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E-Book

Ich begleite dich durch deine Trauer

Förderliche Wege aus dem Trauerlabyrinth

AutorJorgos Canacakis
VerlagKreuz
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl144 Seiten
ISBN9783451345869
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Seit langen Jahren begleitet Jorgos Canacakis Trauernde mitfühlend und sicher auf ihrem Weg durch den Schmerz hin zu neuer Lebensenergie. Dabei gibt er leicht verständliche und sensible Anleitungen zu verschiedenen Meditationen und Imaginationsübungen. Er geht auf alle Arten von Verlust ein und zeigt nicht nur Trauer-, sondern gleichzeitig Lebensalternativen auf. Ein Kompass durch das Land der Trauer.

Jorgos Canacakis, Diplompsychologe und Psychotherapeut, ist einem breiten Publikum durch seine Arbeiten und Seminare zum Thema Trauern und Trauertherapie bekannt. Weitere Informationen finden Sie auf der Internetseite des Autoren.

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Leseprobe

1.Lass uns mit meiner Trauer beginnen


Zunächst möchte ich dir etwas über meinen eigenen Weg durch die Trauer berichten. Du wirst verstehen, dass es viel zu trauern gibt, wenn man in eine Zeit und in ein Land hineingeboren wird, in dem nicht nur der Zweite Weltkrieg, sondern sofort danach auch ein erbarmungsloser Bürgerkrieg tobte. Das war nicht nur Trauer über Verluste von geliebten Menschen, Heimat, Haus, Idealen und Werten, sondern auch über eine verlorene Kindheit, die auf den Trümmern des Krieges kein geeignetes Milieu für eine normale menschliche Entwicklung finden konnte. Und nirgendwo, zu keiner Zeit, gab es einen Raum oder Rahmen, in dem diese drangsalierten Gefühle einen Platz gefunden hätten. Da mein Vater als Idealist der »falschen« Partei angehörte, wurden wir, d. h. die ganze Familie, jahrzehntelang bespitzelt und politisch verfolgt. Es wurde für mich letztendlich unumgänglich, Griechenland zu verlassen, um ein neues geistiges Zuhause in Deutschland zu finden. Dieses Land hier befand sich trotz all dem unbeschreiblichen Grauen schon zehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg in einem ungeahnten vielfältigen Aufbruch. Dies könnte das richtige Pflaster für vom Krieg gebeutelte Erdenbürger sein, dachte ich mir damals. Ich habe es als unendlich schrecklich empfunden, meine geliebte Heimat verlassen zu müssen. Eine tiefe, unfassbare Trauer überkam mich. Mein Herz blutete, und ich fühlte mich, als ob mein Körper von innen zerrissen würde. Und auch zu diesem Zeitpunkt gab es niemanden, vor den ich mich offenherzig und ohne Angst hätte stellen können, um ihm meinen großen Schmerz mitzuteilen, auch weil ich annahm, es würde sowieso keiner das nötige Verständnis für mich aufbringen. Schließlich muss jeder auf seinem Lebensweg von vielem Abschied nehmen. Aber diese Erfahrungen schmerzten, und die entstandene Trauer wartete unerledigt in meinem Bauch, im Kopf, in der Brust und dem ängstlichen Herzen auf bessere Bedingungen, um ausgedrückt werden zu können.

