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Freundschaften im Jugendalter. Definition und Bedeutung von Jugendfreundschaften

AutorArian Daschty
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl75 Seiten
ISBN9783668259751
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Psychologie - Entwicklungspsychologie, Note: 1,7, FernUniversität Hagen (Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften), Sprache: Deutsch, Abstract: Wer kennt das nicht? Jugendliche, die ihre Zeit am liebsten nur noch mit ihren Freunden verbringen würden; sei es, um um die Häuser zu ziehen, sich lautstark über die neuesten Gerüchte zu unterhalten und miteinander zu streiten oder zu lachen. Aber aus welchem Grund sind Freunde für Jugendliche so wichtig? Eins steht fest: Freundschaften übernehmen viele wichtige Funktionen für die Heranwachsenden. Sie lernen, miteinander zu kooperieren, sich gegenseitig zu helfen oder gemeinsame Ressourcen miteinander zu teilen. Für Mädchen gilt, dass sie ihre Zeit am liebsten mit ihrer besten Freundin in einer Zweierbeziehung verbringen und diese Zeit, ganz dem Klischee nach, in erster Linie mit Gesprächen ausfüllen. Jungen scheinen etwas mehr auf sich aufmerksam machen zu wollen, denn sie ziehen es vor, innerhalb von größeren Gruppen Zeit mit ihren Freunden zu verbringen. So viel gequatscht wie bei den Mädchen wird jedoch nicht: aktiv sein ist hier die Devise. Unterschiede machen die Jugendlichen, wenn es um ihre besten Freunde geht. Diese sind von sehr hoher Bedeutung. Sie werden im Verlauf des Jugendalters, vor allem für Mädchen, zu den wichtigsten Vertrauenspersonen. Jugendfreundschaften beschränken sich auch nicht nur auf den gleichethnischen Freund aus derselben Schulklasse, mit welchem auf dem Schulhof gespielt wird. Hier muss hinsichtlich der sich immer mehr zu einer Multikultigesellschaft verändernden Bevölkerung differenziert werden. Diese vorab beschriebenen Bereiche haben sich in den letzten Jahrzehnten mal mehr und mal weniger verändert. Eine einschneidende und bemerkenswerte Veränderung gab es jedoch zu verzeichnen: die rasante Verbreitung und Nutzung des Internets inklusive neuer Kommunikationstechnologien. Dieses neuzeitliche Phänomen hat mittlerweile erheblichen Einfluss auf die Freundschaften der Jugendlichen; eine exakte Trennung der Online- und Offlinewelt ist kaum mehr möglich. Selbstverständlich gibt es dennoch nach wie vor Streitigkeiten unter Freunden - trotz aller technologischen Fortschritte. Wird jedoch der momentane Forschungsstand betrachtet, so lässt sich eindeutig festhalten, dass positive Eigenschaften in Jugendfreundschaften bei Weitem überwiegen. Auf den Punkt gebracht: sie kann - manchmal ein Leben lang - durch eine emotional erfüllte Zeit begleiten.

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Leseprobe

3. Freundschaft


 

3.1 Historische Entwicklung der Freundschaft


 

Schon von den frühen Philosophen an bis hin zu den heutigen Entwicklungspsychologen bestand und besteht weiterhin ein spezielles Interesse an Freundschaftsbeziehungen (vgl. Newcomb & Bagwell, 1995, S. 335). Freundschaft scheint es grundsätzlich schon seit der Zeit zu geben, seit der es zwischenmenschliche Beziehungen gibt. Frühe Aufzeichnungen, wie beispielsweise aus der Antike, zeigen, dass sie auch damals schon eine bedeutende Rolle einnahm. Zu den damaligen Zeiten hatte die Freundschaft jedoch auch teilweise eine andere Bedeutung als die, welche heutzutage mit der Freundschaft assoziiert wird. Führende Philosophen dieser Zeit, wie Homer oder Aristoteles, haben sich bereits mit ihr beschäftigt. Im alten Griechenland ging es oftmals um das Geben und Nehmen in Freundschaften im Sinne einer gut funktionierenden Zweckgemeinschaft. Sie wurde als ein Streben nach guter und gerechter Gemeinschaft verstanden (vgl. Schinkel, 2003, S. 172).

