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Jetzt tut es gleich ein bisschen weh

Die geheimen Tagebücher eines Assistenzarztes - 'Herzzerreißend und saukomisch!' John Niven

AutorAdam Kay
VerlagGoldmann
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783641230593
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Vorhang auf für 97-Stunden-Wochen und einen Tsunami an Körperflüssigkeiten. Entscheidungen auf Leben und Tod am laufenden Band und ein Gehalt, gegen das jede Parkuhr zu den Besserverdienern gehört. Auf Nimmerwiedersehen, Freunde und Familie ... herzlich willkommen im Leben eines Assistenzarztes! Adam Kay, jetzt in seiner Heimat England als Comedian gefeiert, gehörte viele Jahre dazu. Nach schlaflosen Nächten und durchgearbeiteten Wochenenden mobilisierte er seine letzten Kräfte, um seine Erlebnisse aus dem Alltag eines Krankenhauses aufzuschreiben. Saukomisch, erschreckend und herzerweichend zugleich: Kays Tagebücher bringen alles ans Tageslicht, was Sie jemals über den Krankenhausalltag wissen wollten - und auch einiges, was besser im Verborgenen geblieben wäre. Kein Zweifel: Diese Lektüre wird Narben hinterlassen.

Adam Kay ist ein preisgekrönter Comedian und Bestsellerautor. Er schreibt für Film und Fernsehen. Davor hat er viele Jahre lang als Assistenzarzt gearbeitet. Nach seinem Megabestseller in Großbritannien folgt nun sein zweites Buch.

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Leseprobe

1

House Officer – Das erste Jahr als Juniorarzt

Mit der Entscheidung, in der Medizin zu arbeiten, verhält es sich im Prinzip so wie mit jener E-Mail Anfang Oktober, in der Sie aufgefordert werden, sich für eine der Menüoptionen bei der Weihnachtsfeier Ihrer Firma zu entscheiden. Zweifellos werden Sie auf Nummer sicher gehen und Hühnchen wählen, und es ist mehr als wahrscheinlich, dass alles glattgeht. Aber was, wenn jemand am Tag zuvor ein grausiges Video auf Facebook postet und Sie unfreiwillig Zeuge einer Massenaktion im Schnabelkürzen werden? Was, wenn Morrisey im November stirbt und Sie ihm zu Ehren von Ihrer bislang mehr oder minder ausschließlich fleischlastigen Lebensweise abrücken? Was, wenn Sie eine lebensbedrohliche Allergie gegen Hühnerfleisch entwickeln? Letztlich weiß niemand, was er sechzig Abendessen von heute zu Abend essen will.

Ärzte treffen ihre Berufsentscheidung hierzulande im Alter von sechzehn Jahren – zwei Jahre bevor ihnen unser Gesetz gestattet, ein Foto von ihren Genitalien ins Netz zu stellen. Wenn Sie sich daranmachen, Ihre Oberstufenkurse auszusuchen, begeben Sie sich auf eine ballistische Kurve, deren Verlauf bis zu Ihrer Rente oder Ihrem vorzeitigen Tod vorgezeichnet ist. Und anders als bei Ihrem Weihnachtsessen auf der Arbeit findet sich keine Janet aus der Logistik, die mit Ihnen Hühnchen gegen Grillkäsespieße tauscht – Sie bleiben auf Ihrer Wahl sitzen.

Die Gründe, die Sie im Alter von sechzehn Jahren bewegen, sich für ein Leben in der Medizin zu entscheiden, laufen im Allgemeinen auf das Muster hinaus: »Meine Mama/mein Papa ist Arzt«, »Ich finde Emergency Room so toll« oder »Ich will Krebs heilen«. Die Gründe eins und zwei sind albern, Grund drei wäre komplett in Ordnung – vielleicht ein bisschen zu ernst für Ihr Alter –, wäre da nicht der Umstand, dass dies etwas ist, das von Wissenschaftlern versucht wird, nicht von Ärzten. Davon abgesehen will es ein bisschen unfair erscheinen, jemanden dieses Alters bei seinem Wort zu nehmen – ein bisschen so, als erklärten Sie jenes »Ich will mal Astronaut werden«-Bild, das Sie mit fünf Jahren gemalt haben, zu einem rechtlich bindenden Dokument.

