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E-Book

Gender und Technologie. Die 'weibliche Perspektive' im Softwaredesign

AutorHenrike Paetz
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl151 Seiten
ISBN9783668052383
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Geschlechterstudien / Gender Studies, Note: Excellent (A) (Sehr gut), Technische Universität Wien (Institut für Managementwissenschaften), Veranstaltung: Master of Business Administration - Entrepreneurship & Innovation, Sprache: Deutsch, Abstract: Im Zeitalter des anwenderorientierten Designs beschäftigen sich Wissenschaftler auch vermehrt mit der Thematik des Geschlechts ('Gender') als einem der entscheidenden Faktoren für erfolgreiche Innovationen. Obwohl Technologie, und insbesondere Informationstechnologie, sich zur wichtigen Grundlage für fast alle Industriebereiche und zur Triebfeder für Innovationen entwickelt hat, findet man immer noch sehr wenige Frauen in diesen Bereichen. Als Entwicklerinnen und Gestalterinnen von Technologie sind sie deutlich unterrepräsentiert, und ihre spezifischen Bedürfnisse als eigenständige Nutzerinnen werden regelmäßig vernachlässigt. Diese Masterarbeit hat es sich zum Ziel gesetzt, die Bedeutung von Gender für das Technologiedesign herauszuarbeiten. Sie analysiert die Gründe für die Abwesenheit des weiblichen Geschlechts im Technologiebereich aus einem feministischen Blickwinkel und schlägt einige mögliche Ansätze vor, wie das Bewusstsein für das Thema Gender in der Informationstechnologie erhöht werden kann. Dabei konzentriert sie sich auf die organisatorischen Aspekte des Designs von Unternehmenssoftware. Die gewonnenen Erkenntnisse basieren auf einer umfangreichen Literaturanalyse und werden durch Fallstudien weiblicher IT-Expertinnen aus dem Bereich der globalen Softwareindustrie validiert. Die demografische Situation im 21. Jahrhundert, aktuelle Forschungsergebnisse und die entsprechende Literatur unterstreichen eindeutig die sozialen und ökonomischen Vorteile, die eine verstärkte weibliche Perspektive im Technologiedesign mit sich bringt. Frauen sind eine wichtige - und weitgehend ungenutzte - Quelle für Innovationen und eine gesteigerte Leistungsfähigkeit von Organisationen und damit auch für den finanziellen Erfolg fast aller Unternehmen.

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Leseprobe

2. Die Relevanz von Gender für das Technologiedesign


„Frauen sind die größte ökonomische Revolution unserer Zeit.“
Avivah Wittenberg-Cox

Die UNESCO stellt im Bericht „Wissenschaft, Technologie & Gender“ von 2007 fest, dass, obwohl Frauen in einigen Bereichen signifikante Beiträge zur technologischen Entwicklung leisten und ebenso in großem Ausmaß Nutzen aus Technologie ziehen könnten, „die Belange und Beiträge von Frauen in der politischen Agenda von Wissenschaft und Technologie wie auch in Wissenschaft und Entwicklung häufig unbeachtet bleiben“ (UNESCO 2007, 45). In den meisten Fällen bleiben Frauen auf allen Ebenen der entsprechenden Gremien für Strategieplanung und Entscheidungen dramatisch unterrepräsentiert. Nicht nur konnten sie wenig zur Forschungsplanung beitragen, sondern Wissenschaft und Technologieforschung haben auch größtenteils ihre Situation, Interessen und Anliegen vernachlässigt, und zwar sowohl aus physiologischer, als auch sozialer Sicht – daher betont die UNESCO (2007, 51) zutreffend:

„Die Vorteile, die neue Produkte und Technologien mit sich bringen, können nicht ihr vollstes Potenzial entfalten, wenn sie nicht existierende Fähigkeiten und Kenntnisse ihrer beabsichtigten Zielgruppe ergänzen – d. h. von Männern und Frauen.“