 

Bei Homer kann der Ursprung der antiken Freundschaft mittels drei Begriffen aufgezeigt werden: philos, hetairos und xeinos. In Homers Epen überwiegt für den Begriff philos die Bedeutung Angehöriger. Hetairos bezeichnet eine freiwillig eingegangene Beziehung und xeinos ist der Begriff für Gastfreundschaft (vgl. a. a. O., S. 160 ff). Dies lässt in erster Linie auf gut funktionierende Zweckgemeinschaften schließen. In seinen Epen sind die Worte Freund und lieb somit meist mit den Begriffen Verwandtschaft, Kampfgenossenschaft und institutioneller Gastfreundschaft gleichgesetzt worden (vgl. a. a. O., S. 203f). Aristoteles definiert Freundschaft, indem er beschreibt, dass Freunde einander wohlwollen und Gutes wünschen, ohne dass es ihnen verborgen bleibt, und zwar wegen eines der Genannten. Freundschaft besteht für Aristoteles somit dann, wenn zwei oder mehr Personen gegenseitig einen Affekt der Liebe ausgelöst haben und darauf bezugnehmend eine wohlwollende Haltung einnehmen (vgl. Siemens, 2007, S. 39). Freundschaft ist für ihn „fürs Leben das Notwendigste. Ohne Freundschaft möchte niemand leben, hätte er auch alle anderen Güter“ (vgl. Aristoteles, 1995, S. 183). Nach Montaigne (2000, S. 66) ist die Freundschaft für Aristoteles die Krönung der Gesellschaft. Alle anderen Beziehungen werden dieser nicht gerecht, da andere Gründe und Zwecke hier noch an Wichtigkeit besitzen. Laut Schinkel (2003, S. 196f) ist auch die römische Freundschaftsauffassung im 2. Jahrhundert vor Christus der des Aristoteles ähnlich. Marcus Tullius Cicero sieht „die Tugendfreundschaft als das Wesen der Freundschaft“. Ebenso gehört für ihn die Freundschaft nicht in den Bereich des Ökonomischen, sondern in den Ordnungsbereich der Liebe. Cicero betont, dass ein Freund aufgrund seiner selbst willen geliebt werden sollte und nicht aufgrund von Vorteilen, die durch den Freund erlangt werden könnten. In der christlich-mittelalterlichen Auffassung wird die Freundschaft in gleicher Weise wie in der Antike auf ein Wesen hin verstanden, jedoch ist hierbei die Ausrichtung hin zu Gott vordergründig. Hier wird also die Freundschaftsauffassung der Antike ‚Freundschaft um der Tugend willen’ abgelöst von der ‚Freundschaft um Gottes willen’ (vgl. a. a. O., S. 207). Auch für Augustinus ist eine echte Freundschaft nur möglich über den Weg zu Gott: „So hast Du nicht nur seiner Dich erbarmt, auch unser; denn an die ungewöhnliche Güte unseres Freundes zurückzudenken, wäre uns ein unerträglicher Schmerz gewesen, hätten wir ihn nicht zu Deiner Herde zählen dürfen“ (vgl. Augustinus, 2007, S. 190).

 

In der Scholastik (ca. 800-1400 n. Chr.) ist nach Thomas von Aquin der Unterschied zu Augustinus, dass den Personen die gegenseitige Liebe bewusst ist und sie sie erwidern (vgl. Nötzold-Linden, 1994, S. 42). Im Renaissance Humanismus (1400-1600 n. Chr.) ist die stilisierte Standesfreundschaft typisch für diese Epoche. Es werden Momente der antiken, aber auch teilweise christlich-mittelalterliche Freundschaftsvorstellungen aufgenommen (vgl. a. a. O., S. 45). Es ist insgesamt eher ein funktionales Freundschaftsverständnis vorhanden, welches eine nutzenorientierte Freundschaft beschreibt. Montaigne erfasst jedoch auch hier schon die wahre Freundschaft (vgl. Schinkel, 2003, S. 278f). „Bei der Freundschaft hingegen umfaßt uns eine alles durchdringende, dabei gleichmäßige und wohlige Wärme, beständig und mild, ganz Innigkeit und stiller Glanz; nichts Beißendes ist in ihr, nichts, das uns verzehrte“ (vgl. Montaigne, 2000, S. 69).

 

In der europäischen Aufklärung (ab 1700 n. Chr.) wird das eher funktionale Verständnis von Freundschaft aus dem Renaissance Humanismus weiter fortgeführt; der Unterschied liegt jedoch darin, dass die durch die analytisch-systemische Vorgehensweise entwickelten Vorstellungen von Freundschaft hier schon auf moderne Modelle der Sozialwissenschaften verweisen (vgl. Schinkel, 2003, S. 343f). Die Funktionen der romantischen Freundschaft liegen nach Nötzold-Linden (1994) „in der gegenseitigen Ergänzung und Vervollkommnung der Person und im kollektiven Selbstgenuss“ (S. 54). Dies ändert sich am Übergang zum 20. Jahrhundert, wo Freundschaft eher in den Hintergrund rückt. Das scheint daran zu liegen, dass Menschen vermehrt in die Abhängigkeit von unpersönlichen Organisationsstrukturen geraten. „Das schwärmerische Denken über die Vorzüge dieser Beziehung nimmt zugunsten anderer Werte ab“ (vgl. ebd.). Die heutige Freundschaftsauffassung setzt sich laut Schinkel (2003, S. 414ff) aus einem Verschwinden der Sozialität, Flüchtigkeit, Nutzenorientierung, Management, individueller Willkür und Intimität zusammen, was insgesamt lediglich einen groben Überblick über die heutige Freundschaftsordnung sichtbar macht.

