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E-Book

Handbuch Autogenes Training

Grundlagen, Technik, Anwendung

AutorBernt Hoffmann
Verlagdtv Deutscher Taschenbuch Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl608 Seiten
ISBN9783423433235
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Theoretische Grundlagen, Techniken und vielfältige Anwendungsmöglichkeiten.  Von den verschiedenen Formen der Psychotherapie bei körperlichen und seelischen Beschwerden wird das Autogene Training in Deutschland am häufigsten angewandt. Die Zahl derer, die es täglich betreiben, wächst ständig. Das Ziel des Autogenen Trainings ist Entspannung und - davon ausgehend Erholung, Leistungssteigerung, die Beseitigung vegetativer und psychosomatischer Störungen und vieler psychischer Fehlverhaltensweisen sowie, ganz allgemein, eine Steigerung der Fähigkeit, in Harmonie und ruhiger Gelassenheit zu leben. Dieses systematisch angelegte Handbuch faßt das theoretische und praktische Wissen über das AT übersichtlich zusammen. Alle bewährten Übungen werden ausführlich in ihrer Technik und in ihren Anwendungsmöglichkeiten behandelt, wobei Schwierigkeiten und Probleme, die sich bei der Einübung einstellen, besondere Beachtung finden. Die vorliegende Ausgabe wurde vollständig durchgesehen und überarbeitet.

Dr. Bernt H. Hoffmann, 1911-1994, studierte Medizin und Psychologie in Hamburg, Lausanne und Paris. Er war Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeut, war zunächst wissenschaftlich und als Dozent tätig und arbeitete schließlich fast 40 Jahre in eigener Praxis in Hamburg. Er hielt regelmäßig AT Kurse ab, aus denen dieses Buch entstanden ist.

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Leseprobe

3. Kapitel
Das Training


1. Das Lernen


Trainieren ist modern. Überall wird heute trainiert: vom sportlichen Training über das Autogene Training bis zum Intelligenz- und Kreativitätstraining (dem Einüben einer »produktiven Bewältigung neuer Aufgaben«). Das Wort Training ist nach Schultz »philologisch tadelnswert«. Er definiert es als ein »selbstgestaltendes systematisches Üben«1.

Üben und Trainieren gehören in die übergeordnete Rubrik der Lernprozesse, wobei Lernen identisch ist mit dem Erwerb neuer Verhaltensmuster, die mit den angeborenen und bereits erworbenen Verhaltensweisen verschmelzen. Mensch und Tier sind darauf angewiesen, dauernd zu lernen, um sich an ihre Umgebung anzupassen. Ohne diesen Dauerprozess ist ein Überleben unmöglich.

Die gut gesicherten Lerngesetze beruhen zum großen Teil auf Tierversuchen. Von dieser allgemeinen Lerntheorie wird in den folgenden Abschnitten häufig die Rede sein.

Darüber hinaus wird aber, wenn vom AT und dessen Lernvorgängen gesprochen wird, das Lernen im Sinne einer speziellen menschlichen Lerntätigkeit betrachtet, in der die Aneignung von Wissen und Können erfolgt. Dieses Lernen erfolgt, im Gegensatz zum Lernen des Tieres, bewusst. Es führt nicht nur passiv zu einer Anpassung an bestehende Verhältnisse, sondern kann auch auf deren Veränderung abzielen.

2. Die Assoziation


Zum Lernen gehört Gedächtnis. Die Suche nach einem Gedächtnisinhalt wird erleichtert, wenn wir uns an Eindrücke erinnern, die mit dem Gesuchten im Verhältnis der Ähnlichkeit, des Gegensatzes oder der räumlichen und zeitlichen Nähe (Kontiguität) stehen. Diesen drei »primären Assoziationsgesetzen«2 wurden später »sekundäre Assoziationsgesetze« hinzugefügt. Sie betreffen3: die Dauer des ursprünglichen Eindrucks; seine Lebhaftigkeit; die Häufigkeit seiner Wiederholung; seine Frische; das Fehlen konkurrierender Eindrücke; konstitutionelle Unterschiede der Eindrucksempfänger; deren jeweilige Gemütslage; deren körperlichen Zustand und deren Lebensgewohnheiten.