Was mich betrifft, erinnere ich mich nicht daran, dass Medizin in meinem Falle eine aktive Berufsentscheidung gewesen ist, es war eher so etwas wie die Werkseinstellung für mein Leben – wie der Marimba-Klingelton und das vorinstallierte Hintergrundfoto von einem Gebirgsmassiv auf Ihrem PC-Bildschirm. Ich bin in einer jüdischen Familie aufgewachsen (wobei für diese wohl vor allem das entsprechende Essen im Vordergrund stand), war auf einer Schule, die im Prinzip nichts anderes war als eine Würstchenfabrik für künftige Ärzte, Rechtsanwälte und Kabinettsmitglieder, und mein Vater war Arzt. Ich konnte gar nicht anders. Es war meine Bestimmung.

Da auf einen Platz fürs Medizinstudium mehr als zehn Bewerber kommen, müssen alle Kandidaten ein Interview über sich ergehen lassen, bei dem nur diejenigen, die sich unter Grillbedingungen am allerbesten schlagen, mit einem Studienplatz belohnt werden. Dass alle Bewerber sich in ihren Kursen auf einem glatten Einser-Niveau bewegen, wird sowieso vorausgesetzt, daher gründen die Universitäten ihre Entscheidungen auf nichtakademische Aspekte. Das freilich ergibt Sinn: Ein Arzt muss psychisch für den Job geeignet sein – imstande, unter furchterregendem Druck Entscheidungen zu treffen, verängstigten Angehörigen schlimme Neuigkeiten zu überbringen, und fähig, tagtäglich dem Tod ins Auge zu sehen. Er muss über etwas verfügen, das sich nicht auswendig lernen und benoten lässt: Ein wirklich guter Arzt muss ein riesengroßes Herz haben und dazu eine massiv erweiterte Hauptschlagader, durch die ein ganzes Meer an Mitgefühl und Menschenfreundlichkeit gepumpt wird.

Das jedenfalls ist das, was man annehmen sollte. In Wirklichkeit scheren sich die medizinischen Hochschulen nicht auch nur einen feuchten Kehricht um irgendwas davon. Sie fragen nicht mal danach, ob Sie Blut sehen können, sondern versteifen sich vielmehr auf ganz andere außerschulische Qualitäten: Der ideale Student ist Kapitän zweier Sportmannschaften, amtierender Schwimm-Champion des Landes, Leiter des Jugendorchesters und Herausgeber der Schulzeitung. Das Ganze ist im Grunde eine Miss-Wahl unter Gleichgesinnten, nur fehlt die Schärpe. Schauen Sie sich den Wikipedia-Eintrag irgendeines berühmten Arztes an, und Sie werden Dinge lesen wie: »In der Juniorliga ein versierter Rugby-Spieler, glänzte er später als Langstreckenläufer und war im letzten Schuljahr Vizekapitän der Leichtathletikmannschaft.« Diese spezielle Beschreibung passt übrigens auch auf einen gewissen Dr. H. Shipman, das System ist vielleicht doch nicht so unfehlbar.

Das Imperial College in London befand zufrieden, dass meine Lorbeeren aus acht Jahren Klavier und Saxofon sowie ein paar dilettantische Theaterrezensionen für die Schülerzeitschrift mich perfekt auf ein Leben auf Station vorbereitet hätten, sodass ich meine Sachen packte und mich auf die abenteuerliche Zehnkilometerreise von Dulwitch nach South Kensington machte.

Wie Sie sich vielleicht vorstellen können, ist das Auswendiglernen jedes einzelnen Aspekts von Anatomie und Physiologie des menschlichen Körpers samt jeder denkbaren Art und Weise, wie dieser versagen kann, eine ziemliche Herkulesaufgabe. Aber die Begeisterung, die mir das Wissen vermittelte, eines Tages Arzt zu sein – etwas so Bedeutendes, dass Sie wie ein Superheld oder ein international gesuchter Verbrecher dafür buchstäblich Ihren Namen ändern –, trieb mich jene sechs langen Jahre unaufhaltsam meinem Ziel entgegen.

Dann hatte ich es geschafft. Ich hatte meine Zulassung und trat mein erstes Jahr im Klinikdienst an.4 Ich hätte bei der Quizshow Mastermind auftreten können – Spezialgebiet »der menschliche Körper«. Jeder von den Zuschauern zu Hause hätte vor seinem Fernseher lauthals ausgerufen, dass das Gebiet viel zu weit und uferlos sei, und ich mich, wenn ich Erfolg haben wolle, besser auf etwas so Umgrenztes wie »Arteriosklerose« oder »Ballenzehen« beschränken solle, aber sie hätten falschgelegen, ich hatte es tatsächlich auf die Reihe bekommen.