 

3.2 Bedeutung und Funktion von Freundschaft allgemein und im Jugendalter


 

Die Freundschaft wird oben zusammenfassend beschrieben als eine persönliche, informelle Sozialbeziehung, die auf Gegenseitigkeit beruht und einen individuell unterschiedlichen Wert besitzt. Im Alltag ist der Begriff Freundschaft allgegenwärtig und er hat viele Gesichter: Es gibt die intime Zweierbeziehung, den eher lockeren Freundeskreis, Frauen-, Männer- oder gemischtgeschlechtliche Freundschaften, Freundschaften im Alter oder eben auch die Freundschaften im Jugendalter (vgl. Schinkel, 2003, S. 15). In einer umgangssprachlichen Bestimmung der Freundschaft wird diese nach dem Grad ihrer Stärke abgestuft. Die schwächste Ausprägung wäre die Bekanntschaft und die stärkste der sogenannte ,Freund fürs Leben’ (vgl. Lainer, 2009, S. 5).

 

An dieser Stelle sei kurz darauf einzugehen, dass nach Hermand (2006, S. 5f) zwei unterschiedliche Trends in der Einschätzung von Freundschaft zu unterscheiden sind. Einmal wird sie unter sozialhistorischer Perspektive als ein weitgehend der Vergangenheit angehöriger Vorstellungskomplex hingestellt, dessen sozialethischer Impuls in unserer aktuellen marktwirtschaftlichen Konkurrenzgesellschaft, welche keine weiteren sozioökonomischen Möglichkeiten mehr bietet, seine Funktion verloren hat. Der zweite Trend besteht aus dem rein Privaten der Freundschaft, welche es im zwischenmenschlichen Bereich schon immer gegeben habe. Auf diese Art der Freundschaft wird im weiteren Verlauf der Arbeit eingegangen.

 

Jeder scheint diese Form der Freundschaft auch selbst zu kennen. Einen Freund oder mehrere Freunde hat fast jeder und die meisten scheinen wenige enge und mehrere eher weiter gefasste Freundschaften zu haben. Was ist allgemein und speziell für Jugendliche so bedeutungsvoll an der sozialen Beziehung Freundschaft? Freundschaften stellen eine spezifische Form der Beziehung unter Gleichaltrigen dar, da sie im Normalfall exklusiv und wechselseitig zwischen zwei Personen stattfindet. Die Freundschaftsentwicklung ist ein typisches Beispiel einer qualitativen Veränderung über die Zeit hinweg. Hierbei verändert und erweitert sich dann das Konzept der Freundschaft, also die Erwartungen daran, wie sich der Freund im Vergleich zu einem Bekannten zu verhalten oder nicht zu verhalten hat (vgl. Pinquart et al., 2011, S. 216f). Nach dem Stufenmodell der Freundschaftsbeziehungen von Selman (1984) durchlaufen Menschen zunächst die Stufen 0 (Momentane physische Interaktion: frühe Kindheit), 1 (Einseitige Hilfestellung: mittlere Kindheit) und 2 (Schönwetterkooperation: mittlere Kindheit), bevor sie im Jugendalter die Stufen 3 (Intimer Austausch) und 4 (Autonomie und Interdependenz) erreichen. Vor allem der intime gegenseitige Austausch wird zum zentralen Kriterium für Jugendliche (vgl. Seiffge-Krenke, 2009, S. 125).

 

Wie die Stufe 0 aus Selmans Modell zeigt, werden Freundschaften bereits ab der frühen Kindheit geschlossen. Laut Wagner (1994, S. 14) ist dies eng verbunden mit dem Erlernen sozialer Kompetenzen, welche in der Beziehung zu den Eltern in dieser Weise nur schwierig zu erreichen sind. Dies wird nur im Umgang mit Freunden und Gleichaltrigen, den sogenannten Peers, erreicht: Hier lernen die Jugendlichen Kooperation oder Wettstreit, moralisches Urteilen und Handeln, Vertrauen oder Sensibilität. Dies liegt vor allem daran, dass Kinder untereinander in einem symmetrischen Verhältnis zueinander stehen, d. h. sie begegnen sich auf einer gleichberechtigten Stufe. Diese daraus resultierende Sozialkompetenz scheint für den...

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