Die Assoziationsgesetze betreffen nicht nur Begriffe, sondern (in viel höherem Maße) Vorstellungen, die aus sämtlichen Sinnesgebieten stammen können.

Die in den »sekundären Assoziationsgesetzen« festgelegten Faktoren finden sich beim AT alle wieder; ihre Bedeutung entspricht der Reihenfolge ihrer Aufzählung. Im AT werden alle Eindrücke, solche der Eigenerfahrung bei den Übungen wie auch solche, die vom Trainingsleiter oder von einzelnen Gruppenmitgliedern stammen, assoziativ verarbeitet und als Grundlage für die nächste Übung verwertet.

3. Die bedingten Reflexe


Der russische Physiologe Ivan P. Pawlow führte 1897 ein Experiment durch, das die gesamte Lernpsychologie umgestaltete. Er verlegte bei einem Hund operativ den Ausführungsgang der Speicheldrüse nach außen und konnte so die Speichelmenge messen, die beim Fressen sezerniert wurde. Dieser Vorgang der Speichelsekretion beim Fressen beruht auf einem angeborenen Reflex des autonomen Nervensystems; er ist unbedingt und unkonditioniert. Wenn man neben dem Hund in dem Augenblick, in dem er sein Futter bekommt, eine Lampe anzündet (oder eine Glocke ertönen lässt) und den Vorgang mehrere Tage wiederholt, so wird beim Anzünden der Lampe Speichel abgesondert, auch wenn kein Futter mehr gegeben wird. Das Aufleuchten der Lampe führt zu einem bedingten Reflex, entstanden durch die Koppelung von unbedingtem Reflex und bedingendem Reiz. Ein solcher bedingter Reflex ist jedem Menschen bekannt, der (besonders bei Hunger) sich Speisen vorstellt oder sogar nur ein Bild mit Speisen sieht, und dem dann »das Wasser im Munde zusammenläuft«.

Ein Lernen, das den Pawlowschen bedingten Reflexen folgt, bezeichnet man als »klassische Konditionierung«.

Beim AT laufen eine ganze Reihe von Reaktionen nach der Art bedingter Reflexe ab. So kann man das Erlernen des AT, besonders einleuchtend an der Wärme- und Schwereübung, mit der Etablierung neuer bedingter Reflexe gut erklären. Auch unerwünschte Nebenwirkungen entstehen auf die gleiche Weise (Fehlkonditionierungen). Das gesamte AT mit bedingten Reflexen erklären zu wollen, wäre dagegen eine konstruktive Überspitzung. Dagegen spricht eindeutig das Prinzip der Absicht und der Erwartung, das vom AT nicht zu trennen ist, und es kommen weitere lerntheoretische (Generalisierung, Modellernen) sowie andere Prinzipien (Suggestion) hinzu (s. u.).

4. Die operante (instrumentale) Konditionierung


Man kann den Versuch von Pawlow ergänzen4: Das Anzünden der Lampe bei einem hungrigen Tier wird mit einer zusätzlichen Betätigung (auf einen Hebel drücken, auf ein Brett treten u. Ä.) gekoppelt, die erst dem Tier seine Nahrung verschafft.

In diesem Fall ist die assoziative Verbindung von Reiz, dem Wunsch nach Reizbefriedigung und dem dazu führenden Akt ohne auslösende Reizsituation (Anblick der Nahrung) gegeben. Da bei dieser Art der Konditionierung kein unbedingter Reiz mehr vorhanden ist, spricht man von operanter bzw. instrumentaler Konditionierung.

5. Lernen am Erfolg


Das am Erfolg orientierte Lernen baut auf drei Gesetzen auf: das »Prinzip von Versuch und Irrtum« (trial and error) als bestimmendem Faktor beim Lernvorgang5. Hierauf basiert das »Effektgesetz«6: »Akte, auf die Zustände folgen, die ein Lebewesen nicht zu vermeiden, sondern evtl. herbeizuführen und zu erhalten trachtet, werden ausgewählt und fixiert.«7 Drittens das Gesetz von der Verstärkung von Reaktionstendenzen8: »Wenn eine Reaktion mit der Erlebnisspur eines Reizes assoziiert ist, und wenn diese Reiz-Reaktion-Verbindung mit einer schnellen Verringerung der Bedürfnisspannung eines Organismus assoziiert wird, dann verstärkt sich die Tendenz dieser Reizspur zur Auslösung der Reaktion.« Entscheidend für das Lernen ist damit sein Erfolg (Verringerung der Bedürfnisspannung = Befriedigung); es stellt sich ein, wenn ein äußerer Reiz (als Charakteristikum einer Situation), ein Verhalten (Reaktion) und ein innerer Reiz (Abnahme der Bedürfnisspannung, z. B. des Hungers) zusammentreffen. Bei wiederholten Koppelungen tritt jedes Mal eine Verstärkung (reinforcement) der Reaktionstendenz ein.«9