Endlich war es an der Zeit, gerüstet mit all diesem erschöpfenden Wissen, hinaus auf die Stationen zu gehen und die Theorie in Praxis umzusetzen. Meine innere Sprungfeder hätte gespannter nicht sein können. Es war daher ein ziemlicher Schlag, als ich feststellen musste, dass ich ein Viertel meines bisherigen Lebens auf der Medizinhochschule zugebracht hatte und mich das nicht im Geringsten auf das Jekyll-and-Hyde-Dasein eines Arztes in der klinischen Ausbildung vorbereitet hatte.5

Tagsüber war der Job machbar, wenn auch nervig und irre zeitaufwendig. Sie erscheinen am Morgen zur Visite, bei der das Ärzteteam geschlossen jeden seiner Patienten abklappert. Sie dackeln hinterher wie ein hypnotisiertes Entchen, den Kopf in Einfühlsamkeit suggerierender Weise zur Seite geneigt, notieren sich jede Anweisung Ihres Vorgesetzten – MRT-Termin ausmachen, an die Rheumatologie überweisen, ein EEG veranlassen. Den Rest Ihres Arbeitstages (plus in der Regel weitere vier unbezahlte Stunden) verbringen Sie dann damit, diese schier nicht enden wollenden Anweisungen auszuführen, Formblätter auszufüllen, Anrufe zu tätigen. Letztlich sind Sie nichts weiter als ein persönlicher Assistent Ihres Chefs. Nicht gerade das, wofür Sie so lange studiert haben, aber was soll’s.

Die Nachtwachen hingegen lassen Dantes Hölle wie Disney erscheinen – ein erbarmungsloser Albtraum, der mich bitter bereuen ließ, jemals den Gedanken gehegt zu haben, ich sei gemessen an meiner Ausbildung hin und wieder möglicherweise eventuell nicht hinreichend ausgelastet gewesen. Nachts bekommt der Arztanfänger ein kleines Funkgerät – liebevoll Piepser oder auch Pager genannt – ausgehändigt, und damit fällt ihm die Verantwortung für jeden einzelnen Patienten in der gesamten Klinik zu. Den ganzen verdammten Haufen. Der diensthabende Senior House Officer und der Assistenzarzt sind unten in der Notaufnahme, untersuchen Patienten und nehmen Leute auf, während Sie oben auf Station das Schiff alleine segeln. Ein Schiff von ungeheuren Ausmaßen, auf dem zu allem Überfluss Wasser eindringt und Sie überhaupt nicht navigieren können. Man hat Sie gelehrt, Herz und Kreislauf eines Patienten zu untersuchen, Sie kennen die Physiologie der Herzkranzgefäße, aber selbst wenn Sie jedes kleinste Anzeichen und Symptom eines Herzinfarktes im Schlaf erkennen, ist es beim ersten Mal nicht so einfach, damit klarzukommen.

Sie werden von Station um Station angepiepst, von einer Schwester nach der anderen mit einem Notfall nach dem anderen – es hört nie auf, die ganze Nacht nicht. Ihre älteren Kollegen behandeln in der Notaufnahme Patienten mit einem speziellen Problem: einer Lungenentzündung, einem gebrochenen Bein. Ihre Patienten sind ähnliche Notfälle, aber sie befinden sich bereits in stationärer Behandlung, das heißt, sie haben grundsätzlich bereits ein ernsthaftes Problem. Es ist so eine Art »Super-Big-Mac«, bei dem sich Symptome zu Beschwerden und Beschwerden zu Krankheiten addieren: Sie haben einen Patienten mit Lungenentzündung zu behandeln, der mit Leberversagen eingeliefert worden war, oder einen mit gebrochenem Bein, der nach einem epileptischen Anfall aus dem Bett gefallen ist. Sie sind eine mobile, mehr oder weniger unausgebildete Ein-Mann-Notaufnahme, die von Körperflüssigkeiten (und zwar nicht solchen, die Spaß machen) durchweicht einen endlosen Strom an besorgniserregend kranken Patienten zu...

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