Es hat den Anschein, dass die Abwesenheit von Frauen in Entscheidungs- und Designprozessen ihren möglichen Einfluss als Konsumentinnen und Entwicklerinnen von Technologie stark einschränkt. Bei den Gewinnen kann es sich nur um Verbesserungen im kleinen Stil handeln, da die Entscheidung immer von den gegenwärtig im Einsatz befindlichen Technologien limitiert ist. Das allgemeine, dieser Situation zugrundeliegende Problem wurde „Collingridge Dilemma“ genannt, was sich auf die Tatsache bezieht, dass die Folgen neuer Technologien nicht immer vorhersagbar sind. Bis sich herausstellt, dass mit einer Technologie etwas nicht stimmt, haben sich sowohl deren Erzeugnisse, sowie das gesellschaftliche Interesse in Verbindung damit derart eingefahren, dass sich damit beträchtliche Hürden für Veränderung in den Weg stellen (Collingridge/Reeve 1986; siehe auch Faulkner 2001). In Anbetracht der Tatsache, dass Frauen die Hälfte der Personen einer jeden Nation darstellen, ist es wichtig, den Geschlechteraspekt in Technologieplanungen und -prozesse einzubeziehen und Frauen viel mehr in den Prozess des Technologiedesigns sowie in den Kontext der Anwendung einzubinden.

2.1    Frauen – Eine vernachlässigte Zielgruppe


Die Märkte haben sich über die letzten Jahrzehnte massiv verändert, was sich auf die Auswirkungen der Globalisierung zurückführen lässt, aber auch auf soziale und demografische Faktoren. Dazu gehört auch die Veränderung des Geschlechterverhältnisses, die sich in westlichen industrialisierten Ländern vollzogen hat. Während das Geschlecht der Anwender als Designvariable in gewissen Sparten, wie z. B. Kosmetika, Medien oder Bekleidung, seit langem Berücksichtigung findet, so ist es bisher auf dem Gebiet von Technologieprodukten zum größten Teil vernachlässigt worden – trotz einer zunehmenden Zahl von ökonomisch unabhängigen Frauen mit hohem Bildungsniveau, die als autonome Kundinnen und designbewusste Anwenderinnen von Technologie agieren (vgl. z. B. Van Oost 2003). Diese Entwicklung vollzieht sich, während erfahrungsgemäß eine homogene Gruppe von Wissenschaftlern und Ingenieuren die Bedürfnisse weiblicher Nutzer in Technologieforschung, -design und –entwicklung noch selten berücksichtigt (vgl. z. B. Joost et al. 2010; Schraudner/Lukoschat 2006). Im Gegenteil werden, wie in der Einführung bereits angesprochen, Geschlechterdifferenzen in der Technologieentwicklung eher ausgeblendet, wie anhand des Beispiels der Spracherkennung illustriert (Schraudner/Lukoschat 2006, 3) und – viel schlimmer – am Beispiel des Airbag-Systems, bei dem die Fahrlässigkeit, die Besonderheiten des weiblichen Körpers nicht zu berücksichtigen, für kleinere Frauen und Kinder tödlich enden könnte (Rosser 2006, 15; siehe auch Püchner 2009; Karpf 1987, 159).

Ein Grund für diese Vernachlässigung augenscheinlicher Realitäten wird in der kontinuierlichen männlichen Dominanz im Bereich von Technologieforschung, -design und -entwicklung gesehen. Die entsprechenden Abteilungen sind hauptsächlich mit Männern besetzt und somit werden Geschlechterstereotypen oft ohne bewusste Erwägung alternativer Ansätze perpetuiert (Joost et al. 2010; siehe auch Kapitel 3). Als weiteres Beispiel für diesen geschlechtsspezifischen Designprozess kann die Entwicklung des „Smart Home“ gesehen werden, von Berg (1999, 301ff) als technologieunterstütztes Haus der Zukunft beschrieben. Die Designer modellierten die Technologie unbewusst nach männlichen Normen, indem sie Energieeinsparungen, Sicherheit, Kommunikationstechnologie und Unterhaltung den Vorzug gaben und die Wohnmuster von Männern abbildeten, die im Allgemeinen das Haus öfter mit Essen, Schlafen und Entspannen in Verbindung bringen. Die typischen Wohnmuster von Frauen, die im Durchschnitt mehr Zeit zu Hause mit Arbeit, mit der Pflege von Kindern und mit sozialen Tätigkeiten für die Familie verbringen, sind nicht verzeichnet. Honeywell verwendet sogar den Slogan „The house that will do the job for you (Das Haus, das die Arbeit für Sie macht)“ (Berg 1999, 306) und bezieht sich auf die Tatsache, dass alle Gerätschaften in ein einziges elektronisches Netzwerk integriert sind, um den Nutzerkomfort zu verbessern. Hier wird „Job“ (oder „Arbeit“) nicht mit tatsächlicher Arbeit, die unter normalen Umständen in einem Haus anfällt, in Verbindung gebracht, und Aufgaben mit weiblicher Konnotation werden komplett ignoriert. Was in diesem Beispiel besonders hervorsticht, ist, dass Frauen wichtige Fähigkeiten und Kenntnisse zum Thema Leben und Arbeiten zu Hause besitzen und damit wichtige Anlaufpartner für den Designprozess und das ideale Marketingsubjekt für das „Smart Home“ wären. Dennoch haben die Designer diese hochrelevante Gesellschaftsgruppe vollkommen vernachlässigt. Auf die Frage nach ihrer Käufer-Zielgruppe haben sowohl Honeywell als auch andere Hersteller nach mehreren Diskussionsrunden endlich zugegeben, den Anwender als „den Besitzer und somit synonym mit dem Mann des Hauses […] zu sehen, der ihre Faszination mit elektronischen oder technologischen Spielereien teilt“ (Berg 1999, 311; siehe auch Pacey 1983, 104ff). Abbildung 4 stammt aus einer Honeywell-Broschüre und veranschaulicht diese Auffassung auf perfekte Weise.