Beim Lernen am Erfolg unterscheidet man zwischen fördernden und hemmenden Vorgängen: Eine Verstärkung des Verhaltens in Tierversuchen wird erreicht durch Belohnung (meist Futter) bei richtigem und Strafe (z. B. ein elektrischer Schlag) bei falschem Verhalten.

Ein wichtiges Verstärkungsmittel ist das Lernen in kleinen Schritten:

Ein Erfolgserlebnis wird häufiger erfahren.

Man beschleunigt das Lerntempo, wenn man dem Ziel näherkommt oder näherzukommen glaubt (»antizipatorische Zielreaktion«).

Die Übersicht und damit die Beherrschung eines kurzen Lernvorganges gelingt besser.

Durch Generalisation bzw. Transfer (siehe dort) wird das Erlernen der nächsten Stufe (beim AT die Realisierung der nächsten Formel) erleichtert.

Außerdem wird die Aufmerksamkeit beim Üben in kleinen Stufen bzw. kurzen Zeitintervallen10 nicht strapaziert.

Je kürzer die Zeiten zwischen Reaktion und Erfolgserlebnis sind (man denke ans Scheibenschießen), umso mehr wird pro Zeiteinheit gelernt. Auf diesem Gesetz beruht die Schwierigkeit, aus der eigenen Lebenserfahrung zu lernen: wenn sich die Konsequenzen unseres Tuns nach oft längerer Zeit einstellen, lässt sich die Originalsituation unseres Handelns manchmal nur schlecht rekonstruieren11.

Ein schnell sich einstellendes, oft überraschendes Erfolgserlebnis vermittelt der Pendelversuch (siehe Kap. 14, 1). Man sollte ihn vor Beginn eines AT-Kurses von jedem Übenden ausführen lassen.

Die Verstärkung kann primär sein, d. h. im Lernakt selber liegen, z. B. in der eben besprochenen Kürze des Lernaktes. Erfolgt die Verstärkung von außen her, so bezeichnet man sie als sekundär.

Die sekundären Verstärkungen sind meist wichtiger als die primären, man denke an Belohnung und Bestrafung bei der Kindererziehung. Beim AT wird vorzugsweise mit positiver Verstärkung gearbeitet. Der Belohnung entspricht hier die Anerkennung – durch den Trainingsleiter, durch Gruppenteilnehmer –, wobei diese Anerkennung eine höhere Zuwendung, eine Zunahme des Prestiges des Teilnehmers, eine Anerkennung seiner Ehrlichkeit (z. B. beim Eingestehen eines Misserfolges) sein kann.

Ein Beispiel für sekundäre negative Verstärkung ist die Kritik. Insbesondere innerhalb der Gruppe sollte diese mit Fingerspitzengefühl vorgenommen werden: Korrekturen, Verbesserungsvorschläge müssen die emotionale Abwehr des Übenden, müssen Protestreaktionen vermeiden. An jeder Reaktion, auch an einer falschen, sollte die Aktivität des Trainierenden, seine Bereitwilligkeit zum Lernen hervorgehoben werden. Meist lässt sich dabei auch ein positiver Aspekt entdecken, dessen Anerkennung wichtig ist: »mit Ihrer Schwierigkeit sind Sie bestimmt nicht der Einzige«; »es ist gut, dass Sie darauf zu sprechen kommen«; oder »aus negativen Erfahrungen lernt man meist mehr als aus positiven«. Diese Art der Verstärkung wird heute vielfach von den »Lernmaschinen« übernommen (z. B. im Sprachunterricht), die zusammen mit einer Teilanerkennung einen neuen Reiz auslösen.

Eingeständnissen wie beispielsweise dem...

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