Abgesehen von den größeren Trauerereignissen meiner Kindheit hatte ich während meines Werdegangs auch einiges zu beklagen, das jedoch einigermaßen erträglich war: Berufswechsel, Verlust von Arbeit, Umzüge aus geliebten Gegenden und schönen Städten, in denen ich mich aufgenommen fühlte, der Abschied von Freunden, die ich nur durch Bewältigung großer Distanzen wiedersehen konnte, und dazu natürlich viel Trauer aus unglücklichen Beziehungen. Wenn man alte unerledigte Trauer aus der Kindheit oder schlechte Erfahrungen mit ihr, die aus dieser Zeit stammen, mit sich herumschleppt, kann der Verlust und die Trennung von geliebten Menschen noch nachhaltiger und unbarmherziger schmerzen, als es dies ohnehin tut. Davon hatte ich damals noch keine Ahnung, weshalb ich umso mehr litt. Ich kann dir sagen, dass ich nur zu gut weiß, wie schwer solche Situationen zu »bewältigen« sind, zumal wenn man keine Menschen um sich hat, die einen verstehen, und wenn Normen und Klischees das verhindern, wonach einem in diesem Moment am allermeisten ist: mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, mit aller Wucht aus der Tiefe des Herzens den ganzen berechtigten Schmerz aus Zurückweisungen, Kränkungen und »Verlassen-worden-Sein« in die Welt zu rufen. Wenn viele Verluste zusammentreffen oder sich nach und nach ansammeln, wird die Sache so kompliziert, dass ohne liebevolle Hilfe und Verständnis von außen wenig Möglichkeit besteht, die Trauer ohne Nachteile zu durchgehen und umzuwandeln.

Auch ich hatte einiges einzustecken. Wenn ich es jetzt rückblickend betrachte, kann ich sagen, dass mein ganzer Körper voll von unausgedrückter Trauer war. Eine solche Ansammlung von ungeflossenen Gefühlen und Tränen wird langsam, aber sicher problematisch, vor allem wenn es einen neuen Verlust oder eine andere einschneidende Veränderung zu betrauern gilt. Diese alte, nicht verstandene, nicht angenommene und unausgedrückte Trauer sucht dann in dieser neuen Situation auch ihren Weg nach außen. Sie vermischt sich mit der aktuellen Trauer und hofft, auf diese Weise endlich ihrem Gefängnis zu entkommen. Solche Situationen bewirken bei den Betroffenen dann sehr oft Gefühle der Überflutung, Gedankenverwirrung, der psychosomatischen Beschwerden und auch Momente der Orientierungslosigkeit und heftigen Angst. Solche Augenblicke des Gefühlschaos habe ich durchlebt, als mich der Verlust meiner Mutter nach mehrjähriger Krankheit traf. Ich war zwar selbst bereits in einem reiferen Alter und wurde von meiner Familie unterstützt, doch die besonders unglücklichen Umstände erschwerten mir lange Zeit den Abschied von ihr. Aufgrund der politischen Umstände, der Diktatur der Obristen in meiner Heimat, hatte ich sie schon seit vielen Jahren nicht mehr sehen können. Auch als ihre Krebskrankheit fortschritt und ich wusste, sie würde nicht mehr lange zu leben haben, verwehrte mir die schreckliche Situation dort alle Möglichkeiten, sie noch lebend zu sehen und mich von ihr zu verabschieden. Als ich schließlich nach einer abenteuerlichen und sehr risikoreichen Reise zu Hause ankam, war es bereits zu spät. Meine Mutter war schon begraben. Nicht nur, dass ich nun mein Versprechen, dass sie ihren Sohn einmal auf der Opernbühne in der Rolle ihres Lieblingshelden bewundern darf, nicht mehr einlösen konnte, es blieb auch vieles andere unerledigt, und das Herz war mir lange Zeit sehr schwer. In den folgenden Monaten hatte ich große Mühe, meine Gesangspartien während der Vorstellungen durchzuhalten, da mich die Trauer stets aufs Neue überflutete und meine Stimme in den vielen ungeweinten Tränen oftmals beinahe »ertrunken« wäre.

Ich denke, dass solche Verluste jeden von uns treffen werden, denn Abschiede gehören schon von Geburt an zu unserem Leben. Die Konfrontation mit Abschieden beginnt, wenn ein Kind den warmen Schoß seiner Mutter verlassen muss. Du wirst mir zustimmen, dass die jeweiligen Umstände und die Qualität der Bindung sowie Ungesagtes und Unerledigtes Auswirkungen auf die Heftigkeit und Dauer des Trauerschmerzes haben, ihn weniger stark, schwer oder unerträglich werden lassen.

