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E-Book

Furioses Wien

Ungewöhnliches, Unbekanntes, Unglaubliches

AutorHarald Havas
VerlagMetroverlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783993007058
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Erneut schöpft Harald Havas aus seinem unermu?dlichen Fundus an skurrilen wie erheiternden Geschichten aus seiner Heimatstadt Wien. Nach seinem Erfolgsbuch 'Kurioses Wien' legt der Autor nun einen zweiten Band vor, in dem er abermals und noch viel mehr Einblick in die kuriosen Seiten der Stadt gibt. So berichtet er im bekannten charmant-witzigen Plauderton etwa, warum 5000 Schlu?mpfe in Wien untergehen, wer sich vor Falco als erster österreichische Musiker in die US-Charts gerockt hat und wie ein einfacher Baum zum Stock im Eisen wird. Ob Unterhaltsames oder unbedingt Wissenswertes, in jedem Fall verspricht dieses Buch eine amu?sante Lektu?re. Harald Havas eben.

Geboren 1964 in Wien, Studium der Publizistik und Romanistik, lebt als Journalist, Übersetzer, Buch-, Drehbuch-, Comic- und Spiele-Autor in Wien. Zahlreiche Publikationen, zuletzt 'Der Mann, der den Neusiedlersee trocken legen wollte' (Metroverlag, 2013).

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Leseprobe

Rathausmann
im Eisen

Zwei seltsame, aber touristisch umso interessantere teil-metallene Objekte standen und stehen oft im Fokus herkömmlicher Wien-Bücher und Reiseführer: der Rathausmann und der Stock im Eisen.

Durchaus zu Recht, stellen doch beide eine Fundgrube an interessanten, obskuren und auffallenden, aber eben meist weithin bekannten Details dar. Seltener fällt der touristische – und einheimische – Blick aber auf ein drittes ehernes Denkmal, das quasi eine Synergie aus den beiden bekannteren darstellt.

Aber zuerst zu bekannten und weniger bekannten Fakten rund um die bekannteren Objekte:

Die ältere der beiden Metall-Sehenswürdigkeiten, nach Meinung mancher die älteste Sehenswürdigkeit Wiens überhaupt, befindet sich – obwohl es sich dabei ursprünglich schlicht und einfach nur um einen Baum, der vor den einstigen Stadttoren stand, handelte – schon seit langem in der Stadtmitte, an dem nach ihr benannten Stock-im-Eisen-Platz. Dieser Platz stellt übrigens ein weiteres Wiener Kuriosum dar, denn, obwohl es ihn als Adresse noch gibt, wird man heute so seine Mühen haben, ihn „räumlich“ zu finden. Hört sich etwas geheimnisvoll an, erklärt sich aber ganz einfach durch den Verlauf der Geschichte: Denn im Laufe der Zeit sind die ihn begrenzenden Häuser schlicht und einfach verschwunden, sodass mittlerweile der Graben und die Kärntner Straße gewissermaßen unbehindert in den Stephansplatz münden. Wodurch der ehemalige Platz zu einem Platz ohne klar erkennbaren Platz wurde. Denn der nun quasi vergrößerte Stephansplatz wird in seiner räumlichen Ausdehnung durchaus als einheitlicher Platz wahrgenommen, wenn auch nicht alles Stephansplatz ist, was danach aussieht. Wie eben der heute „unsichtbare“ Vorplatz namens Stock im Eisen.

Doch genug der räumlichen Verwirrung und zurück zu seinem Namensgeber. Die Geschichte von den Handwerksgesellen, die am ehemaligen Stadttor jeweils einen Nagel in einen Baum schlugen, sodass nach und nach der ganze Baum ein eisernes Gewand erhielt und so zum „Stock im Eisen“ wurde, ist wohl jedem Wiener hinlänglich bekannt. Wenn man auch nicht genau weiß, weshalb der Baum ursprünglich „benagelt“ wurde. Denn der Beginn der Beschlagung des alten – vermutlich – Grenzbaums, etwas vor 1440, liegt wesentlich länger zurück als der Brauch der wandernden Schmiede und Schmiedegesellen, der erst ab etwa 1715 belegt ist.

