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Kaffeepausen mit dem Papst

Meine Begegnungen mit Franziskus

AutorThomas Schirrmacher
VerlagSCM Hänssler im SCM-Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl304 Seiten
ISBN9783775173520
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Wie evangelisch ist der Papst? Papst Franziskus ist seit seinem Amtsantritt Hoffnungsträger für viele Katholiken und darüber hinaus. Thomas Schirrmacher, 'des Papstes liebster Protestant' (Die WELT), hatte häufige Begegnungen und Gespräche mit ihm und war Teilnehmer bei Synoden und Konsultationen im Vatikan. Dass der Papst sich bei seinen evangelischen Brüdern entschuldigt hat, lässt aufhorchen. Was aber bedeuten die vielen anderen Veränderungen, die der Papst eingeleitet hat, für die Christen anderer Konfessionen? Ist hier noch mehr zu erwarten? Ein sehr persönlicher Bericht mit vielen Anekdoten und Hintergrundinformationen. Inklusive 16-seitigem Bildteil.

Prof. Dr. Dr. Thomas Schirrmacher ist Sprecher für Menschenrechte der Weltweiten Evangelischen Allianz und Vorstandsmitglied der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte. Er engagiert sich weltweit für Frieden und Gerechtigkeit. Zu seinen neuesten Veröffentlichungen gehören Unterdrückte Frauen (2013), Menschenrechte (2012), Menschenhandel (2011), Fundamentalismus (2010), Rassismus (2009), Hitlers Kriegsreligion (2007) und Multikulturelle Gesellschaft (2007). Seine Bücher wurden in 18 Sprachen übersetzt.

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Leseprobe

3
»Eine Neuausrichtung des Papstamtes«


Das Ende des Kaiserpapsttums


»Dieser Papst will kein Kaiserpapsttum mehr.«40 So formulierte es der deutsch-italienische Vatikankorrespondent Marco Politi. Somit durfte die Einführungsmesse des Papstes nicht »Inthronisierung« heißen, da es im Vatikan schließlich keinen König gebe. »Vor allem aber steht dieser informelle Stil im Dienst eines hellsichtigen Plans: den imperialen Charakter des Papsttums, den cäsarischen, halbgöttlichen, von der Aura der Unfehlbarkeit umgebenen Absolutismus zu demontieren, der sich im Laufe der Jahrhunderte am päpstlichen Hof abgelagert hat und sogar im heidnischen Titel der Nachfolger Petri zum Ausdruck kommt: Pontifex Maximus41

Diese Veränderungen will der Papst nicht nur für sich selbst gelten sehen, sondern für die ganze Kirche. In einer seiner Morgenmessen predigte er: »›Der Triumphalismus in der Kirche bringt die Kirche zum Stillstand‹, fuhr der Papst fort. ›Der Triumphalismus von uns Christen blockiert die Christen. Eine triumphalistische Kirche ist eine Kirche, die auf halbem Wege stehen bleibt.‹ Eine Kirche, die sich damit begnügt, ›gut eingerichtet zu sein, mit allen erforderlichen Büros, alles in schöner Ordnung, alles schön, effizient‹, die aber die Märtyrer verleugnet, wäre eine Kirche, die ausschließlich an die Triumphe, an die Erfolge denkt; eine Kirche, die sich nicht jene Regel Jesu zu eigen gemacht hat: die Regel des Triumphs, der auf dem Weg über das Scheitern erfolgt. Das menschliche Scheitern, das Scheitern des Kreuzes. Und das ist eine Versuchung, der wir alle ausgesetzt sind.«42 In seiner Umweltenzyklika »Laudato si’« bringt Franziskus das Kunststück fertig, sich kein einziges Mal als Papst zu bezeichnen, er beschränkt sich auf den Titel »Bischof von Rom«43. Oft sind es die ganz kleinen Gesten, die etwas deutlich machen. So unterschreibt der Papst beispielsweise seit seiner Einführung nur mit »Franciscus«, ohne eine Amtsbezeichnung dazuzusetzen. Wenigstens ein »PP« (= Papa = Papst) wäre normal.