Abbildung 4:   Automation des Zuhauses – Eine eindimensionale Perspektive

Quelle:    http://www.ae.com.tr/upload/HoneywellHomeAutomation.pdf

 

Ein spezifisches Phänomen sind Unternehmen, die sich über ihren weiblichen Markt im Klaren sind, aber noch immer Produkte und Marketingstrategien entwickeln, die auf stereotypen Mustern aufbauen und die Realität und Bedürfnisse ihrer Kunden marginalisieren. Wittenberg-Cox/Maitland (2009) berichten neben anderen Beispielen von einem amerikanischen Hersteller für Haushaltsgeräte, der Waschmaschinen, Geschirrspüler, Mikrowellen und dergleichen für überwiegend weibliche Endverbraucherinnen herstellt. Das Unternehmen wird beinahe ausschließlich von Männern geleitet und der Leiter der F&E-Abteilung behauptet enthusiastisch, zur „Befreiung der Frauen beizutragen“ – in den Augen der Autoren scheint es jedoch eher, als wären die Vorstellungen des Managements darüber, was zeitgenössische Frauen brauchen könnten, „in die historische Tiefkühltruhe gesperrt“ worden (Wittenberg-Cox/Maitland 2009, 99f). Er war zutiefst überrascht, als er gefragt wurde, ob er nicht auf bessere Weise zur Befreiung der Frauen beitragen könne, indem er seine Marketing-Kampagne mehr auf die Arbeitsteilung im Haushalt richtete – ein Beweis dafür, dass er sich der Situation moderner Frauen und Paare nicht bewusst ist. Alle diese Beispiele zeigen auf, dass die Marginalisierung von Frauen im Kontext von Technologie einen tiefgreifenden Einfluss auf Design, technischen Inhalt, Gebrauch und Anwendbarkeit von Produkten hat.

2.2    Soziale und ökonomische Vorteile des Genderbewusstseins


In den folgenden Abschnitten werde ich aufzeigen, dass ein zunehmendes Bewusstsein um den Stellenwert von Gender im Technologiedesign, ein Mentalitätswandel hin zu mehr Gleichberechtigung und ein Fokus auf Frauen als Gestalterinnen und Anwenderinnen von Technologie nicht nur moralische und gesellschaftliche Vorteile hat, sondern insbesondere auch finanzielle.

2.2.1     Eine Frage der Fairness und Gleichberechtigung


Die Gender-Dimension in Wissenschaft und Technologie „ist weltweit zu einem Thema mit zunehmender Bedeutsamkeit und Aktualität“ (UNESCO 2007, 11; siehe auch WSIS 2003) geworden. Die Umsetzung eines Anstiegs in der prozentualen Beteiligung von Frauen als Technologieschaffende trägt direkt zu mehr Fairness zwischen den Geschlechtern bei und hilft die Zielsetzungen in punkto Gleichberechtigung, die von nationalen und internationalen Entscheidungsträgern aufgestellt wurden, zu realisieren. Seit der „UN-Dekade der Frau“ von 1976 bis 1985 ist der Rolle von Frauen in Wissenschaft und Technologie besondere Aufmerksamkeit geschenkt worden. Daran anknüpfend wurde im Jahr 2000 Geschlechtergleichberechtigung zu einem der acht...

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