Auch nicht allgemein bekannt dürfte sein, dass es sich bei dem Original-Stock um den mittleren Teil einer zweiwipfeligen Zwieselfichte handelt. Oder dass sich sein Name nicht von den Nägeln, die in ihn geschlagen wurden, abwandelt, sondern von den den Stamm umgebenden eisernen Bändern. Der Stamm wird nämlich scheinbar von einem Schloss zusammengehalten, das jedoch nur eine Attrappe ist, da es kein Werk enthält, also leer ist. Die Sagen, dass niemand einen Schlüssel fertigen konnte, um das Schloss zu öffnen, dürfte also einen ganz pragmatischen Hintergrund haben: wo kein (echtes) Schloss, da kein Schlüssel um es zu öffnen. Zum Schutz vor Wind, Wetter und vor allem Millionen von Touristenfingern ist der vernagelte Stock übrigens seit längerem durch eine Plexiglaswand geschützt.

Nicht so sein um einiges jüngerer und fast gänzlich unbekannter Bruder: Wiens zweiter Stock im Eisen. Der steht nämlich im achten Bezirk, passenderweise am Schlosserplatzl (der eigentlich nicht so heißt, sondern eine Fläche vor der Wickenburggasse 1 ist), wird nicht von Plastik umgeben - und ist auch noch in Funktion. 1988 wurde er hier, direkt vor der Landesinnung der Wiener Schlosser, aufgestellt, und seit dieser Zeit darf jeder frischgebackene Jungmeister einen Nagel einschlagen, auch heute noch. Meist zu Sammelterminen als kleine Festivität.


Wie man sieht, unsichtbar: der Platz „Stock im Eisen“

Das zweite eherne Wahrzeichen der Stadt, den Rathausmann, gibt es auch gleich zwei Mal. Das Original steht ganz oben auf der Spitze des Rathauses, wo es auch hingehört. Die Kopie findet sich zu seinen Füßen im Rathauspark, um die Ecke der Figuren-Allee, damit man ihn besser betrachten, bestaunen und ja, fotografieren, kann. Denn diese Kopie, angefertigt während Restaurierungsarbeiten am Original, steht ja seit 1985 extra zum Knipsen vor dem Rathaus. Den echten Wächter, der über den Dächern von Wien thront, könnte man auch mit extremen Teles nicht so gut erfassen. Das Original ist inklusive Standarte 5,4 Meter hoch, wiegt 1800 Kilogramm, hat Schuhgröße 63 und wird mithilfe einer 800 Kilogramm schweren Stahlkugel, die unter ihm als Pendel angebracht wurde, an seinem Platz gehalten. Kann aber trotzdem um bis zu 25 Zentimeter schwanken. Seine Anbringung war übrigens gewissermaßen ein anti-monarchistischer Schildbürgerstreich. Verbat Kaiser Franz Joseph I. doch, dass die Türme des Rathauses die nahegelegene Votivkirche überragen. Vermutlich deshalb, weil die Kirche eine sogenannte Votivgabe des Kaisers war, also ein Geschenk, das seinen Dank über das Misslingen des Attentats, das an ihm im Jahre 1853 verübt worden war, zum Ausdruck bringen sollte. Seit dieser Zeit erinnert die Votivkirche ebenso an das Attentat wie die Ettenreichgasse, die nach einem der beiden Retter des Kaisers, einem Fleischhauer, benannt ist. Wie auch immer, den Architekten blieb nichts anderes übrig, als sich den Anweisungen des Kaisers zu beugen und der Turm wurde mit 98 Metern um einen Meter niedriger als die Kirche errichtet. Ein bisschen geschummelt haben sie dann aber doch noch, denn mit dem schmückenden Mann auf seiner Spitze, wurde das Rathaus dann doch noch um einiges höher ...

