und Rassismus, Sexismus und Antirassismus361
4.6 Fazit: Zum Status und Verhältnis der Verhältnisbestimmungen372
Ausblick378
Danksagung391
Literatur393

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