Jetzt ist es an der Zeit, dir von meinem unerträglichsten Trauerschmerz zu berichten, der mich vor bald dreißig Jahren ganz plötzlich und unerwartet traf. Es handelt sich um einen Schmerz, der bis heute spürbar in meinem Leben ist und es wohl immer sein wird. Natürlich hat die Heftigkeit nachgelassen, und durch das klare verstehende Ausdrücken meiner berechtigten Trauer ist mir jetzt ein anderer und sogar bereichernder Umgang damit möglich. Im Moment, wo ich mich auf diese Trauer konzentriere, kommt so viel Gefühl in mir hoch, dass ich eigentlich ein ganzes Buch schreiben müsste, um dir das Ganze verständlich zu machen. Doch da wir hier nicht den geeigneten Raum haben, hoffe ich, dass die wenigen Sätze genügen, um dich auf einem »unsichtbaren« Weg dennoch an meinen Empfindungen teilhaben zu lassen.

Als mir und meiner Frau nach vielen Jahren des Wartens endlich vergönnt war, ein Kind zu bekommen, war die Freude auf die Geburt unseres Sohnes groß. Zwar hatte es bei der Entbindung Schwierigkeiten gegeben, aber als sich der Kleine in unseren Armen bewegte und uns aus großen Augen anzusehen schien, waren wir glücklich wie selten und guter Dinge. Dieses Glück wurde jedoch sehr bald abrupt zunichte gemacht, als uns nach einer Untersuchung kühl und sachlich mitgeteilt wurde, dass wir uns mit dem Kind nicht allzu große Hoffnungen machen sollten, da es schwer und mehrfach behindert sei. Ein medizinischer Kunstfehler während einer Fruchtwasseruntersuchung im dritten Schwangerschaftsmonat hatte verheerende Konsequenzen gehabt: eine irreparable Gehirnverletzung. Diese Aussage brach wie ein großer, furchterregender Donnerschlag in unser Leben und brachte das schön aufgebaute Kartenhaus meines Lebens wie durch einen Hurrikan zum Einsturz. Plötzlich sollten wir uns von der Vorstellung eines normalen und gesunden Kindes verabschieden. Wir sollten akzeptieren, dass dieses Kind, weil blind geboren, uns nie würde sehen können. Wir sollten die Hoffnung aufgeben, dass dieses Kind jemals sprechen würde, und mussten uns damit abfinden, dass die Worte »Mama« und »Papa« niemals über seine Lippen den Weg zu uns finden würden. Wir sollten die Erwartung, unser Kind laufen zu sehen oder mit ihm Spaziergänge im Wald, in den Bergen oder am Strand zu unternehmen, vergessen. Wir erfuhren, dass uns der Kauf von Schulheften und der Ärger mit Noten und Hausaufgaben erspart bleiben würden, denn Niko würde wegen seiner schweren geistigen Behinderung den Besuch einer Schule nicht nötig haben. Außer der Blindheit, der geistigen Behinderung und der spastischen Lähmung am ganzen Körper erwartete uns ein Anfallsleiden, das nur durch schwere Medikamente ein wenig gelindert werden kann. Vielleicht kannst du dir ein bisschen Zeit nehmen, um all diesem nachzuspüren. Vielleicht kannst du dir vorstellen, du wärest der Vater oder die Mutter dieses Kindes. Meine Frau und ich haben gleich bei den ersten Wellen der Verzweiflung, die bedrohlich auf uns einstürzten, versucht, den Gefühlssturm mit gegenseitiger Unterstützung gemeinsam durchzustehen. Kurze Zeit danach war uns auch klar, dass wir fortan mit immer neuen Wellen von Trauergefühlen rechnen müssten. Wir entdeckten, dass wir von jedem normalen Entwicklungsschritt, der bei anderen Kindern stattfindet, würden Abschied nehmen müssen. Überall dort, wo andere Eltern sich über jeden kleinen Fortschritt freuten, mussten wir trauern, um die Hoffnung auf diese Entwicklungsschritte, die bei unserem Niko ja nicht kamen, loslassen zu können.

Inzwischen sind einige Jahre vergangen, sodass wir die Berge von Trauer, die auf unseren Herzen lagen, aufräumen und umwandeln konnten. Wir...

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