Vielleicht noch ein Detail zu den Statuen, die in der Allee Richtung Burgtheater zu sehen sind. Sie stellen berühmte Persönlichkeiten der österreichischen Vergangenheit dar und standen ursprünglich auf der Elisabethbrücke, die über den Wienfluss zum Karlsplatz führte, heute ist das die große Kreuzung auf der Achse Kärntner Straße/Wiedner Hauptstraße. Besonders interessant daran ist aber, dass eine der Figuren, nämlich die des Beraters von Maria Theresia, Joseph von Sonnenfels während der NS-Zeit von den Nazis durch eine von Christoph Willibald Gluck ersetzt wurde. Dass der historische getaufte Jude nicht der Aufmerksamkeit der Nazis entgangen ist, bezeugt einmal mehr die perfide Gründlichkeit dieser Diktatur. Auch die Sonnenfelsgasse im ersten Bezirk hieß von 1938 bis 1945 Johann-Sebastian-Bach-Gasse. Und ein berühmtes Ölgemälde, das den Freiherrn zeigte, wurde mit Säure übergossen und so vernichtet. Nur sein Halbrelief, das am Maria-Theresien-Denkmal angebracht ist, wurde nach Kenntnis des Autors nicht ersetzt oder beschädigt.

Doch jetzt endlich zum angekündigten, weniger bekannten, dritten, synergetischen Metalldenkmal, das sich ebenfalls gleich neben dem Rathaus befindet. Es handelt sich hierbei um den sogenannten „Eisernen Mann“, auch bekannt als „Wehrmann in Eisen“ beziehungsweise „Wehrmann im Eisen“, „Eiserner Wehrmann“ oder schlicht „Nagelmann“. Synergetisch oder vielleicht eher hybrid deswegen, weil er wie der Rathausmann eine Art überdimensionalen Ritter darstellt, der aber, wie der Stock im Eisen, aus eingeschlagenen Nägeln besteht.

Seine Errichtung während des Ersten Weltkriegs diente der Propaganda und dem Sammeln von Geld für die Kriegskassa. Die Idee dafür geht tatsächlich auf den ursprünglichen Stock im Eisen zurück. In die aus Lindenholz gefertigte Statur schlugen jedenfalls im Jahr 1914 als erste ein österreichischer Erzherzog (Leopold Salvator), der deutsche Botschafter (Tschirschky-Bögendorff) und der türkische Botschafter (Hussein Hilmi-Pascha) je einen Nagel ein. Denn nicht nur Deutschland, allen heutigen xenophoben Hetzern ins Stammbuch geschrieben, sondern auch die Türken waren im Ersten Weltkrieg Verbündete von Österreich-Ungarn.


Der „eiserne Wehrmann“ – ein genagelter Ritter

Insgesamt wurden es 500.000 kostenpflichtige Nägel, die insgesamt 700.000 Kronen an Spenden erbrachten, in die ursprünglich am Schwarzenbergplatz aufgestellte Figur eingeschlagen. Und der so Benagelte wurde auch zum Superstar und Trendsetter: Denn schon bald wurde zu Spendenzwecken quer durch Wien alles benagelt, was man nur benageln konnte: Nachbildungen des Wehrmanns, andere Figuren wie den „Waidmann in Eisen“ oder der „Sanitätsmann in Eisen“, Bäume, ein Weinstock, Wehrschilde, ein Doppeladler, Kreuze, eine Feldhaubitze, eine Tischplatte, ein Posthorn, ja sogar ein hölzernes U-Boot, was der Anschaffung eines weiteren Unterseeboots durch die Kriegsmarine zugutekommen sollte.

Damit nicht genug, gab es bald zu benagelnde Spendenobjekte in ganz Österreich von A wie Amstetten bis W wie Wieselburg. Beschlagen wurden hierbei neben Wehrmännern und Schilden auch: ein Bär, ein Edelweiß, ein weiterer Tisch, ein Mörser und eine „Wehrgranate in Eisen“.

In Deutschland wurde gar in 260 Städten heftig ge- und benagelt, und zwar unter anderem ein Erzengel (Michael), eine Schützenscheibe, eine Glocke, ein Bienenstock, eine Säule mit Eule, ein Greif, ein Heiliger (Georg), ein Buch, ein Anker sowie weitere U-Boote.

Damit noch immer nicht genug, gab es ähnliche Aktionen auch quer durch die Monarchie, bei allen Verbündeten und auch bei Auslandsösterreichern in Argentinien und, yes indeed, sogar in den USA. Dort mussten – vor Kriegseintritt der Amerikaner – etwa ein Eisernes Kreuz in San Francisco sowie ein Doppeladler mit Schild in Baltimore herhalten.

Jedenfalls werden viele, ja sogar die meisten dieser Objekte heute noch ausgestellt. Wie auch der Urvater dieser aller. Er steht seit 1934...

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