Die schlichte Unterschrift des Papstes auf seinem Foto anlässlich der Messe zu seiner Amtseinführung 2013

Einmal fragte ich den persönlichen Fotografen des Papstes, Francesco Sforza, mit dem ich mich leider nur ganz langsam und mit Zeichensprache auf Italienisch unterhalten konnte, ob der Papst auch Fotos signiere. Nein, niemals, erwiderte er. Ich sagte: Das wollen wir doch mal sehen. Er versprach mir eine weitere schöne Aufnahme mit dem Papst, wenn dies mir gelänge, und druckte für mich als Testobjekt ein Foto in DIN A4 aus. Ich ging zum Papst, der zwar lachend, aber ohne zu Zögern unterschrieb. Aber eben, wie immer, ohne »PP« oder irgendeinen Hinweis, dass er der Papst sei. Das Ergebnis findet sich in Farbteil. Als Dank erhielt ich von Sforza zwei Fotos von Kaffeepausen mit dem Papst. Eines ziert jetzt das Titelbild des Buches. Danke, Francesco, für das Foto mit deinem Namensvetter! (Siehe Bild 19 im Bildinnenteil).

»Eine Neuausrichtung des Papsttums«


Franziskus beschreibt sein Programm und damit sein Papstverständnis in seinem ersten eigenständigen Apostolischen Schreiben vom 24. November 2013. Nicht zufällig geht es in »Evangelii gaudium« um Evangelisation. Die dort geforderte »Neuausrichtung des Papsttums« muss sich darin am Anliegen der Evangelisation orientieren. Auffällig ist der völlig andere Stil des Schreibens gegenüber denen seiner Vorgänger. Es finden sich keine dogmatischen Festlegungen, keine Anordnungen, Bestimmungen oder endgültige Aussagen. Vielmehr macht der Papst Vorschläge, fordert auf, Lösungen zu suchen, und fordert alle Christen und die große Masse der Laien in immer neuen Formulierungen und Zusammenhängen auf zu evangelisieren. Im Abschnitt »Anliegen und Grenzen dieses Schreibens« erklärt der Papst sogar, es sei nicht angebracht, wenn der Papst die Antworten gebe anstelle der örtlichen Bischöfe, die die Situation vor Ort viel besser kennten. Vielmehr sieht er »die Notwendigkeit, in einer heilsamen ›Dezentralisierung‹ voranzuschreiten«44.

Papst Franziskus schlägt einen für ein päpstliches Schreiben ganz neuen Ton an. Er will »vorschlagen«, »anregen« und dezentralisieren. Nirgends gibt er etwas unter Berufung auf sein Amt vor. Er bemängelt sogar, die »kollegiale Gesinnung« unter seinen beiden Vorgängern sei »wenig vorangekommen«45, und wolle das nun ändern. Es ist völlig ungewöhnlich, dass ein Papst seine Vorgänger in einem amtlichen Dokument kritisiert. Die Kollegialität der Bischöfe will er von den orthodoxen Kirchen lernen.46 Dazu muss man sagen, dass die Kollegialität der Bischöfe im Zweiten Vatikanischen Konzil festgeschrieben und gefordert wurde. Im Kirchenrecht, das Papst Johannes Paul II. 1983 verkündete, wurde es zwar häufig erwähnt, de facto aber weiter reduziert. Denn der Papst erhielt gegen alle Entscheidungen der Bischöfe, auch gegen die Entscheidung eines Konzils, nicht etwa ein Vetorecht, sondern eine Abstimmung ohne die positive Stimme des Papstes ist hinfällig. Auch die Autorität der Ortsbischöfe und der Nationalen Bischofskonferenzen wurde gegenüber dem Vatikan geschwächt. Nun aber schreibt der Papst: »Ich glaube auch nicht, dass man vom päpstlichen Lehramt eine endgültige oder vollständige Aussage zu allen Fragen erwarten muss, welche die Kirche und die Welt betreffen. Es ist nicht angebracht, dass der Papst die örtlichen Bischöfe in der Bewertung aller Problemkreise ersetzt, die in ihren Gebieten auftauchen. In diesem Sinn spüre ich die Notwendigkeit, in einer heilsamen ›Dezentralisierung‹ voranzuschreiten.«47

Diese erwünschte Dezentralisierung wird auch an einem Umstand deutlich, den bisher meines Wissens außer Bernd Hagenkord SJ noch niemand thematisiert hat. Apostolische Schreiben sind üblicherweise mit Zitaten gespickt, aus der Bibel, von Konzilien, Päpsten, Lehrdokumenten usw. Franziskus zitiert vor allem, wie bereits Papst Benedikt, die Bibel. Gegenüber seinen Vorgängern hat Franziskus dagegen die Zitate von Päpsten stark reduziert (die Hälfte der Zitate stammt von Papst Benedikt XVI.). Stattdessen zitiert er sehr viel aus Texten und Berichten regionaler Bischofskonferenzen. Interessant ist seine Begründung für die Dezentralisierung. Er argumentiert, dass Zentralisierung Evangelisierung behindere: »Eine übertriebene Zentralisierung kompliziert das Leben der Kirche und ihre missionarische Dynamik, anstatt ihr zu helfen.«48 Sie Struktur sollte – und das habe ich selbst aus dem Mund des Papstes gehört – mehr von der Evangelisation bestimmt sein als vom Streben nach dem Erhalt des Status quo oder nach dem Einfluss der katholischen Kirche. Denn, so der Papst, ohne Evangelisierung sei die Kirche sowieso am Ende.

Insgesamt geht es um nicht weniger als um »eine Neuausrichtung des Papsttums«. Im Zusammenhang liest sich das so: »Da ich berufen bin, selbst zu leben, was ich von den anderen verlange, muss ich auch an eine Neuausrichtung des Papsttums denken. Meine Aufgabe als Bischof von Rom ist es, offen zu bleiben für die Vorschläge, die darauf ausgerichtet sind, dass eine Ausübung meines Amtes der Bedeutung, die Jesus Christus ihm geben wollte, treuer ist und mehr den gegenwärtigen Notwendigkeiten der Evangelisierung entspricht. Johannes Paul II. bat um Hilfe, um ›eine Form der Primatsausübung zu finden, die zwar keineswegs auf das Wesentliche ihrer Sendung verzichtet, sich aber einer neuen Situation öffnet‹. In diesem Sinn sind wir wenig vorangekommen. Auch das Papsttum und die zentralen Strukturen der Universalkirche haben es nötig, dem Aufruf zu einer pastoralen Neuausrichtung zu folgen. Das Zweite Vatikanische Konzil sagte, dass in ähnlicher Weise wie die alten Patriarchatskirchen ›die Bischofskonferenzen vielfältige und fruchtbare Hilfe leisten können, um die kollegiale Gesinnung zu konkreter Verwirklichung zu führen‹. Aber dieser Wunsch hat sich nicht völlig erfüllt, denn es ist noch nicht deutlich genug eine Satzung der Bischofskonferenzen formuliert worden, die sie als Subjekte mit konkreten Kompetenzbereichen versteht, auch einschließlich einer gewissen authentischen Lehrautorität. Eine übertriebene Zentralisierung kompliziert das Leben der Kirche und ihre missionarische Dynamik, anstatt ihr zu helfen.«49

Das alles wird von der unglaublichsten Aussage im Dokument unterstrichen, die den Papst sogar noch nicht einmal namentlich nennt: »In allen Getauften, vom ersten bis zum letzten, wirkt die heiligende Kraft des Geistes, die zur Evangelisierung drängt. Das Volk Gottes ist heilig in Entsprechung zu dieser Salbung, die es ›in credendo‹ unfehlbar macht. Das bedeutet, dass es, wenn es glaubt, sich nicht irrt, auch wenn es keine Worte findet, um seinen Glauben auszudrücken. Der Geist leitet es in der Wahrheit und führt es zum Heil.«50 Hier wird es nun radikal. Der Papst, der nach katholischer Lehre unfehlbar ist, sofern er diese Autorität in Anspruch nimmt, sagt, das gesamte Volk Gottes, ja, jeder Christ werde vom Geist Gottes zum Evangelisieren gedrängt und sei in seinem Glauben »unfehlbar«, wenn er glaubend das Evangelium verkündige, selbst wenn ihm die rechten Worte fehlen. Der Papst interpretiert die Unfehlbarkeit der Kirche neu – um der Evangelisierung willen. Hätte ich das geschrieben, hätte jeder einen...

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